Bereits als kleines Kind wollte der Physiker Fabian Garmroudi verstehen, wie die Welt funktioniert. Heute ist er Dissertant an der TUW und konzentriert sich auf ein Thema: die Thermoelektrik – die Umwandlung von Wärme in elektrische Energie. Garmroudi ist noch keine 30, aber er hat bereits mehrfach mit seiner Forschung zur Umwandlung von Wärme in elektrische Energie auf sich aufmerksam gemacht: Etwa als Erstautor von Fachartikeln oder als Listmaker im Forbes-Magazin 30 unter 30. Und im Dezember 2023 wurde ihm für seine Forschungen zur Thermoelektrik der Lions Förderpreis verliehen
Hitze zu Elektrizität
Wir heizen unseren Planeten auf: Industrieanlagen, elektronische Geräte oder das Internet tragen dazu bei. Zugleich benötigen wir enorme Mengen an Energie, um all das am Laufen zu halten. Thermoelektrika sind vielversprechende Materialien, durch die Hitze in Elektrizität umgewandelt wird. Weltweit werden nur etwa 30-40 Prozent der „erzeugten“ Energie genutzt. Der Rest geht als Abwärme verloren, welche durch Thermoelektrika rückgewonnen werden kann. Fabian Garmroudi und seine Kollegen am Institut für Festkörperphysik der TU Wien sind erfolgreich in der Erforschung und Weiterentwicklung dieser Materialien. Für seine Forschungen sucht Garmroudi die renommiertesten Forschungsgruppen auf: So besuchte er beispielsweise die Arbeitsgruppe von Prof. Kaoru Kimura an der University of Tokyo, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster oder die Gruppe von Prof. Takao Mori am National Institute for Materials Science, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster (in Japan). Derzeit arbeitet er im Rahmen seiner Dissertation am Institut für Festkörperphysik, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster an der TU Wien bei Prof. Ernst Bauer, welcher unlängst den Ehrenpreis der Internationalen Thermoelektrischen Gesellschaft verliehen bekommen hat.
Im Interview erzählt Garmroudi über seine Forschung, aber auch darüber, was ihn überhaupt zu seinem Studium gebracht hat, was ihm daran gefallen hat, was nicht, und wie sein Alltag als Forscher aussieht:
Sie haben Physik studiert. Was hat sie zu diesem Studium animiert?
Schon seit ich ein kleines Kind war, hat mich fasziniert und interessiert, wie unsere Welt funktioniert. Warum ist der Himmel blau? Warum ist Feuer heiß? Ich glaube, dass sich viele Kinder solche fundamentalen Fragen stellen und dass Neugier eine natürliche menschliche Eigenschaft ist. Meine Eltern haben jedenfalls mein naturwissenschaftliches Interesse von klein auf gefördert. Tatsächlich ging dieses Interesse für die Physik aber als Teenager zwischenzeitlich wieder etwas verloren. In den letzten zwei Schuljahren im Gymnasium hat mein damaliger Physiklehrer mit viel Engagement meine Begeisterung wieder entfacht und mich animiert, Physik an der TU Wien zu studieren, wofür ich sehr dankbar bin. Physik ermöglicht uns Menschen die Welt besser zu verstehen und in Naturgesetzen mathematisch zu beschreiben. Diese Gesetze erlauben es, genaue Vorhersagen zu machen, die man dann mit höchster Präzision testen kann. Das fasziniert mich. Somit entwickelt sich unser Verständnis immer ein wenig weiter, und wir müssen uns nicht in Aberglauben oder Verschwörungstheorien stürzen.
Was hat Ihnen am besten, was am schlechtesten am Studium gefallen?
Am besten hat mir das gemeinsame Tüfteln und gegenseitige Erklären von komplexen und abstrakten Zusammenhängen gefallen, z.B. wenn man mit anderen Kollegen für eine Prüfung lernt. Es erfüllt einen mit Stolz und Freude, wenn man etwas, das zuerst kompliziert und unverständlich erscheint, verstanden hat und auch anderen gut erklären kann. Festkörperphysik war das Fach, das mir am besten gefallen hat; deshalb arbeite und forsche ich auch heute in diesem Bereich. Gut gefallen haben mir auch Bachelor-, Projekt- und Diplomarbeit, da ich einen Einblick in echte Forschung bekommen und mir Gedanken über aktuelle Fragestellungen gemacht habe.
Oft war die Studienzeit aufgrund der vielen Übungen, Prüfungen, etc., sehr stressig. Natürlich gibt es nicht nur Fächer, die einen interessieren und 90 Prozent der Sachen, die man lernt, vergisst man wieder, da man sie später nicht mehr braucht. Das kann einen manchmal etwas frustrieren. Aber das Schöne ist, dass es uns Physiker_innen nicht darum geht, Sachen auswendig zu lernen, sondern die Dinge zu verstehen, wovon sie abhängen, wie sie zusammenhängen.
Wie sind sie zu Ihrem Fachgebiet, der Thermoelektrik, gekommen?
Ich habe bereits meine Bachelorarbeit in diesem Bereich bei Prof. Ernst Bauer am Institut für Festkörperphysik der TU Wien gemacht. Während meiner Diplomarbeit bin ich dann für etwas mehr als ein halbes Jahr nach Japan an die University of Tokyo gegangen und habe dort in der Gruppe von Prof. Kaoru Kimura geforscht. In beiden Arbeitsgruppen gab es ein extrem angenehmes und gleichzeitig produktives Arbeitsklima. Als ich das erste Mal meine Forschungsergebnisse in Japan bei einer Konferenz vortragen durfte, wusste ich, dass ich gerne weiter in diesem Bereich forschen möchte. Nach Abschluss meines Masterstudiums der Technischen Physik habe ich eine freie Stelle bei Ernst Bauer angenommen, um im Rahmen meiner Dissertation weiter an thermoelektrischen Materialien zu forschen.
Bereits von Anfang an hat mir besonders gut gefallen, dass ich praktische Arbeit im Labor mit theoretischen Überlegungen verbinden kann. Ich glaube, es gibt wenige andere Fachgebiete, die Theorie, Praxis und Anwendung so gut miteinander verknüpfen und beinhalten. Das merkt man bei jeder Thermoelektrik-Konferenz, wo es Vorträge von Physiker_innen (zu fundamentalen Fragestellungen bezüglich des Transports von Ladung und Wärme in Festkörpern), Chemikern und Materialwissenschaftlern (zur Entwicklung neuer Materialien) aber auch von Ingenieuren und Firmen (zu realen Anwendungen) gibt.
Was fällt Ihnen ein, wenn Sie das Wort „Gold“ hören?
Nickel. Unlängst haben wir besonders interessante thermoelektrische Eigenschaften in Nickel-Gold Legierungen gefunden, entgegen der herkömmlichen Meinung, dass Metalle einen verschwindend geringen thermoelektrischen Effekt aufweisen. Gold ist ein Material, das den Menschen seit tausenden von Jahren fasziniert hat. Es ist eines der wenigen metallischen Elemente, welches nicht grau/silbern glänzt, sondern eben golden. Es stellt sich heraus, dass derselbe Effekt, der zu interessanten thermoelektrischen Eigenschaften in Nickel-Gold Legierungen führt, auch dafür verantwortlich ist, dass Gold seine markante Farbe bekommt. Nach Silber und Kupfer hat Gold außerdem die beste elektrische Leitfähigkeit von allen Metallen.
Wie sieht ihr Alltag als Forscher aus? Und was und wie untersuchen sie konkret?
Der Forschungsalltag kann sehr vielfältig sein. Wie erwähnt, wechseln sich praktische Arbeit im Labor und theoretische Diskussionen, ausgetragen an der Tafel, regelmäßig ab – das schätze ich an meiner Arbeit. Das Forschen ist definitiv zu meinem Hobby geworden. Als Doktorand verbringe ich auch viel Zeit damit, andere Bachelor- und Masterstudenten bei ihren Forschungsarbeiten zu betreuen. Wenn man dann interessante Ergebnisse gefunden hat, wird an einer Publikation gearbeitet. Auf den ersten Blick komplizierte Daten und Zusammenhänge einfach und verständlich in einer Publikation zu präsentieren, gehört ebenfalls zu meiner Leidenschaft. Dabei ist es auch wichtig, sich auf kritische Team-Kollegen verlassen zu können. Jeder, der im wissenschaftlichen Bereich arbeitet, wird bestätigen können, dass Teamarbeit essenziell für erfolgreiche Forschung und Publikationen ist.
In unserer Forschungsgruppe untersuchen wir verschiedene thermoelektrische Materialien (mit Fokus auf so-genannten Heusler-Verbindungen), in einem breitem Temperaturbereich von -270 °C bis 600 °C. Dank Ernst Bauers langjähriger Erfahrung und Arbeit in diesem Gebiet, sind wir an unserem Institut und speziell in unseren Labors hierfür bestens ausgestattet.
