Suche nach Dunkler Materie, 1.400 Meter unter Tage

ÖAW und TU Wien wollen mit einem neuen Experiment im italienischen Untergrundlabor Gran Sasso klären, ob ein bislang nicht bestätigtes Signal tatsächlich die Existenz Dunkler Materie belegt.

Montage eines COSINUSMontage eines COSINUS Detektormodules in einer Glovebox unter Stickstoffathmosphäre (Foto: ÖAW)  Detektormodules in einer Glovebox unter Stickstoffathmosphäre (Foto: ÖAW)

Montage eines COSINUS Detektormodules in einer Glovebox unter Stickstoffathmosphäre (Foto: ÖAW)

Die Charakterisierung von Dunkler Materie hat sich für die Physik als große Herausforderung entpuppt. Wissenschaftler_innen sind sich sicher, dass es sie gibt – welche Eigenschaften sie hat, ist aber unklar. „In astronomischen Beobachtungen können wir Dunkle Materie indirekt über ihre Gravitation nachweisen. Aber gesehen hat sie noch niemand. Vielleicht wäre ,transparente Materie‘ ein besserer Begriff, weil Dunkle Materie nicht elektromagnetisch wechselwirkt und Licht einfach durchgeht“, sagt Florian Reindl von der gemeinsamen Forschungsgruppe des Instituts für Hochenergiephysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der TU Wi

Seit 20 Jahren rätselhafte Signale

In den vergangenen Jahren wurden viele Experimente entwickelt, die den direkten Nachweis von Dunkler Materie erbringen sollten. Eines davon liefert seit 20 Jahren tatsächlich ein Signal: „Das DAMA-Experiment basierte auf der Idee, dass sich die Erde auf ihrer Bahn durch den Dunkle-Materie-Hintergrund der Galaxie bewegt. Dann hätte sie im Sommer Gegenwind und im Winter Rückenwind und ein Detektor auf der Erde sollte bei Gegenwind mehr Ereignisse messen als bei Rückenwind. DAMA misst seit mehr als 20 Jahren ein solches Signal, das allerdings von keinem anderen Experiment bisher bestätigt werden konnte. Dieses Rätsel wollen wir mit unserem COSINUS-Experiment lösen“, erklärt Reindl, der das Experiment als Sprecher leitet.

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war die Entwicklung passender Detektoren. Für COSINUS – das Kürzel steht für Cryogenic Observatory for Signals seen in Next-generation Underground Searches – werden spezielle Natriumiodid-Tieftemperaturdetektoren eingesetzt. Wird ein Atomkern im Kristallgitter eines solchen Kristalls von einem Teilchen der Dunklen Materie getroffen, so erwärmt sich der Kristall und leuchtet auf. Die gleichzeitige Auslese von Erwärmung und Licht wurde im Rahmen von CRESST entwickelt, einem der führenden Experimente zur Suche nach Dunkler Materie.

„Auch DAMA benutzt Natriumiodidkristalle. Das macht einen Vergleich mit anderen Experimenten schwierig, weil diese andere Materialen nutzen. Wir verwenden nicht nur dasselbe Detektormaterial, sondern können es auch als einziges Team auf der Welt bei Tieftemperatur tun. Damit sind die Sensoren so empfindlich, dass wir sogar sagen können, ob der Kern oder die Hülle eines Atoms im Detektor von potenzieller Dunkler Materie getroffen wurde“, sagt Reindl, der die Idee zum Experiment gemeinsam mit Karoline Schäffner vom Max-Planck-Institut für Physik in München hatte.

Hochempfindliche Apparatur, abgeschirmt durch Fels und Wasser

Weil das Experiment so empfindlich ist und damit anfällig für Störungen, muss es extrem gut abgeschirmt werden. Die Physiker_innen bauen ihr Experiment daher im italienischen Gran Sasso auf, 1.400 Meter tief in einem Berg. „Zusätzlich werden die Detektoren noch mit Wasser abgeschirmt, weil die natürliche Strahlung im Berg sonst eine Menge Interaktionen mit den Hüllen von Detektoratomen liefern würde. Damit sollten auch Dunkle-Materie-Signale, die wir hauptsächlich an den Atomkernen der Kristalle erwarten, klarer hervortreten“, sagt Reindl.

Da man noch wenig über Dunkle Materie und ihre Wechselwirkungen weiß, sind die Unsicherheiten in Experimenten groß. „Wenn wir das DAMA-Signal bestätigen könnten, wäre das der Nachweis, dass Dunkle Materie ein Teilchen ist, das mit normaler Materie wechselwirkt. Das wäre schon ein großer Schritt. Jetzt haben wir die Technologie, um diese Frage zu klären”, erklärt Reindl.

Denn durch die neuen Tieftemperaturdetektoren ist eine exakte Prüfung des DAMA-Signals möglich. Florian Reindl: „Im Prinzip messen unsere Detektoren nicht nur Kollisionen durch das entstehende Licht, sondern auch noch den Energieeintrag mit einem Thermometer. Dieses System lässt sich genau kalibrieren und gibt sehr viel Information über die Kollisionen her.“

Grünes Licht für Aufbau des Experiments

Die Physiker_innen haben nun grünes Licht für einen der begehrten Plätze im Untergrundlabor von der wissenschaftlichen Leitung der Laboratori Nazionali del Gran Sasso erhalten. „Derzeit läuft die Planungsphase. Der Wassertank soll noch Anfang 2021 installiert werden. Der Start-Termin für 2022 könnte auch in der aktuellen Coronakrise halten“, hofft Reindl. Dann müssen die Messungen mindestens ein Jahr lang laufen. Danach werden die Forscher_innen mehr über das DAMA-Signal wissen.

Neben dem Institut für Hochenergiephysik der ÖAW und dem Atominstitut der TU Wien sind als weitere Partner das Istituto Nazionale di Fisica Nucleare (INFN), das Helsinki Institute of Physics (HIP), sowie das Max-Planck-Institut für Physik in München am Experiment beteiligt. Die Natriumiodidkristalle werden am Shanghai Insitute for Ceramics (SICCAS) produziert.

Kontakt:

Florian Reindl
Institut für Hochenergiephysik, Österreichische Akademie der Wissenschaften
Atominstitut Technische Universität Wien
+43 1 5447328-32
M +43 664 544 7021
florian.reindl@oeaw.ac.at