Am 2. Februar 2022 verstarb em.o.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Alfred Kluwick zu Hause im 80. Lebensjahr nach längerer Krankheit. Alfred Kluwick wurde am 28. Juni 1942 in Wien geboren und verbrachte die frühe Kindheit im Pinzgau, wo seine lebenslange Liebe zur Natur entstand. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Wien studierte er Maschinenbau an der damaligen Technischen Hochschule (TH) Wien. Mit seiner Frau Christl, die er früh kennenlernte, hat er zwei Töchter.
Sein Studium schloss er mit einer experimentellen Arbeit am Flachwasserkanal mit dem Titel Umströmung eines Überschalltragflügelprofils mit Landeklappe unter der Anleitung von Professor Klaus Oswatitsch 1965 ab, der sein hochgeachteter akademischer Lehrer wurde. Für die Dissertation Probleme der Störtheorie bei Wellenausbreitungsvorgängen wurde ihm 1970 der Doktorgrad verliehen, 1974 habilitierte er sich im Fach Strömungsmechanik und wurde 1975 zum außerordentlichen Professor an der TH Wien ernannt. Sehr einprägsam waren für Alfred Kluwick, wie er immer wieder betont hat, wissenschaftliche Gastaufenthalte von insgesamt über zwei Jahren Dauer an der Virginia Polytechnic Institute and State University, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster in Blacksburg (USA) und der University of Michigan in Ann Arbor, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster (USA) Anfang der 1980er-Jahre, wo er regen fachlichen Austausch mit den theoretischen Aerodynamikern Thomas Adamson Jr. und Arthur Messiter unterhielt. 1986 nahm er den Ruf an die TU Wien an, das Fach Strömungsmechanik als ordentlicher Professor zu vertreten.
Die wissenschaftliche Bedeutung von Alfred Kluwick
Als Absolvent und Vertreter der sogenannten Wiener Schule der Mechanik hat Alfred Kluwick die theoretische Strömungsmechanik in Österreich und, vermöge seiner weltweiten Reputation, international über Jahrzehnte in einzigartiger Weise geprägt. Er war wohl einer der letzten Repräsentanten dieses weitverzweigten Fachgebietes, der es in seiner gesamten Bandbreite noch überblickte. Wegen seiner bis ins hohe Alter gepflegten Kontakte zu angelsächsischen und russischen Vertretern der Disziplin erkannte er frühzeitig – als physikalisch und mathematisch hochinteressierter Maschinenbauingenieur – die Bedeutung der Störungsrechnung und verwandter Methoden der angewandten Mathematik für die tiefgründige Erforschung komplexer strömungsmechanischer Fragestellungen, die er oft als erster in ihrer Tragweite erkannte. Sein erfolgreicher, kombiniert analytisch-numerischer Zugang zu zahlreichen offenen Problemstellungen führte so zu Lösungen, die nicht nur formal elegant waren, sondern oft zu einem erstaunlich tiefen physikalischen Verständnis führten. Manchmal waren sie auch mit überraschenden Entdeckungen verbunden, was sich fruchtbar für technische Anwendungen erwies. Eine seiner herausragenden Stärken war dabei die Reduzierung herausfordernder Problemstellungen mittels asymptotischer Techniken auf kanonische Formulierungen, in denen komplexe physikalische Phänomene über nur wenige, charakteristische dimensionslose Parameter abgebildet werden. Für die Vermittlung dieses rational fundierten, methodischen Zugangs sind wir ihm als seine Schüler äußerst dankbar. Als starker Verfechter der Grundlagenforschung war Alfred Kluwick der angewandten Forschung keineswegs abgeneigt, sofern es sich dabei nicht um das ausschließliche Anwenden von im Grunde bekannten Sachverhalten handelte; es sollte immer ein gewisser Neuigkeitsaspekt in der Problemstellung erkennbar sein.
Die Hauptforschungsgebiete von Alfred Kluwick waren nichtlineare Wellenausbreitungsvorgänge in Suspensionen und Gasen, die Dynamik realer Fluide, transsonische Strömungen, Düsenströmungen, Stoß-Grenzschichtwechselwirkung, wechselwirkende laminare und turbulente Grenzschichten, Strömungsablösung und der hydraulische Wassersprung in geschichteten Strömungen. Über 80 peer-reviewte Fachartikel, 15 Buchbeiträge und zwei Dutzend erfolgreich betreute Dissertationen zeugen von seiner unermüdlichen Schaffenskraft und höchst produktiven wissenschaftlichen Laufbahn. Sein permanenter, stets aufmunternder Arbeitseifer, sein unermüdlicher Einsatz für die Stärkung der Grundlagenfächer in den Ingenieurwissenschaften in diversen Gremien, sein unerschütterlicher Optimismus sowie sein subtiler Humor werden uns sehr fehlen.
In Anerkennung seiner hervorragenden Arbeiten auf den Gebieten der Grenzschichttheorie und nichtlinearen Wellenausbreitung wurde Alfred Kluwick 1996 der Erwin Schrödinger-Preis , öffnet eine externe URL in einem neuen Fensterverliehen, die höchste Auszeichnung, welche die Österreichische Akademie der Wissenschaften, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster (ÖAW) vergibt. Er erhielt zahlreiche weitere wissenschaftliche Auszeichnungen, darunter 1998 die Einladung zur Präsentation der 41. Ludwig Prandtl-Gedächtnisvorlesung , öffnet eine externe URL in einem neuen Fensterdurch die Gesellschaft für Angewandte Mathematik und Mechanik, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster (GAMM). Von 2000 bis 2003 war er korrespondierendes Mitglied, seit 2003 wirkliches Mitglied der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der ÖAW. Als Mitglied des Kuratoriums und als Fachreferent war er von 1996 bis 2000 für den österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster (FWF) tätig. Alfred Kluwick hatte verschiedene akademische Funktionen an der TU Wien inne, er war Institutsvorstand am Institut für Strömungsmechanik und Wärmeübertragung, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, Dekan an der Fakultät für Maschinenbau (1987–1991), Fakultätsvorsitzender (1998–2003) und Fakultätsratsvorsitzender (2003-2010) sowie Senatsmitglied (1996-2003). Von der Fakultät für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften der TU Wien wurde ihm im Jahr seiner Emeritierung 2010 die Viktor Kaplan-Medaille verliehen. 2011 erfolgte die Verleihung der Johann Joseph Ritter von Prechtl-Medaille durch das Rektorat der TU Wien.
Mitgliedschaften in Fachgremien
Sein hohes internationales Ansehen als Wissenschaftler auf dem Gebiet der Strömungsmechanik hat zu mehreren eingeladenen Mitgliedschaften in nationalen und internationalen Fachgremien geführt, unter anderen die Mitgliedschaft im Bureau (2004–2008), Congress Committee (1988–2010) und General Assemly (1990–2020) derInternational Union of Theoretical and Applied Mechanics, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster (IUTAM), der weltweit bedeutendsten wissenschaftlichen Dachorganisation der Mechanik. Als Vertreter der ÖAW war er seit dem Jahr 2011 Mitglied des Scientific Council und Board of Directors des International Centre for Mechanical Sciences, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster (CISM) in Udine. Er war Vorsitzender des European Mechanics Society, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster (EUROMECH) Fluid Mechanics Prize und Fellow Committee, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster (2008–2013) sowie Mitglied des Congress Committee (2002–2007). Er war Mitglied beim GAMM Richard von Mises Prize Committee, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster (2006–2013) und Vorsitzender des Österreichischen Nationalkomitees für Theoretische und Angewandte Mechanik, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster (2010–2013). Darüber hinaus vertrat er seine Disziplin als Mitglied des Advisory Board der Acta Mechanica, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster bzw. Editorial Board der Zeitschrift für Angewandte Mathematik und Physik , öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster(ZAMP).
In seiner Freizeit widmete sich Professor Kluwick dem Orgelspiel und betrieb es in nahezu professioneller Perfektion. So begleitete er als Organist die Festvesper in der Karlskirche anlässlich des 200-Jahr-Jubiläums, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster der TU Wien.
Leider machte seine zunehmende gesundheitliche Beeinträchtigung es ihm in den letzten zwei Lebensjahren immer schwieriger, seinen wissenschaftlichen Interessen und Kontakten nachzugehen und seine geliebten Hobbys Orgelspielen, Aquarellmalen, die Beschäftigung mit Literatur und Bergwandern auszuüben.
Wir behalten ihn als einen brillanten Wissenschaftler, exzellenten Lehrer und vielseitigen, in vielfacher Hinsicht vorbildlichen Menschen in Erinnerung.
Stefan Braun, Bernhard Scheichl
Institut für Strömungsmechanik und Wärmeübertragung