Was werden ihre Forschungsergebnisse zur Thermoelektrik verändern?
Thermoelektrische Forschung hat schon eine lange Geschichte. Der thermoelektrische Effekt wurde bereits vor mehr als 200 Jahren vom deutschen Physiker Thomas Johann Seebeck entdeckt als er, mithilfe einer Kompassnadel, bemerkte, dass sich Ladungsträger (bewegliche Elektronen) in einem Temperaturgradienten von der heißen zur kalten Seite eines Materials bewegen. Die ersten Materialien für technologische Anwendungen in Kühlung und Stromgewinnung, die sich den Effekt zunutze machen, wurden in den 1950er-Jahren entwickelt und basieren auf halbleitenden Verbindungen, welche die giftigen Elemente Tellur und Selen als wesentlichen Bestandteil enthalten (z.B. Bismuttellurid und Bleitellurid). Diese Materialien wurden und werden erfolgreich in Nischenanwendungen verwendet, etwa in portablen Kühlschränken oder zur Stromerzeugung in Satelliten und Raumsonden der NASA (z.B. Mars-Rover).
Trotz ihrer exzellenten thermoelektrischen Eigenschaften haben diese Materialien jedoch einige Nachteile. Sie sind etwa brüchig und mechanisch nicht sehr stabil. Des Weiteren ist Tellur äußerst selten. Jedenfalls gibt es bis dato keine breite Anwendung, wie etwa die Rückgewinnung von Abwärme in „grünen“ elektrischen Strom, um somit Energie effizienter zu nutzen. Der Traum einer weitverbreiteten Anwendung von Thermoelektrika kann nur erfüllt werden, wenn gute thermoelektrische Eigenschaften in günstigen, stabilen und beständigen Materialien gefunden werden, worauf wir uns an der TU Wien fokussieren.
In meinem Doktorat habe ich halbleiterähnliche Heusler-Verbindungen, basierend auf den Elementen Eisen, Vanadium und Aluminium, untersucht, aber eben auch andere Materialien (z.B. Nickel-Gold Legierungen). Als Physiker versuchen wir Thermoelektrizität in diesen Materialien, aber auch im Allgemeinen besser zu verstehen, neue Konzepte zu entwickeln und dann gezielt in die Praxis umzusetzen. Gelänge es etwa in den eben genannten Heusler-Verbindungen, basierend auf günstigen Elementen, welche noch dazu eine besonders hohe mechanische und thermische Stabilität aufweisen, ähnliche oder zumindest vergleichbare Performance wie in Bismuttellurid zu erreichen, wäre das sicherlich ein Riesendurchbruch, der zu einer breiteren Anwendung thermoelektrischer Materialien führen würde. Ich denke dabei an große industrielle Anlagen oder an das Internet der Dinge (IoT), weil hier unzählige Daten mithilfe von Sensoren gesammelt werden. Ein weiterer Einsatzbereich wären medizinische Messgeräte, die wir am oder sogar im Körper tragen und die mittels Sensoren unsere Vitalparameter überwachen (z. B. bei älteren oder kranken Personen). Sie könnten allein durch die Körperwärme mit elektrischer Energie versorgt werden und folglich energieautark operieren. Es wird noch eine Zeit dauern bis wir soweit sind, aber wenn es dann soweit ist, können wir eine Menge an Energie sparen!
Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft. Würden Sie gerne bei einem Spin-off mitmachen, das solche Anwendungen zur Marktreife entwickelt?
Ich sehe mich in Zukunft vorerst noch als Forschenden an einer Universität. Ich schätze das universitäre Umfeld sehr sowie die damit verbundene Freiheit. Daher habe ich derzeit geplant nach Abschluss meines Doktoratsstudium im Ausland eine Postdoc-Stelle im Bereich Festkörperphysik aufzusuchen. Mein Traum wäre natürlich, danach eine Fixanstellung an einer Universität oder Forschungseinrichtung in oder zumindest in der Nähe von Wien zu bekommen, jedoch ist das bekanntlich nicht so einfach. Ich kann mir aber auch vorstellen später einmal im industriellen Bereich zu arbeiten oder sogar bei einem Start-up-Unternehmen mitzumachen und versuche diesbezüglich flexibel zu sein.
Danke für das Interview!
Beitrag: Edith Wildmann
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