Diagramm: Der Frauenanteil nimmt in den Kategorien von Studierenden bis Professorinnen ab (von 25% zu unter 10%), während der Männer-Anteil zunimmt (von 75% zu über 90%).

Leaky Pipeline der TU Wien 2008

An der Technischen Universität (TU) Wien werden seit Jahren sowohl horizontale als auch vertikale Formen der Gendersegregation sichtbar. Insbesondere in den traditionellen technischen Fächern wie Elektrotechnik oder Maschinenbau ist die Rate der weiblichen Studierenden sehr niedrig (nur 8,4% aller ElektrotechnikstudentInnen sind weiblich); in höheren Karrierestufen sind überhaupt keine Frauen mehr anzutreffen.  Auf der anderen Seite sind beispielsweise im Bereich der Architektur 50% der AnfängerInnen Frauen, im Laufe der Karriere vermindert sich dieser Prozentsatz jedoch ebenfalls und hält derzeit bei 17% weiblicher Wissenschaftler/-innen innerhalb der Professor/-innen. Dieses Phänomen der über den Karriereverlauf abnehmenden Frauenanteile wird als „Leaky Pipeline“ bezeichnet.

Ebenso wie in anderen Organisationen haben Maßnahmen wie die verstärkte Verschränkung mit Schulen um den Eintritt von Mädchen in technische Studien zu erleichtern oder gezielte Mentoring-Programme für Frauen um mit fehlenden Role-Models umzugehen, bisher nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Die vorliegende Studie setzt sich somit noch einmal konkret mit den Ursachen für den erhöhten Drop-Out an der TU Wien auseinander. In einer Triangulationsstudie werden offene und verdeckte Barrieren für Frauen analysiert um das Phänomen der Gendersegregation besser verstehen und erklären zu können: (1) Mittels logistischer Regressionsanalyse wurden die Inskriptions- und Abschlussdaten der Studierenden an der TU Wien von 1998 bis 2010 ausgewertet. (2) Durch die Analyse von Personalauswahlprozessen sowie eines in diesem Zusammenhang aufgesetzten Experiments wurden spezifische Hürden für weibliche Bewerber/-innen herausgefiltert. (3) Weiters wurden mittels standardisierter Fragebögen Mobbingraten gemessen bzw. das Aggressionsniveau gegenüber weiblichen MitarbeiterInnen getestet. (4) Auf Basis narrativ-biographischer Interviews wurden darüber hinaus Frauen, die derzeit an der TU Wien beschäftigt sind sowie jene, die aus Studium oder wissenschaftlicher Karriere ausgestiegen sind zu ihren persönlichen Erfahrungen befragt.

Die Resultate zeigen, dass weibliche Studierende über die Gesamtpopulation der Studierenden eine ungefähr 30% höhere Abbruchsquote als ihre männlichen Kollegen aufweisen, wobei es erhebliche Unterschiede in den einzelnen Studienrichtungen gibt. Bewerben sich für eine ausgeschriebene wissenschaftliche Position an der TU Frauen und Männer, wird in Experimenten deutlich, dass (potenzielle) EntscheidungsträgerInnen Männer und Frauen nach geschlechtsspezifischen Stereotypen beurteilen. Darüber hinaus werden Lebensläufe von Frauen dann signifikant schlechter beurteilt, wenn das Geschlecht aus der Bewerbung ersichtlich ist. Bei Männern tritt der gegenteilige Effekt auf. Maßnahmen wie der Hinweis auf das Gleichbehandlungsgesetz im Bewerbungsverfahren erweisen sich als nicht effektiv. Quantitative Analysen zu Aggressionen, Kultur und Klima am Arbeitsplatz zeigen zwar kaum geschlechtsspezifische Unterschiede, allerdings geben die Narrationen von Wissenschaftlerinnen sehr wohl Aufschluss darüber, wie Frauen im Minderheitenstatus und den damit verbundenen Bewältigungsstrategien von Diskriminierung betroffen sind.

Insgesamt greift die Studie die vielen Facetten der Geschlechterdiskriminierung an der TU Wien auf und zeigt, wie tiefgehend die Organisation von diesem Problem erfasst ist. Das Anders-Sein von Frauen, ihr Token-Status und die damit verbundenen stereotypen (Vor-) Urteile und Konsequenzen werden in den unterschiedlichen Studien auf verschiedene Arten deutlich. Die Ergebnisse weisen auf einen dringenden Bedarf eines fundamentalen Kulturwandels hin, der anstelle von Assimilationsmechanismen integrierende Maßnahmen im Sinne eines echten Diversity Managements beinhaltet.

Projektberichte

Hier finden Sie die Executive Summary des Forschungsprojektes sowie Berichte aus den Teilprojekten "Geschlecht zählt?!" und "Der Weg und das Ziel". Die Berichte aus den anderen Teilstudien sind noch in Bearbeitung. Genauere Informationen dazu erhalten Sie gerne von der Projektleiterin Prof.in Sabine Köszegi., öffnet in einem neuen Fenster

Executive Summary - Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse (PDF), öffnet eine Datei in einem neuen Fenster

Projektpartnerinnen:

  • Mag.a Elisabeth Günther Teilstudie: „Geschlecht zählt?! Quantifizierung des Gender-Effekts“, Mitarbeiterin in der Koordinationsstelle für Frauenförderung und Gender Studies  und Doktorandin an der TU Wien
  • Dr.in Marita Haas Teilstudie: „Der Weg und das Ziel - Biographische Analyse von TU Dropouts & Karrieren im unterschiedlichen Laufbahnstufen“, freie Wissenschaftlerin
  • MMag.a Christina Keinert Teilstudie: „Der Supermitarbeiter - Implizite und Explizite Personalauswahlkriterien“, Mitarbeiterin im Bereich Arbeitswissenschaft und Organisation am Institut für Managementwissenschaften der TU Wien
  • Univ.Prof.in Dr.in Sabine Köszegi  Projektleiterin, wissenschaftliche Projektleitung, Leiterin des Bereiches Arbeitswissenschaft und Organisation am Institut für Managementwissenschaften der TU Wien
  • Dipl.Ing.in Sabine Neff Kooperationspartnerin, Vertreterin des Rektorats
  • Dr.in Brigitte Ratzer Kooperationspartnerin, Leiterin der Koordinationsstelle für Frauenförderung und Gender Studies
  • Mag.a Eva Zedlacher Teilstudie: „Fremde Galaxien - Kultur und Klima-Analyse“, Mitarbeiterin im Bereich Arbeitswissenschaft und Organisation am Institut für Managementwissenschaften der TU Wien