Ultrakurze Pulse, wie sie erstmals an der TU Wien charakterisiert wurden [1], sind das ultimative Werkzeug, um die Grundlagen der Licht-Materie-Wechselwirkung und die Bedeutung von Zeit und Zeitunterschieden in der Quantenmechanik zu untersuchen [2].

Schnappschüsse vom Aufbau von Wellenpaketen

Wir haben z.B. die vollständige Zwei-Elektronen-Dynamik von Heliumatomen untersucht, die mit starken und kurzen Laserpulsen bestrahlt wurden, um die scheinbare Zeitverzögerung der Photoemission aus verschiedenen Anfangszuständen des Mutteratoms zu berechnen (zusammen mit dem MPQ Garching, TU München). Zu diesem Zweck haben wir die Zwei-Elektronen-Schrödinger-Gleichung für Helium gelöst und so genannte Attosekunden-Streaking- und RABBITT-Experimente erfolgreich simuliert, die beide die relative Zeitverzögerung verschiedener Elektronengruppen beim Erreichen des Detektors messen. Unsere Simulationsergebnisse werden zur Bestimmung von Zeitverzögerungen auf einer absoluten Skala verwendet und haben einen detaillierten Blick auf die durch Photonen induzierten Anregungsprozesse in Atomen ermöglicht [2].

Unsere Simulationsergebnisse wurden auch verwendet, um die zeitliche Entwicklung des zeitlichen Aufbaus von Interferenzstrukturen bei der Photoemission (Fano-Resonanzen, MPI Heidelberg) zu berechnen. Diese Interferenzen werden durch zwei alternative Wege zum gleichen Endzustand verursacht, z.B. direkte Emission vs. verzögerte Emission über einen metastabilen angeregten Zustand. Pump-Probe-Experimente mit variabler Verzögerung zwischen den beiden Pulsen unterbrechen den Aufbau der Resonanz und erlauben es, Schnappschüsse des Prozesses zu machen und so die zeitliche Entwicklung der Mehrweg-Interferenz zu zeigen (siehe Abbildung).

Vergleich zwischen dem experimentell gemessenen und berechnetem Aufbau einer Fano-Resonanz aufgrund einer quantenmechanischen 2-Wege-Intereferenz.

Zeitlicher Aufbau einer Zweipfad-Interferenz bei der Photoionisation von Helium. Die Ergebnisse unserer Simulationen werden mit experimentellen Daten verglichen. Asymptotisch konvergiert das Energiespektrum gegen die bekannte Fano-Form [3].

Erzeugung hoher Harmonischer

Eine weitere interessante Anwendung der Attosekundenforschung ist die nichtlineare Aufwärtskonversion von Photonen eines starken einfallenden Laserpulses zu Vielfachen der ursprünglichen Photonenenergie in einem Prozess, der als Erzeugung von Hochharmonischen bezeichnet wird. Kürzlich konnten an der TU Wien (Institut für Photonik) bei diesem Prozess Upconversion-Faktoren von mehr als 1000 erreicht werden. Unsere Arbeit trägt dazu bei, die experimentellen Ergebnisse zu interpretieren und diesen Prozess zu optimieren, um XUV-Pulse von sub-as-Dauer zu erzeugen. In letzter Zeit wurden Attosekunden-Experimente auch an ausgedehnten Systemen, wie z.B. Dielektrika, durchgeführt, wo die hohe Target-Atomdichte die Hoffnung weckt, Oberwellen mit größerer Intensität zu erzeugen. Aufgrund der inhärenten Vielteilchennatur solcher Systeme wurden vereinfachte Modelle herangezogen, die einen ersten qualitativen Einblick in die lichtgetriebenen elektronischen Prozesse in Dielektrika gegeben haben. Wir konnten jedoch zeigen, dass solche Vereinfachungen oft nicht einmal das qualitative Verhalten realistischer Systeme wiedergeben, geschweige denn eine quantitative Vorhersage für eine im Experiment beobachtbare Größe liefern. Wir haben die ersten Schritte zu einer Multiskalenbeschreibung der Laser-Festkörper-Wechselwirkungen unternommen, die die mikroskopische elektronische Bewegung, die durch die Schrödinger-Gleichung beschrieben wird, mit der mesoskopischen Welt der Lichtausbreitung (Maxwell-Gleichungen) verbindet [4].

Auf dem Weg zu lichtgesteuerter Elektronik

In Zusammenarbeit mit experimentellen Gruppen in München, Zürich und Graz haben wir das Zusammenspiel verschiedener Prozesse aufgeklärt, die an Licht-Festkörper- und Licht-Flüssigkeit-Wechselwirkungen beteiligt sind, und haben dazu beigetragen, grundlegende Experimente auf diesem Gebiet zu interpretieren, die möglicherweise den Weg zu lichtgesteuerter Elektronik im PHz-Bereich ebnen [5].

 

Webseite

https://concord.itp.tuwien.ac.at/~lemell, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Publikationen

J. Burgdörfer, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, I. Hunger-Brezinova, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, C. Lemell, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster​​​​​​​

Literatur

[1] M. Hentschel, R. Kienberger, Ch. Spielmann, G. A. Reider, N. Milosevic, T. Brabec, P. Corkum, U. Heinzmann, M. Drescher, and F. Krausz, Attosecond metrologyNature 414, 509 (2001), öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster.

[2] R. Pazourek, S. Nagele, and J. Burgdörfer, Attosecond chronoscopy of photoemission, Rev. Mod. Phys. 87, 765 (2015), öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster.

[3] A. Kaldun, A. Blättermann, V. Stooß, S. Donsa, H. Wei, R. Pazourek, S. Nagele, C. Ott, C. D. Lin, J. Burgdörfer, T. Pfeifer, Observing the ultrafast buildup of a Fano resonance in the time domain, Science 354, 738 (2016), öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster.

[4] I. Floss, C. Lemell, G. Wachter, V. Smejkal, S. Sato, X.-M. Tong, K. Yabana, and J. Burgdörfer, Ab initio multiscale simulation of high-order harmonic generation in solids, Phys. Rev. A 97, 011401 (2018), öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster.

[5] M. Ossiander, K. Golyari, K. Scharl, L. Lehnert, F. Siegrist, J. P. Bürger, D. Zimin, J. A. Gessner, M. Weidman, I. Floss, V. Smejkal, S. Donsa, C. Lemell, F. Libisch, N. Karpowicz, J. Burgdörfer, F. Krausz, and M. Schultze, The speed limit of optoelectronicsNature Comm. 13, 1620 (2022), öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster.