Taipei, Wintersemester 2018/19
Xenia Ewert
Oktober 2018
Mit Freuden erfuhr ich Anfang des Jahres, dass ich das Wintersemester 18/19 meines Masters in Medieninformatik an der National Taipei University of Technology im Taiwan verbringen werde. Die TU Wien ist dabei dieses Jahr das erste Mal Austauschpartner der NTUT. Da ich mich somit weniger auf meinen Gastaufenthalt einstellen konnte war ich dementsprechend gespannt.
Schon im Vorfeld machte die Taipei Tech einen sehr guten Eindruck auf mich, da die Kommunikation mit dem International Office hervorragend lief und Emails sowie Fragen immer sofort beantwortet wurden. Insbesondere der Inbound-Koordinator kümmert sich sehr geduldig und aufmerksam um alle Anliegen der Austauschstudenten.
Durch ein Informationspaket des International Office der Taipei Tech wusste ich schon vorher wie ich mich um Krankenversicherung, Visum, Anreise etc. zu kümmern hatte. Auch die Frage der Unterkunft gestaltete sich sehr einfach, da die Universität mir bereits im Vorfeld einen Platz im Campus Dormitory zuwies. Dies ist mit 300 bzw. 600€ (4er oder 2er Zimmer) pro Semester eine sehr kostengünstige Alternative zu einem WG-Zimmer in Taipeh, welches sich auf ca. 350-500€ im Monat beläuft.
Ich hatte das Glück einen Zweier-Dorm mit eigenem Bad zugewiesen zu bekommen und hatte zusätzlich die Möglichkeit schon im Vorfeld Kontakt mit meiner Mitbewohnerin aufzunehmen. Auch mein von der Uni zugewiesener Buddy nahm bereits weit im Voraus Kontakt mit mir auf und versuchte mir bei jeglichen Fragen behilflich zu sein. Da somit bereits früh das Meiste geklärt war konnte ich meiner Reise relativ entspannt entgegentreten.
Mit meinem Freund zusammen machte ich zunächst einen kleinen Umweg über Japan und Südkorea und verbrachte dort meinen Urlaub bevor es dann in Richtung Taiwan ging.
In Taiwan angekommen wurden wir von tropischen 35 Grad empfangen. Im Sommer ist es sehr schwül, gegen Ende September/Anfang Oktober nimmt die Luftfeuchtigkeit jedoch ab und das Klima ist sehr angenehm bei relativ konstant +/- 26 Grad.
Die Taipei Tech ist sehr zentral gelegen und die Metro Station befindet sich direkt vor der Tür. Mein erster Eindruck war sehr positiv, da der Eingang zum Campusgelände wie der Eingang zu einem Dschungel gestaltet ist (man nennt es auch das Green Gate :)).
Da ich wahrscheinlich etwas verloren über das Campus-Gelände lief kamen Studenten auf mich zu und halfen mir den Weg zum Dorm zu finden. Generell habe ich die Taiwaner bis jetzt als sehr, sehr freundlich und hilfsbereit kennengelernt (auch wenn sie ab und an etwas schüchtern erscheinen ;).
Viele der Student-Buddies kümmern sich außerdem sehr gut um ihre Austauschstudenten und unternehmen auch privat gerne mal einen Ausflug zusammen.
Das Dormitory befindet sich direkt neben dem Campus-Gelände und ist von Sportplätzen für Basketball und Tennis umgeben.
In meinem Zimmer empfing mich meine Mitbewohnerin Kristyna, Archtiketurstudentin aus Prag. Wir verstanden uns auf Anhieb an sehr gut und machten uns direkt einmal auf den Weg zu Ikea um eine Matratze (sind in den Dorms nicht vorhanden) zu besorgen. Außerdem benötigten wir noch einiges an Deko und Kleinkram, da die Zimmer doch eher spartanisch eingerichtet sind. Ich habe mich sehr über mein Zimmer gefreut, da es ein Zweierzimmer ist und möchte mich hier auch nicht beklagen, jedoch sollte man die ein oder andere Kakerlake im Zimmer abkönnen. Diese sind in Taiwan allerdings normal und in fast jedem Haushalt anzutreffen. Auf unserem Flur befindet sich unmittelbar die Küche für International Students, deren willkürliche Öffnungs- bzw. Schließungszeiten ich jedoch noch nicht ganz verstanden habe. Direkt neben dem Dormgebäude (man muss es quasi noch nicht einmal verlassen) befindet sich eine kleine Mensa mit verschiedenen Restaurants und einem Convenience Store. Sehr, sehr praktisch! Außerdem günstig und relativ lecker für Uni-Essen ;).
Bevor die Uni losgehen sollte fanden sich alle Austauschstudenten zu einer Einführungsveranstaltung zusammen. Durch die hohe Anzahl an Austauschstudenten dieses Jahr (ca. 50-70) und die allgemeine Aufregung im Raum fühlte man sich wie an den ersten Schultag zurückversetzt. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde stellte sich heraus, dass der Großteil der Studenten aus Deutschland, Österreich und Frankreich kommt. Außerdem gibt es noch Studenten aus Tschechien, der Slowakei, den Niederlanden, Spanien, Südkorea und Malaysia. Nach einer kurzen Stärkung wurden wir ganz nach Klassenfahrtfeeling mit Bussen gemeinsam zum Arzt gefahren, da jeder Student dazu verpflichtet ist einen Gesundheitscheck zu machen oder eine Impfung gegen Masern und Röteln und ein Röntgenbild des Oberkörper vorzuweisen.
Abends ging es mit gesammelter Mannschaft zu einem typisch taiwanischen Dinner, so dass man die anderen Studenten, Studdybuddies und Koordinatoren noch einmal besser kennenlernen konnte.
Für die kommenden Tage entschied ich mich die von der ISA organisierten Campus Tour anzuschließen. Die ISA (International Student Ambassadors) organisiert hier ca. monatliche coole Events und Ausflüge für Austauschstudenten an denen man meist kostenlos teilhaben kann.
Der Campus erscheint zunächst im Vergleich zur TU Wien sehr groß, da er auf ein Gelände zentriert ist. Schön ist, dass er alles in allem sehr grün ist. Überall auf dem Gelände findet man Palmen, Bäume, Grünflächen oder kleine Teiche mit Schildkröten. Herzstück der Universität ist ein kleines altes Gebäude aus der Zeit der japanischen Besetzung. Ansonsten sind die Gebäude eher ‚jüngeren’ Alters. Am schönsten ist dabei die Bibliothek, die gerade neu gebaut wurde und sehr modern eingerichtet ist (+ 30 Cent für einen Kaffee Bonus). Die Mensa kann sich vom Preis-Leistungsverhältnis sehen lassen und ist ebenfalls neu.
Persönlich fühle ich mich auf dem Campus-Gelände besonders aufgrund des vielen Grün und des Campusfeelings, welches mir an der TU ab und an abhanden kommt, sehr wohl.
Vor dem Start der Kurse musste ich leider feststellen, dass einige Kurse, die ich mir aus dem Curriculum des letzten Wintersemesters herausgesuchte hatte dieses Semester nicht angeboten werden. Somit musste ich kurzfristig etwas umdisponieren, was leider gar nicht so einfach ist, da das Angebot an Fächern in Englisch etwas begrenzt ist. Dennoch habe ich ausreichend englischsprachige Kurse finden können, die auch zu meinem Curriculum passen.
Ich habe einige Fächer belegt, die den Bereich Medieninformatik ansprechen, einen Business Kurs, einen Kurs zur ‚History and Culture of Taiwan‘ und zwei chinesisch Sprachkurse. Ich hatte im Vorfeld einige Bedenken bzgl. der Unterrichtssprache, da diese teilweise mit Englisch und Chinesisch angegeben wurde. Es stellte sich jedoch heraus, dass in all meinen Kursen sehr gutes Englisch gesprochen wird und es keinerlei Kommunikationsschwierigkeiten gibt. Auch inhaltlich bin ich sehr zufrieden mit meiner Kurswahl und der Lehrweise der Universität. Da sich in meinen Medieninformatikkursen viel um das Thema Interaction Design dreht, ist es sehr spannend hier unterschiedliche Designansätze kennenzulernen. Der Ansatz ist hierbei in vielen Kursen sehr praktischer Natur und es werden beispielsweise Exkursionen unternommen um Probleme des Design in der Umgebung zu erkennen oder Prototypen mithilfe von Laser Cuttern selber zu bauen.
In History und Culture of Taiwan wird uns beispielsweise durch Gastauftritte von traditionellen Schauspielgruppen die taiwanische Kultur näher gebracht. Mit 6 Stunden die Woche nimmt der Chinesisch Sprachkurs fast die meiste Zeit in Anspruch. Die Kurse sind dabei sehr intensiv und ich merke jetzt schon wie ich mich kontinuierlich verbessere, immer mehr verstehe und mich somit verständigen kann. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal Chinesisch sprechen können werde.
In diesem Sinne 以后再聊 (talk to you soon)!
