Um die großen Herausforderungen anzugehen, müssen Raumplaner*innen Position beziehen. Ziel des Seminars war es, eine eigene raumplanerische Position zu Themen der Transformation des Bestands in der Klimakrise zu entwickeln und diese öffentlich sichtbar zu vermitteln. Im Laufe des Semesters erarbeiteten die Studierenden Positionen, aufbauend auf einem ihrer Wahlmodule. In diskursiven Formaten formulierten und schärften sie diese Position und wählten ein Medium, mit welchem sie diese öffentlichkeitswirksam vermitteln können. Am Ende des Semesters wurden die Positionen und Endprodukte einem größeren Publikum präsentiert und Fragen zur Transformation des Bestands in der Klimakrise diskutiert.
Die Lehrveranstaltung wurde von Dragana Damjanovic (Forschungsbereich Rechtswissenschaften) und Sibylla Zech (Forschungsbereich Regionalplanung und Regionalentwicklung) geleitet.
Folgende Positionen wurden im Sommersemester 2024 erarbeitet:
Position #1 Der Plattenbau hat mehr Liebe verdient
Plattenbauten prägen bis heute ganz entscheidend unser europäisches Stadtbild. Auch wenn sie von manchen als hässlich und monoton abgestempelt werden, sind sie ein schützenswerter Teil unserer Bau- und Stadtgeschichte. Zudem lassen sich Plattenbauten aufgrund ihrer seriellen Herstellung recht kostengünstig und schnell renovieren, um aktuellen Klimastandards zu entsprechen. Plattenbausiedlungen sind äußerst divers: Während einige noch immer als Vorzeigeprojekte des leistbaren Wohnungsbaus gelten, ist bei anderen wenig vom Glanz vergangener Tage geblieben. Also einfach abreißen? Wir sagen auf keinen Fall! Unter dem Motto „Der Plattenbau hat mehr Liebe verdient“ untersuchen wir welche Schritte es benötigt, um die Plattenbauten an unsere modernen Wohnbedürfnisse anzupassen. Dabei behandeln wir unter anderem Themen wie Stigmatisierung, Mobilität, Gemeinschaft oder Wohnungsgrundrisse. Schnuppere gerne durch unsere Postkartenserie und lass dich davon überzeugen, was der Plattenbau alles zu bieten hat!
Gruppe: Christoph Brockmann, Reinhard Pichler, Sywen Schmidt & Maria Stetter
Booklet zu "Der Plattenbau hat mehr Liebe verdient", öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
Position #2 Gesetzliche Verpflichtung zur entschädigungslosen und klimaschutzorientierten Rückwidmung von Bauland
In der Vergangenheit wurde großzügig Bauland gewidmet – oft ohne dessen widmungskonforme Bebauung sicherzustellen und ohne damit eine kompakte und nachhaltige Siedlungsstruktur zu erzeugen. Das Resultat sind umfangreiche Baulandüberhänge. Eine Mobilisierung all dieser Flächen und eine damit einhergehende weitere Bodenversiegelung und Siedlungsausbreitung wäre jedoch in Hinblick auf die Klimakrise und deren Auswirkungen nicht mehr zu verantworten.
Doch was tun, mit dem umfangreich vorhandenen gewidmeten Bauland?
Um eine klimaschutzorientierte Siedlungsentwicklung sicherzustellen, müssen derartige Flächen in umfangreichem Ausmaß rückgewidmet werden. Aktuell sind Rückwidmungen rechtlich schwierig und infolge von Entschädigungspflichten sehr teuer. Es gibt jedoch kein Recht auf Baulandwidmung oder Werterhalt von Spekulationsgütern. Es fehlt eine praktisch durchführbare Funktion der Rückwidmung von Bauland in Grünland.
Aus diesem Grund haben wir 9 Kriterien definiert, auf Basis welcher die entschädigungslose Rückwidmung gesetzlich zu verpflichten ist!
Gruppe: Stefanie Löscher, Richard Hohenbichler, Stefan Michalica & Florian Peska
Folder zur Rückwidmung von Bauland, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
Position #3 Nachverdichtung hat viele Fassaden
Die Position, die sich mit der Nachverdichtung beschäftigt, zeigt auf, dass vielerorts an falschen Stellen gebaut wird. Oft werden auf der sogenannten "grünen Wiese" neue Einfamilienhaus- und Gewerbegebiete ausgewiesen und gebaut, wodurch das Siedlungsgebiet erweitert und weitere Flächen versiegelt werden. Dies schwächt die Ortskerne und erhöht den Leerstand. Dabei sollten durch Nachverdichtung wie Lückenschluss, Nachnutzung, Umbau und Anbau bestehende Strukturen erhalten und aufgewertet werden.
Das Spiel Zersiedel dich nicht soll die verschiedenen Möglichkeiten der Nachverdichtung bei unterschiedlichen Bebauungsarten aufzeigen. Im Spiel werden ländliche und städtische Räume betrachtet, die jeweils durch die Dichte der Bebauung geprägt sind. Ein wichtiges Ziel der Raumordnung ist es, den Flächenverbrauch pro Tag zu beschränken. Die im Spiel dargestellten Nachverdichtungsmethoden sind jedoch nur möglich, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen weiterentwickelt werden.
Unser Spiel richtet sich an Kinder, Jugendliche und Lehrende und thematisiert die Problematik der Zersiedelung. Es soll spielerisch vermitteln, wie wichtig effiziente Raumnutzung und nachhaltige Raumplanung sind.
Gruppe: Mareike Kluth, Anke Meier, Lea Odparik & Rafaela Weiß
Das Spiel „Zersiedel dich nicht“, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster / Spielkarten, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster / Spielanleitung, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
Position #4 Sanfte Mobilität stärken und Zeit gewinnen!
Wie wird man zukünftig vom ländlichen Raum in die Stadt pendeln? Wie kann der Bedarf motorisierten Individualverkehrs von Pendler:innen reduziert werden? Wie lassen sich längere Fahrzeiten effizient nutzen?
Das Auto wird oft als beste Lösung für den Arbeitsweg angesehen, hauptsächlich wegen der Fahrzeit: „Ich würde gerne mit dem Zug fahren, aber mit dem Auto bin ich 25 Minuten schneller.“ Doch Fahrzeit ist nur ein Faktor für Effizienz. Öffentliche Verkehrsmittel können Zeit sparen: E-Mails im Zug schreiben, mit dem Rad zum Bahnhof statt zu Fuß gehen oder im Bus ein Nickerchen machen. Dies sind nur einige der vielen Tätigkeiten, die während der Fahrt möglich sind. Sanfte Mobilität spart Zeit und das wird hier aufgezeigt. Diskursiv wird parallel an der Ausstattung öffentlicher Verkehrsmittel gearbeitet werden, um diesen Effekt noch zu verstärken.
Gruppe: Valentin Auer & Julian Staritz
Kurzfilm zur sanften Mobilität, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
Position #5 Wasser braucht mehr Raum
Unsere raumplanerische Position zur Klimakrise ist klar: Wasser braucht mehr Raum, und die Renaturierung von Fließgewässern ist der Schlüssel, um Leben zu retten. Angesichts der zunehmenden Häufigkeit von Extremwetterereignissen und Überschwemmungen ist es unerlässlich, dass wir dem Wasser mehr Raum geben, um natürliche Prozesse zu bewältigen. Dabei gilt es “Raum” in vielerlei Hinsicht zu verstehen: In der Stadt, auf dem Land, in der Natur, in der Industrie, in der Landwirtschaft, und nicht zuletzt auch bei jeder:m einzelnen im Kopf.
Die Renaturierung von Flüssen und Bächen schafft nicht nur wichtige Lebensräume für eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt, sondern stärkt auch die Resilienz unserer Gemeinden gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels.
Gruppe: Jana Lenzke, Kathrin Langhans & Sebastian Plachetzky
Puzzle & Infos zu "Wasser braucht mehr Raum", öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
Position #6 Sharing statt Neubau! Unsichtbaren Wohnraum Nutzen
In Österreich könnte das Teilen von Wohnraum anstelle von Neubauten eine Lösung sein, um den Flächenverbrauch für das Wohnen einzudämmen, Leistbaren Wohnraum zu schaffen und Flächen im Bestand zu Aktivieren. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Einfamilienhäusern, deren Umbau erheblichen Wohnraum aktivieren könnte. Die Vorteile sind vielfältig: Durch die Reduktion der Wohnfläche wird die Instandhaltung erleichtert, Mieteinnahmen generiert und Altersvereinsamung vermindert. Viele Einfamilienhäuser werden nach dem Auszug der Kinder von nur ein oder zwei Personen auf über 200 Quadratmetern bewohnt. Zudem können durch Umbauten barrierefreie EG-Bereiche für ältere Generationen entstehen.
Der Neubau von Wohnraum verursacht enorme CO2-Emissionen – allein 2020 wurden in Österreich 55.666 Wohnungen neu gebaut, was jährlich 7,2 Mio. Tonnen CO2 bedeutet. Gleichzeitig leben 758.000 Ein-Personen-Haushalte in Österreich in drei oder mehr Zimmern. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, den "unsichtbaren Wohnraum" sichtbar zu machen und zu nutzen.
Unsere Position wird durch ein Interview mit Personen, die ihren Wohnraum bereits umgebaut und nun teilen, ein Vorher-Nachher-Modell eines solchen Umbaus und ein Quiz zur Bewusstseinsbildung unterstützt. Dies alles wird in einem Transkript sowie einer Audiodatei präsentiert, um die Wichtigkeit und Vorteile der Nutzung von vorhandenem Wohnraum hervorzuheben und den Flächenverbrauch zu reduzieren.
Gruppe: Lara Gros & Katharina Marek
Foto Grundriss für eine Wohnpartei, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster / Foto Grundriss für zwei Wohnparteien, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
Position #7 KLIMAGERECHTIGKEIT JETZT! Klimawandelanpassungen im Straßenraum müssen die am stärksten Betroffenen schützen.
Dicht besiedelte und stark versiegelte Stadtgebiete sind Jahr für Jahr zunehmend von den Auswirkungen des Klimawandels, insbesondere extremer Hitze, betroffen. Marginalisierte Gruppen, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, wohnen oft in genau diesen Gebieten. Sie leiden am meisten unter den Folgen des Klimawandels, weil sie weniger Möglichkeiten für Abkühlung haben. Um diese Ungerechtigkeit zu adressieren und Klimagerechtigkeit umzusetzen, müssen marginalisierte Gruppen in den Fokus der politischen und verwaltungstechnischen Maßnahmen zur Klimawandelanpassung im öffentlichen Raum rücken und diese Maßnahmen müssen konsequent umgesetzt werden.
Gruppe: Elena Freisleben, Leonie Glück & Lara Seel
Comic „Klimagerechtigkeit Jetzt!“, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
Position #8 Schwammstadt zahlt sich aus!
Wir haben uns die Frage gestellt, warum das Schwammstadt-Prinzip heutzutage nicht überall angewandt wird, wo es sinnvoll ist? Denn die Vorteile der Schwammstadt können sich definitiv sehen lassen: Erhöhte Baumvitalität, Speicherung von Regenwasser, das zur Entlastung der Kanalisation und Versorgung der Bäume in Trockenperioden führt, ein geringerer überirdischer Flächenbedarf für Bäume, langfristige Kostenersparnis und insgesamt eine Steigerung der Lebensqualität in städtischen Gebieten.
Um eine Antwort auf diese Frage zu finden haben wir recherchiert und Interviews mit zuständigen Akteur*innen aus verschiedenen Branchen geführt. Das Fazit daraus: Die hohen Kosten sprechen besonders bei den politischen Entscheidungsträger*innen und in der Privatwirtschaft gegen den Bau der Schwammstadt.
Doch unsere Recherchen zeigten, dass sich die Investition in die Schwammstadt sehr wohl rentiert. Ein Schwammstadtbaum wird laut Expert*innen mindestens 80 Jahre alt (je nach Baumsorte auch durchaus älter), während ein regulärer Stadtbaum ohne Schwammstadt nur ca. 20 Jahre alt wird. Unseren Berechnungen zufolge, die auf Berechnungen der Stadt Bremen beruhen, ist ein Schwammstadtbaum um den Faktor 6,8 rentabler (gerechnet auf die angenommene Gesamtlebensdauer eines Baumes mit/ohne Schwammstadt).
Gruppe: Juliana Haidinger, Sebastian Hummler, Sahin Kamer Cemre & Klaus Roselstorfer
Booklet zur Schwammstadt, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster