Zukunftsluft? Aerosole in der Atmosphäre der Zukunft: Wie entstehen sekundäre Aerosole und wie können wir neue Methoden entwickeln, um sie zu untersuchen?
Die Atmosphäre verändert sich. Menschliche Aktivitäten haben die Zusammensetzung der Luft im Laufe des letzten Jahrhunderts stark verändert, aber heutzutage werden immer mehr Emissionsvorschriften erlassen. Wie wird die zukünftige Atmosphäre aussehen? Und beeinflussen menschliche Aktivitäten immer noch Klima und Luftqualität? In unserer Forschungsgruppe konzentrieren wir uns auf Aerosole, winzige flüssige oder feste Partikel, die in der Luft schweben. Sie sind eine entscheidende Komponente der Atmosphäre. Sie können als Kondensationskeime für Wolken wirken: Ohne Aerosolpartikel gäbe es keine Wolkentröpfchen. Und sie können die menschliche Gesundheit beeinträchtigen: Das Einatmen hoher Konzentrationen von Aerosolpartikeln kann giftig sein, da sie tief in unsere Lungen eindringen und ihre Bestandteile ablagern können, die dann sogar in unseren Blutkreislauf gelangen können.
Viele Aerosole entstehen durch sekundäre Prozesse, das bedeutet, sie werden nicht direkt in die Atmosphäre emittiert, wie zum Beispiel Staub, der durch starke Winde vom Boden aufgewirbelt wird. Nein, sie entstehen direkt in der Atmosphäre durch Gase, die einen niedrigen Dampfdruck haben und durch chemische Reaktionen entstehen und sich zu kleinen Partikeln zusammen lagern. Sekundäre Aerosole könnten in der Zukunft die dominierenden Aerosole sein, da viele primäre anthropogene Quellen wie Ruß durch Luftqualitätsrichtlinien reduziert werden. Die sekundären Bildungsprozesse sind jedoch sehr dynamisch und beinhalten komplizierte chemische Reaktionsabläufe der gasförmigen Vorläuferstoffe sowie häufige Kollisionen und schnelles Wachstum der Partikel im Größenbereich von nur wenigen Nanometern. Ihre geringe Masse, hohe Diffusivität und ihre zeitliche Variabilität sind eine große Herausforderung für ihre experimentelle physico-chemische Charakterisierung. Daher bemühen wir uns ständig, neue Methoden zur Messung von ultrafeinen Aerosolpartikeln zu entwickeln, um unserer Forschungsmission gerecht zu werden: Welche Rolle spielen Aerosole in der zukünftigen Atmosphäre?
Vienna Research Group: Atmosphäre-Stadt-Aerosol-Wechselwirkungen
Städte sind Hotspots für den Klimawandel und die Luftverschmutzung. Urbane Aerosole sind komplex und haben eine Vielzahl verschiedener Quellen. Sie beeinflussen städtische Wärmeinseln, lokale Niederschläge und die biologische Aktivität von städtischer Begrünung. Die Neubildung von Aerosolpartikeln durch das Bilden molekularer Cluster aus gasförmigen schwer flüchtigen Substanzen ist die Hauptquelle für die urbane Aerosol Anzahlkonzentration. Gerade die ultrafeine (d.h. Partikel kleiner als 100 nm) Aerosolbelastung wird durch Neupartikelbildung bestimmt.
Die Untersuchung der Wechselwirkungsprozesse zwischen Stadtraum, Atmosphäre und Aerosolbildung ist entscheidend für das Verständnis städtischer Umgebungen und die Schaffung nachhaltiger und gesunder Lebensräume. In Zukunft werden städtische Aerosolquellen aufgrund einer Umstellung des Fahrzeugbestands und einer Verringerung der industriellen Emissionen erhebliche Veränderungen erfahren. Die Neupartikelbildung als Aerosolquelle in städtischen Gebieten wird aufgrund der Reduktion primärer Aerosolquellen und der verstärkten Emissionen von organischen Substanzen, die nicht durch Verbrennungsprozesse freigesetzt werden, grundlegend verändern. Vor allem das Neupartikelbildungs-Potenzial der dieser sogenannten flüchtigen chemischen Verbindungen (Volatile Chemical Products, VCPs), die z. B. aus Reinigungsmitteln, Körperpflegeprodukten, Klebstoffen, Beschichtungen oder Asphalt verdunsten, ist noch wenig erforscht.
Die mit 1,6 Mio. Euro des Wiener Wissenschafts- Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) finanzierte Vienna Research Group (VRG) zielt darauf ab, die Rolle von VCP-Emissionen und Neupartikelbildung im Umweltsystem der Stadt der Zukunft zu untersuchen. Die VRG verwendet einen multidisziplinären Ansatz und nutzt ultrahochauflösende Massenspektrometrie mit multipler chemischer Ionisation, um gasförmige Oxidationsprodukte verschiedener VCP-Emittenten im Labor zu identifizieren und gleichzeitig ihre organische Funktionalität mittels FTIR-Spektroskopie zu bestimmen. Bei Feldmessungen in der Seestadt, einem neu entwickelten Stadtviertel in Wien und Europas größtem städtischen Entwicklungsgebiet, versuchen wir direkt die Neupartikelbildung in einer Umgebung zu messen, die repräsentativ für zukünftige Städte ist. Molekulare Fingerabdrücke einzelner im Labor getesteter VCP-Quellen sollen dabei zugeordnet werden, um besser zu verstehen, welche Substanzen für die Aerosolbildung in der Stadt der Zukunft entscheidend sein werden. Unsere Ergebnisse sollen zukünftige Entscheidungen bei Baumaterialien und städtischer Planung in Bezug auf die Luftqualität, den vollständigen Lebenszyklus von Materialen, und den urbanen Klimawandelabdruck beeinflussen.
Interessiert?
Dann komm in unsere neue Arbeitsgruppe mit einem Sinn für die Umwelt! Beeinflusse die Stadt der Zukunft! Profitiere von einem jungen, zugänglichen Gruppenleiter, absoluten State-of-the-Art Geräten in der Atmosphärenforschung, und tollen internationalen Vernetzungsmöglichkeiten: Wir haben Partner in der Schweiz, in Finnland, Schweden, Deutschland und den USA.
Wir haben stets die Möglichkeiten für MSc und BSc Arbeiten und suchen engagierte Forscher*Innen die sich mit der Zukunftsluft beschäftigen wollen. Auch bei Interesse an einem PhD einfach melden, vielleicht ergibt sich eine Möglichkeit!
Ausgewählte Publikationen
Stolzenburg, D., Cai, R., Blichner, S.M., et al., Atmospheric Nanoparticle Growth, Rev. Mod. Phys. 95, 045002, https://doi.org/10.1103/RevModPhys.95.045002, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, 2023
Stolzenburg, D., Wang, M., Schervish, M. and Donahue, N. M.: Tutorial: Dynamic organic growth modeling with a volatility basis set, J. Aerosol Sci., 166, 106063, https://doi.org/10.1016/j.jaerosci.2022.106063, 2022, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster.
Yan, C., Shen, Y., Stolzenburg, D. et al.: The effect of COVID-19 restrictions on atmospheric new particle formation in Beijing, Atmos. Chem. Phys., 22, 12207–12220, https://doi.org/10.5194/acp-22-12207-2022, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, 2022.
Kulmala, M., Dada, L., Daellenbach, K. R., et al.: Is reducing new particle formation a plausible solution to mitigate particulate air pollution in Beijing and other Chinese megacities?, Faraday Discuss., https://doi.org/10.1039/D0FD00078G, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, 2021.
Wang, M., Kong, W., Marten, R., et al.: Rapid growth of new atmospheric particles by nitric acid and ammonia condensation, Nature, 581(7807), 184–189, https://doi.org/10.1038/s41586-020-2270-4, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, 2020.
Stolzenburg, D., Simon, M., Ranjithkumar, A., et al.: Enhanced growth rate of atmospheric particles from sulfuric acid, Atmos. Chem. Phys., 20(12), 7359–7372, https://doi.org/acp-20-7359-2020, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, 2020.
Stolzenburg, D., Fischer, L., Vogel, A. L., et al.: Rapid growth of organic aerosol nanoparticles over a wide tropospheric temperature range, P. Nat. Acad. Sci. USA, 115(37), 9122–9127, https://doi.org/10.1073/pnas.1807604115, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, 2018.