你们的 Xenia
November 2018
Es ist mittlerweile schon November und mein dritter Monat an der Taipei Tech. Die Zeit vergeht hier rasend schnell und aufgrund des anhaltenden Sommers (tagsüber immer noch 20-30 Grad) merkt man hier viel weniger, dass sich das Jahr schon dem Ende zuneigt. November bedeutet an der Taipei Tech aber vor allem, dass die Mid-Term Klausuren vor der Tür stehen. Während der ersten Novemberwoche finden hier in jedem Fach Prüfungen statt, die ca. 30% der Gesamtnote ausmachen. Der Rest der Note setzt sich meist aus Anwesenheit, Mitarbeit, Hausaufgaben und einer Abschlussprüfung/ einem Abschlussprojekt zusammen. Die mitunter größte Herausforderung der Mid-Terms stellte für mich mein Chinesisch Kurs dar, in dem ich einen freien 10 minütigen Dialog auf Chinesisch halten sollte. Aber auch das hat letztendlich geklappt. Nach den Mid-Terms gab es wieder etwas mehr Luft und es blieb etwas Zeit für Ausflüge rund um Taipeh. Die Umgebung rund um Taipeh hat dabei sehr viel zu bieten und man kann innerhalb eines Tages an die verschiedensten Orte gelangen. Der Yangmingshan Nationalpark im Norden bietet wunderschöne Wander- und Klettermöglichkeiten. Im Yehliu Geopark findet man skurrile Felsformationen direkt am Meer. Ein Ausflug zu einer der Küstenabschnitte bietet sich natürlich auch immer an. Im Sommer kann man verschiedene Flüsse und Wasserfälle besichtigen, in denen man schwimmen und klettern kann. Im Winter (bedeutet hier Minimum 12 Grad ;)) bieten sich vor allem die heißen Quellen an, die rund um Taipeh zu finden sind. Hat man etwas mehr Zeit, bietet sich ein Ausflug in den Süden an, in dem besonders schöne Strände zu finden sind. Dort ist es das ganze Jahr über trockener und heißer als in Taipeh, welches sich im Norden von Taiwan befindet.
Außerhalb der Uni betreibe ich hier außerdem relativ viel Sport. Ich habe ein Studio gefunden in dem ich wie in Wien auch Brazilian Jiu-Jitsu trainieren kann. Leider ist dies mit ca. 80€/Monat etwas teuer aber auch das kostenlose Fitnessstudio der Uni bietet sich für das ein oder andere Workout an. Es gibt ebenfalls die Möglichkeit eine Fitnessstudio-Kette in der Nähe der Uni für 1,50€/90 Minuten zu besuchen. Darüber hinaus werden von der Uni Sportkurse angeboten. Die Auswahl ist hier nicht ganz so groß wie beim USI Sport und die Teilnahme etwas schwieriger, dennoch kann man sich hier zwischen Basketball, Fussball, Volleyball, Tennis, Fitness und Yoga entscheiden. Wem das nicht reicht, für den gibt es die Uni Clubs, die sich in den ersten Wochen des Semesters in einer kleinen Messe vorstellen. Hier ist eigentlich für fast jeden was dabei. Es gibt hier die Wahl zwischen Skate- oder Kletter-Clubs, Gesangs- oder Tanz-Clubs über Paintball- und Robotik-Clubs bis hin zu viel ausgefalleneren Clubs, die sich mit Tarot oder Spieleautomaten beschäftigen.
Ein sehr wichtiges Thema, welches hier bislang noch viel zu kurz gekommen ist, ist das Essen in Taiwan. Taiwan hat über den Bubble Tea hinaus noch einiges mehr zu bieten! Im Taiwan wird nämlich nicht gekocht, sondern gefühlt gehen 90% der Taiwaner morgens, mittags, abends essen. Und das nicht ohne Grund. Hier gibt es an jeder Ecke gutes und günstiges Essen in Form von Streetfood, kleinen Restaurants oder Convenient-Stores. Der Versuch hier selber zu kochen würde meistens teurer ausgehen, als außerhalb essen zu gehen. Eine ganz besondere Rolle spielen hier die Nachtmärkte, die sowohl bei den Einheimischen als auch Touristen sehr beliebt sind. Hier dreht sich alles nur ums Essen und man findet bis in die Nacht hinein zahlreiche Essensstände, welche die unterschiedlichsten Speisen anbieten. Ich wusste im Vorhinein nicht, wie ich mir taiwanisches Essen vorstellen kann würde aber mittlerweile behaupten, dass ich es sehr gern mag. Viele Gerichte beinhalten Reis und Fleisch. Eine sehr beliebte Option sind jedoch die Taiwanischen Buffets, an denen sich jeder selber aussuchen kann was er mag. Das Einzige was mir hier absolut fehlt, ist ab und an ein wenig mehr frische Speisen wie Salat oder Rohkost (Hauptsache nicht frittiert :)). Als Wiedergutmachung bekomme ich hier dafür fast täglich meine Dosis Bubble Tea, den es in Österreich fast gar nicht mehr gibt.
Um auch ein paar Eindrücke aus Österreich und Wien nach Taiwan zu bringen, fand Ende Oktober die ‚Study Abroad Fair‘ an der Taipei Tech statt. Hier konnten sich die verschiedenen Gastuniversitäten und Länder vorstellen. Mit den obligatorischen Manner-Schnitten und Kugelschreibern ausgestattet konnte es dann losgehen. Da ich im Vorfeld meine Bedenken hatte, dass die Studenten der Taipei Tech vielleicht zu schüchtern seien würden um Fragen zu stellen, war ich sehr positiv überrascht wieviel Andrang wir doch hatten. Ich hoffe die Manner-Schnitte und wir konnten letztendlich überzeugen ; ).