Quantensimulatoren für die Kristallbildung

Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der TU Wien beschreibt, wie man Kristallbildung mit Untersuchungen an Bose-Einstein-Kondensaten simulieren kann.

Foto: alchemist-hp and Richard Bartz, licensed under CC BY-SA 3.0

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Die Quanteneigenschaften, die der Bildung von Kristallen zugrunde liegen, lassen sich mithilfe von ultrakalten Atomen nachbilden und erforschen. Ein Team um Dr. Axel U. J. Lode – er arbeitete früher an der TU Wien und wechselte dann an die Universität Freiburg – beschreibt nun im Fachjournal Physical Review Letters, wie man Bose-Einstein Kondensate als Quantensimulatoren für die Bildung von Kristallen verwenden kann.

Der Einsatz von Bose-Einstein-Kondensaten dipolarer Atome ermöglicht es, sogar Strukturen, die bislang bei keinem Material beobachtet wurden, zu konstruieren und präzise zu messen. An der theoretischen Studie waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Freiburg (Deutschland), der Universität Wien und der Technischen Universität Wien sowie des Indian Institute of Technology in Kanpur (Indien) beteiligt.

Die Physik der Kristalle

Kristalle existieren in der Natur in einer Vielzahl von Formen. Sie werden aus unterschiedlichsten Materialien gebildet – von Kochsalz bis zu Schwermetallen wie Bismut. Ihre Strukturen entstehen, weil eine bestimmte regelmäßige Anordnung von Atomen oder Molekülen sich als vorteilhaft erweist, weil sie am wenigsten Energieaufwand benötigt. Beispielsweise ist ein Würfel mit acht Bausteinen – je einem an jeder Ecke – eine Kristallstruktur, die in der Natur oft vorkommt.

Die Struktur des Kristalls bestimmt viele seiner physikalischen Eigenschaften, etwa wie gut er Strom oder Hitze leitet, wie er zerbricht oder wie er sich verhält, wenn er beleuchtet wird. Doch wodurch werden diese Strukturen bestimmt? Sie entstehen aufgrund der Quanteneigenschaften und der Interaktionen ihrer Bestandteile, die jedoch für die Wissenschaft oft schwierig zu verstehen und zu messen sind.

Ultrakalte Atome als Quantensimulator

Um den Quanteneigenschaften, die die Bildung von Kristallstrukturen bestimmen, dennoch auf den Grund zu gehen, kann der Prozess mithilfe von Bose-Einstein-Kondensaten simuliert werden. Dabei handelt es sich um ultrakalte Atome, die eingefangen und nahe an den absoluten Temperaturnullpunkt von minus 273,15 Grad Celsius abgekühlt werden. Ein solches künstliches System lässt sich extrem gut kontrollieren.

Bei sorgfältiger Abstimmung verhalten sich die ultrakalten Atome, als wären sie Bestandteile, die einen Kristall bilden. Man kann daher Aspekte der Kristallbildung anhand von Bose-Einstein-Kondensaten studieren, auch wenn es sich um ganz unterschiedliche Systeme handelt. Man spricht in so einem Fall daher von einem „Quantensimulator“.

Einen solchen Quantensimulator zu bauen und zu betreiben ist zwar anspruchsvoller als einen Kristall aus einem Material zu züchten, doch die Methode bietet zwei wesentliche Vorteile: Zum einen sind die Eigenschaften der Bestandteile nahezu nach Belieben veränderbar, was bei herkömmlichen Kristallen nicht möglich ist. Zum anderen lassen sich aus den Bildern, die ein Quantensimulator liefert, Informationen über alle Kristallbausteine gleichzeitig ablesen, wohingegen bei einem  konventionellen Kristall nur das Äußere sichtbar ist, während sein Inneres und vor allem dessen Quanteneigenschaften nur schwer zu erfassen sind.

Das Forschungsteam aus Freiburg, Wien und Kanpur beschreibt in seiner Studie, dass ein Quantensimulator für die Kristallbildung an Flexibilität gewinnt, wenn ultrakalte dipolare Atome dafür verwendet werden. Mit ihnen lassen sich nicht nur alle konventionellen Strukturen nachbilden, sie ermöglichen es auch, Arrangements zu realisieren und zu erforschen, die bislang noch bei keinem Material beobachtet wurden. Die Studie erklärt, wie diese neuen Anordnungen im Zusammenspiel von Bewegungsenergie, potenzieller Energie und Wechselwirkungsenergie entstehen und wie die Strukturen und Eigenschaften der daraus resultierenden Kristalle mit bislang unerreichter Präzision gemessen werden können.

Kontakt

Dr. Axel Lode
Condensed Matter Theory
Physikalisches Institut, Uni Freiburg
auj.lode@gmail.com