Die Ausbreitung von Wellen ist ein Thema, das sich über viele räumliche und zeitliche Skalen erstreckt, von den grundlegenden Quantenaspekten der Licht-Materie-Wechselwirkung bis zur Streuung von Radiowellen in komplexen Medien wie der Erdatmosphäre. Auf all diesen Ebenen ist der Beitrag der theoretischen Physik wesentlich für das Verständnis und die Kontrolle solcher Wellenphänomene. Am Institut werden zwei spezielle Themen aus dem weiten Feld der Wellenphysik intensiv erforscht: (i) die nicht-hermitesche Physik, die mit Wellen in Systemen verbunden ist, die sowohl Verstärkung (Gewinn) als auch Dissipation (Verlust) erfahren, sowie (ii) die Streuung von Wellen in ungeordneten Medien. In beiden Forschungsbereichen arbeiten wir eng mit verschiedenen experimentellen Teams zusammen; um der Situation im Labor so nahe wie möglich zu kommen, verwenden wir numerische Techniken und führen Simulationen am Vienna Scientific Cluster durch.

Kontrolle der Streueigenschaften

Im Bereich der nicht-hermiteschen Physik (i) sind wir besonders daran interessiert, die Streueigenschaften von Systemen zu kontrollieren, indem wir die räumliche Verteilung von Gewinn und Verlust in ihnen anpassen. So haben wir beispielsweise herausgefunden, dass ein hochgradig ungeordnetes System völlig transparent und sogar unsichtbar gemacht werden kann, indem man ihm eine maßgeschneiderte Gewinn-/Verlustverteilung hinzufügt [siehe Abb. 7(a) für den Fall eines Gaußschen Laserstrahls]. Besondere Aufmerksamkeit erhält auch eine besondere nicht-hermitesche Singularität, ein so genannter Ausnahmepunkt, der zu einer ganzen Reihe faszinierender Phänomene führt, die wir kürzlich in Zusammenarbeit mit verschiedenen experimentellen Gruppen in der Nanophotonik und in der Laserphysik nachweisen konnten.

Eine ungeordnete Verteilung wird einer gleichförmigen Verteilung gegenübergestellt.

(a) Ein Gaußscher Laserstrahl, der von links in ein ungeordnetes Medium eintritt, wird gestreut und bildet ein hochkompliziertes Interferenzmuster (linkes Bild). Durch Hinzufügen einer maßgeschneiderten Verteilung von Bereichen mit Verstärkung und Verlust in diesem Medium kann sich der Strahl wie im freien Raum ausbreiten (rechtes Bild). (b) Ein speziell entwickelter Laserstrahl, der ein wohldefiniertes Drehmoment auf das quadratische Ziel in der Mitte ausübt und es im Uhrzeigersinn dreht.

Kontrolle der Lichtausbreitung

Auf dem Gebiet der komplexen Streuung (ii) verfolgen wir das anspruchsvolle Ziel, die Ausbreitung von Licht durch ungeordnete Medien zu kontrollieren. (Man denke hier an die Fleckenmuster, die entstehen, wenn man einen Laserstrahl auf ein Stück Papier richtet.) Wie man mit den komplexen Interferenzen umgeht, die in diesem Zusammenhang auftreten, ist eine anspruchsvolle Frage, die sich in vielen Bereichen der Physik stellt - von der biomedizinischen Optik bis hin zur beobachtenden Astronomie. Hier kommt uns die Tatsache zugute, dass die Streuung ein deterministischer Prozess ist - zumindest für klassische Wellen - so dass die Form einer einfallenden Wellenfront bestimmt, wie sich die Welle durch ein Medium ausbreitet. Diese Erkenntnis bildet die Grundlage für eine Reihe moderner Experimente, bei denen räumliche Lichtmodulatoren eingesetzt werden, um Lichtfelder selbst in stark ungeordneten Medien zu charakterisieren und zu steuern. Unsere Beiträge zu diesem neu entstehenden Gebiet der Wellenfrontformung umfassen z. B. ein Konzept zur Erzeugung von Wellen, die einem bestimmten Weg durch ein ungeordnetes Medium folgen oder sich auf einen bestimmten Punkt in diesem Medium konzentrieren. Darüber hinaus haben wir auch gezeigt, wie man Wellen so gestalten kann, dass sie ein in eine ungeordnete Umgebung eingebettetes Ziel mikromanipulieren. Durch Abstimmung der einfallenden Wellenfront konnten wir vor kurzem die erste Realisierung eines zufälligen Antilasers erreichen, d. h. die zeitliche Umkehrung eines Zufallslasers in dem Sinne, dass ein zufälliges Medium nachweislich eine geeignet gestaltete einfallende Wellenfront perfekt absorbiert.

 

Webseite 

https://rottergroup.itp.tuwien.ac.at, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Publikationen

S. Rotter, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster