Raphael Thurn-Valsassina, Caritas Österreich
Raphael Thurn-Valsassina, M.A. M.A., MSc ist Absolvent des MSc Renewable Energy Systems, öffnet in einem neuen Fenster und derzeit als Coordinator in International Project Management für die Caritas Österreich, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster tätig. Als 750. Mitglied unserer LinkedIn-Gruppe hat er uns ein Interview gewährt und gibt Einblicke in seine herausfordernde Arbeit.
Sie koordinieren international humanitäre Hilfsprojekte für die Caritas. Was reizt Sie an dieser Aufgabe, die für viele Menschen überwältigend und unendlich erscheint?
In Momenten existenzieller Krisen, wie etwa kriegerische Auseinandersetzungen oder Naturkatastrophen, zeigen sich nicht nur tiefe Verzweiflung und unerträgliche Ohnmacht, sondern auch die Potenziale, die uns Menschen innewohnen. Ich habe in meinen Einsätzen Menschen kennengelernt, die mir Hoffnung gegeben haben, dass Dinge auch anders sein könnten.
Was war Ihr größter beruflicher Erfolg bisher?
Bei dieser Frage kommt mir meine Mutter in den Sinn, die gerne den Religionsphilosophen Martin Buber mit den Worten zitierte: „Erfolg ist keiner der Namen Gottes“. Für mich bedeutet Erfolg, in schwierigen Situationen den Überblick zumindest so weit zu wahren, dass in der kritischen Rückschau die Mehrheit der getroffenen Entscheidungen den Test der Zeit bestehen und die Zielsetzungen weitgehend erfüllt wurden. Ich bin aktuell für die Koordination der Caritas Flüchtlingshilfe in der Republik Moldau zuständig. Die geleistete humanitäre Hilfe in Moldau, insbesondere in den ersten Monaten des Ukraine-Krieges, war in puncto Schnelligkeit und Effektivität außerordentlich gut. Das lag auch daran, dass es in Moldau einen gesamtgesellschaftlichen Schulterschluss zur Unterstützung der Geflohenen gegeben hat. Die Hilfe der Nichtregierungsorganisationen war somit eingebettet in einer Sternstunde der Menschlichkeit, und das in einem der ärmsten Länder Europas. Diese breite Solidarität vor Ort machte es einfacher, die Nothilfe im oben genannten Sinne erfolgreich umzusetzen.
Wie hat die Absolvierung des MSc Renewable Energy Systems zur Verwirklichung Ihrer Karriereziele beigetragen? Wovon haben Sie am meisten profitiert?
Das Studium hat mir einen neuen Blickwinkel auf die Welt eröffnet. Während meines Einsatzes in der Ost-Afrika-Dürre 2017, habe ich zum ersten Mal die schwerwiegenden Konsequenzen sich verändernder klimatischer Bedingungen für betroffene Bevölkerungsgruppen erlebt. Das Studium hat mir gezeigt, dass es technische Lösungen für eine nachhaltige und klimaverträgliche Energieversorgung gibt. Diese müssten nur konsequent ausgerollt werden. Es stellt sich somit die Frage, ob wir in unseren Gesellschaften die Kraft für eine solche notwendige Veränderung aufbringen werden können. Gesellschaftliche Transformationsprozesse brauchen ja in aller Regel Zeit und verlaufen auch nur in den seltensten Fällen linear. Aber Zeit ist in diesem Zusammenhang eine sehr knappe Ressource.
Und was war die größte Herausforderung auf Ihrem bisherigen Berufsweg?
Menschliches Leid, das durch Krieg ausgelöst wird, ist am Schwersten erträglich, weil solches Leid dem Grundsatz nach vermeidbar wäre. In diesem Sinne geht mir der humanitäre Einsatz im Zuge des Ukraine-Krieges sehr nahe.
In welcher Hinsicht haben Ihnen die während des MSc-Programms erworbenen Qualifikationen bei der Bewältigung dieser Herausforderung geholfen?
Seit dem Abschluss meines Studiums versuche ich die humanitären und entwicklungspolitischen Projekte, für die ich Verantwortung trage, auch durch die Brille potenzieller Einsparung von CO2 Emissionen zu betrachten. Die Förderung erneuerbarer Energien ist mir hier ein besonderes Anliegen. Beispielsweise werden gerade sieben Büros und Sozialeinrichtungen unserer lokalen Partnerorganisationen in der Republik Moldau mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet. Unsere zivilgesellschaftlichen Partner treten dadurch als lokale Träger der Veränderung in Erscheinung, und gleichzeitig wird auch ein kleiner Beitrag zur Überwindung der regional stark ausgeprägten Abhängigkeit von fossilen Energieträgern geleistet.
Was zeichnet Ihrer Meinung nach eine gute Führungspersönlichkeit aus?
Gute Vorgesetzte sind anderen einen Schritt voraus, überzeugen durch Klarheit in der Argumentation, führen durch vorbildhaftes Verhalten und haben ein genuines Interesse an dem Fortkommen ihrer Mitarbeiter_innen. Idealerweise haben sie auch ein Interesse an dem Sachverhalt, für den sie sich beruflich einsetzen.
Mit welchen Zukunftsthemen sollten sich Manager_innen unbedingt beschäftigen?
Ich glaube, dass sich die Entstehung einer multipolaren Weltordnung immer stärker beobachten lässt. Dieser Entwicklung mit Offenheit zu begegnen, wird eine große Herausforderung für die westlichen Gesellschaften werden, und zwar sowohl für die Politik als auch für die Wirtschaft. Neben einem kritischen, auch einen interessierten und teils sogar auch verstehenden Blick auf andere Gesellschaften und Kontinente zu werfen, wird in den kommenden Jahren von wachsender Bedeutung sein. Ein ausschließlich auf Konkurrenz basierender globaler Systemkonflikt kann nicht in unserem Interesse sein und sollte unbedingt vermieden werden. Die intensivierte Suche nach geteilten Interessen und kulturübergreifenden Werten wird ein wichtiges Zukunftsthema werden.
Wie schaffen Sie es, Beruf und Privatleben in Balance zu halten?
Das ist leider nicht meine Stärke. Ich freue mich jederzeit über Ratschläge.
Welche Person würden Sie gern kennenlernen? Warum?
Keine einfache Frage. Aber mit Dominic Thiem ein paar Tennisbälle zu schlagen, wäre auf alle Fälle ein großes Erlebnis.
Was verbindet Sie heute noch mit der TU Wien Academy for Continuing Education? Haben Sie noch Kontakt zu anderen Studierenden oder Vortragenden?
Ich stehe weiterhin in Kontakt mit meinen Studienkolleg_innen und hoffe, dass die entstandenen Freundschaften auch noch lange erhalten bleiben.
Welche (beruflichen und/oder privaten) Ziele haben Sie sich für die nächsten zehn Jahre gesteckt?
Ich werde mich weiterhin darum bemühen, in der einen oder anderen Form einen Beitrag zur globalen Energiewende zu leisten.