Was Wellen über ihre Umgebung wissen

Wellen tragen Information über ihre Umgebung. An der TU Wien wurde dazu nun eine exakte Theorie entwickelt – mit erstaunlichen Ergebnissen, die sich technisch nutzen lassen.

Schematischer Aufbau des Mikrowellenexperimentes

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In einem Wellenleiter mit rechteckigem Querschnitt wurden Teflonobjekte (orange Zylinder) platziert. Dann wurde von rechts ein elektromagnetisches Signal (blaue Wellenfront) injiziert, um Information über den grauen metallischen Quader (links) zu extrahieren. Durch Messungen des Wellenfeldes innerhalb des rot markierten Bereiches konnten die Forschenden zeigen, wie Information entsteht und wie sie von einem elektromagnetischen Signal transportiert wird.

Foto des experimentellen Aufbaus

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Experiment zur Messung des Informationstransportes durch Mikrowellen an der Université Côte d’Azur (Nizza). Auf dem Tisch befindet sich ein Wellenleiter, in den ein elektromagnetisches Signal injiziert wird (blaue Kabel im Hintergrund). Innerhalb des Wellenleiters befinden sich Teflonobjekte (weiße Zylinder im Vordergrund), an denen das Signal gestreut wird. Dadurch entsteht ein komplexes Wellenfeld, welches an verschiedenen Stellen vermessen wurde, um daraus den Informationsfluss über die horizontale Position des metallischen Quaders im Vordergrund zu bestimmen. 

Egal ob man mit Ultraschall den Körper untersucht, mit Radaranlagen den Luftraum, oder mit seismischen Wellen das Innere unseres Planeten: Immer hat man es mit Wellen zu tun, die von ihrer Umgebung abgelenkt, gestreut oder reflektiert werden. Dadurch tragen diese Wellen dann eine gewisse Information über ihre Umgebung, und diese Information gilt es dann möglichst umfassend und präzise zu extrahieren.

Wie man das am besten macht, wird seit vielen Jahren auf der ganzen Welt erforscht. An der TU Wien gelang es nun, die Information, die eine Welle über ihre Umgebung mit sich trägt, mathematisch präzise zu beschreiben. Dadurch konnte gezeigt werden, wie Wellen überhaupt Informationen über ein Objekt aufnehmen und diese dann zu einem Messgerät transportieren. Das kann man nun dafür nutzen, maßgeschneiderte Wellen zu erzeugen, mit denen man der Umgebung ein Maximum an Information entlocken kann – etwa für präzisere bildgebende Verfahren. Mit Mikrowellen-Experimenten wurde diese Theorie bestätigt. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Nature Physics“ publiziert.

Wo genau befindet sich die Information?

„Die Grundidee ist ganz alltäglich: Man schickt eine Welle auf ein Objekt, und der von dem Objekt zurückgestreute Teil der Welle wird an einem Detektor gemessen“, sagt Prof. Stefan Rotter vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. „Aus den Messdaten kann man dann etwas über das Objekt lernen – zum Beispiel über seine präzise Position, Geschwindigkeit oder Größe.“ Diese Information über die Umgebung, die diese Welle mit sich trägt, bezeichnet man als „Fisher Information“.

Oft gelingt es allerdings nicht, die gesamte Welle aufzufangen. Üblicherweise gelangt nur ein Teil der Welle in den Detektor. Das wirft die Frage auf: Wo genau befindet sich diese Information in der Welle eigentlich? Gibt es Teile der Welle, die man getrost ignorieren kann? Würde eine andere Wellenform vielleicht mehr Information zum Detektor liefern?

„Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, sahen wir uns die mathematischen Eigenschaften dieser Fisher-Information näher an und kamen zu erstaunlichen Ergebnissen“, sagt Stefan Rotter. „Die Information erfüllt eine sogenannte Erhaltungsgleichung – die Information in der Welle bleibt bei der Bewegung durch den Raum erhalten, nach ganz ähnlichen Gesetzen, wie man das zum Beispiel auch für die Erhaltung der Energie kennt.“

Ein nachvollziehbarer Weg der Information

Mit dem neuentwickelten Formalismus konnte das Forschungsteam nun genau berechnen, an welchem Punkt des Raumes die Welle wieviel Information über das Objekt tatsächlich mit sich trägt. Dabei stellt sich heraus, dass die Information über unterschiedliche Eigenschaften des Objekts (wie Position, Geschwindigkeit und Größe) in ganz verschiedenen Teilen der Welle verborgen liegen kann.

Wie die theoretischen Berechnungen zeigen, hängt der Informationsgehalt der Welle genau davon ab, wie stark die Welle von den gesuchten Objekteigenschaften beeinflusst wird. „Wenn wir zum Beispiel messen wollen, ob sich ein Objekt etwas weiter links oder etwas weiter rechts befindet, dann wird die Fisher-Information genau von dem Bereich der Welle getragen, der mit der rechten und der linken Kante des Objektes in Berührung kommt“, sagt Jakob Hüpfl, der maßgeblich beteiligte Doktorand an der Studie. Diese Information breitet sich dann aus, und je mehr von dieser Information im Detektor ankommt, umso präziser kann man die Position des Objekts daraus ablesen.“

Mikrowellenexperimente bestätigen die Theorie

In der Gruppe von Ulrich Kuhl an der Universität Cote d’Azur in Nizza wurden dazu Experimente von Felix Russo im Rahmen seiner Masterarbeit durchgeführt: In einer Mikrowellen-Kammer wurde mit Hilfe zufällig positionierter Teflon-Objekte eine ungeordnete Umgebung erzeugt. Zwischen diesen Objekten befand sich ein metallisches Rechteck, dessen Position bestimmt werden sollte. Mikrowellen wurden durch das System geschickt und danach von einem Detektor aufgefangen. Die Frage war nun: Wie gut kann man in einer solch komplizierten physikalischen Situation aus den im Detektor aufgefangenen Wellen auf die Position des Metall-Rechtecks schließen und wie fließt die Information vom Rechteck zum Detektor?

Durch exakte Vermessung des Mikrowellenfelds konnte man genau zeigen wie die sich Information über die horizontale und die vertikale Position des Rechtecks ausbreitet: sie geht von den jeweiligen Kanten des Rechtecks aus und bewegt sich dann mit der Welle mit – ohne, dass dabei Information verloren geht – genauso wie das von der neu entwickelten Theorie vorhergesagt worden war.

Anwendungsmöglichkeiten in vielen Bereichen

„Diese neue mathematische Beschreibung der Fisher-Information hat das Potenzial, die Qualität ganz unterschiedlicher bildgebender Verfahren zu verbessern“, sagt Stefan Rotter. Wenn man quantifizieren kann, wo sich die gewünschte Information befindet und wie sie sich ausbreitet, kann man etwa den Detektor passend positionieren, oder maßgeschneiderte Wellen berechnen, die diese Information in möglichst großem Ausmaß im Detektor abladen.

„Überprüft haben wir unsere Theorie mit Mikrowellen, aber sie gilt im selben Maß für unterschiedlichste Wellen mit beliebigen Wellenlängen“, betont Rotter. „Wir liefern damit einfache Formeln, mit denen man Mikroskopie-Methoden genauso verbessern kann wie quantenphysikalische Sensoren.“

 

Originalpublikation

Hüpfl, Russo, Rachbauer, Bouchet, Lu, Kuhl & Rotter, Nature Physics (2024), DOI: 10.1038/s41567-024-02519-8, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Frei verfügbare Version: https://arxiv.org/abs/2309.00010, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

 

Kontakt

Prof. Stefan Rotter
Institut für Theoretische Physik
TU Wien
Wiedner Hauptstraße 8–10, 1040 Wien
+43 1 58801 13618
stefan.rotter@tuwien.ac.at

Aussender:
Dr. Florian Aigner
PR und Marketing
Technische Universität Wien
+43 664 60588 4127
florian.aigner@tuwien.ac.at