Walter Steiner wurde 1942 in Klagenfurt geboren. Nach Absolvierung der Mittelschule kam er zum Studium der Technischen Physik an die damalige Technische Hochschule in Wien. Nach einem Intermezzo als Techniker bei der Firma Orione schloss er 1968 das Diplom- und 1970 das Doktoratsstudium, jeweils mit Auszeichnung, ab. 1969 erhielt er eine Assistentenstelle am ehemaligen Institut für Angewandte und Technische Physik bei Prof. Lihl, unter anderem mit dem Auftrag, eine Stickstoff- und Heliumverflüssigungsanlage am Institut zu installieren. 1980 habilitierte er sich mit einer Arbeit über „Magnetization processes caused by iron substitution in cubic Laves phases" und erhielt die venia docendi für Tieftemperaturphysik. Im Jahr 1987 wurde er zum Universitätsprofessor ernannt.
Im Jahr 1982 wurde Walter Steiner Leiter der aus dem Institut ausgegliederten und als eigenständige Organisationseinheit gegründeten Tieftemperaturanlagen. Diese entwickelten sich unter seiner Leitung zu einer für den gesamten akademischen Bereich Österreichs unentbehrlich gewordenen Einrichtung für die Bereitstellung der Kryoflüssigkeiten Helium und Stickstoff.
Daneben etablierte Walter Steiner am Institut die Arbeitsgruppe „Tieftemperatur und Magnetismus“. Forschungsschwerpunkt war die Aufklärung elektronischer und magnetischer Eigenschaften neuer, aber auch industrierelevanter Materialien. Die dafür notwendige Infrastruktur entstand durch Ankauf von State-of-the-Art-Messgeräten, aber auch großteils durch Eigenbau. So errichtete Walter Steiner z.B. neben einem Mössbauerlabor mit Messmöglichkeiten bei magnetischen Feldern, die weit über dem üblichen Standard liegen, gemeinsam mit einem Dissertanten ein weltweit einzigartiges in sich eichbares Dreiachsen-Vibrationsmagnetometer. Es gelang ihm auch, dem Institut die Möglichkeit zu zahlreichen Messungen im Millikelvinbereich durch Anschaffung eines He3/4-Mischkühlers, zu verschaffen.
Walter Steiner erkannte schon früh die Bedeutung digitaler Datenverarbeitung. Er war der erste am Institut, der seine Messgeräte untereinander vernetzte und die Datenerfassung automatisierte. Als Experimentalphysiker war es ihm immer ein wesentliches Anliegen, die Qualität jedes Messwertes genau zu hinterfragen, d.h. genau zu wissen, was Messgeräte wirklich/tatsächlich messen und wo die Grenzen der Genauigkeit liegen. Im Institut kursierte der scherzhafte Spruch: „Wenn Walter ein Gerät kauft, schraubt er es zuerst einmal auf.“ Nie musste Steiner einen einmal publizierten Wert später korrigieren. Seine genaue und penible Art ermöglichte es ihm z.B. zu Beginn der 1980er-Jahre zu zeigen, dass mit der 57Fe Mössbauerlinie Diffraktion mit Gammastrahlen möglich ist, ein Unterfangen, das zur damaligen Zeit weltweit nur in einem einzigen anderen Labor gelungen ist. Die damit verbundene extrem hohe Energieauflösung, in Verbindung mit der Anwendung dynamischer Streutheorie, ermöglichte es, einige interessante neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Das wissenschaftliche Œuvre von Steiner ist ungewöhnlich breit. Wenn sich eine Fragestellung ergab, die ihn interessierte, konnte er sich jahrelang intensiv damit beschäftigen. Dabei stand keine Anwendung oder prestigeträchtige Publikation im Fokus, sondern nur die Neugier und der Wunsch nach Erkenntnisgewinn. Um nur ein Beispiel zu nennen, sei die Untersuchung des dynamischen Verhaltes von Spingläsern erwähnt. Mit Hilfe von magnetischen und Mössbauer-Messungen ist ihm der Nachweis gelungen, dass die Dynamik magnetischer Cluster für verschiedene Klassen von Spingläsern einem universellen Gesetz gehorcht. War das wissenschaftliche Problem einmal gelöst, war das Interesse erloschen. Die Ergebnisse wurden oft nur als Konferenzbeitrag publik gemacht, auch wenn oft jahrelange Arbeit dahinterstand. Dem allgemeinen Trend zur Maximierung der Zahl der Publikationen hat er sich Zeit seines Lebens entzogen. Trotzdem entstanden knapp 150 Publikationen in referierten Zeitschriften.
Obwohl tief in der Grundlagenforschung verankert, führte Steiner auch viele Projekte angewandter Natur mit Partnern aus der Industrie durch.
Auszeichnungen und Funktionen
Walter Steiner erhielt zweimal den Theodor Körner Stiftungspreis, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster und den renommierten Kohlrauschpreis. Er war Präsident der Chemisch-Physikalischen Gesellschaft, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster und Leiter des Fachauschusses Festkörperphysik der Österreichisch Physikalischen Gesellschaft, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster. International war er unter anderem Vertreter Österreichs im „International Board of the Applications of the Mössbauer Effect, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster“. In dieser Funktion brachte er die größte, facheinschlägige Konferenz nach Wien.
Walter Steiner war auch ein engagierter Hochschullehrer. Über mehrere Jahrzehnte hat er vielen Generationen von Studierenden der Technischen Chemie, des Vermessungswesens und der Technischen Mathematik die Grundlagen der Physik nahegebracht. Darüber hinaus betreute er zahlreiche Dissertationen und Diplomarbeiten.
Für Walter Steiner war es selbstverständlich, dass auch oft ungeliebte Verwaltungs- und Gremienarbeit zu leisten ist. So war er nicht nur Mitglied zahlreicher Kommissionen, er war auch viele Jahre Vorsitzender der 2. Staatsprüfung – heute Studiendekan – und von 2004–2007 Vorsitzender des Fakultätsrates der Fakultät für Physik. Aber auch in der Standesvertretung, im Dienststellenausschuss und Universitätslehrerverband, engagierte er sich. Mit der Fusionierung des Instituts für Angewandte und Technische Physik mit dem Institut für Experimentalphysik übernahm er 2001 auch die Leitung des nunmehrigen Instituts für Festkörperphysik, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster.
Der Mensch Walter Steiner
Persönlich war Walter Steiner ein überaus bescheidener Mensch mit einem ausgeprägten Sensorium für Ungerechtigkeiten. In all seinen Leiterfunktionen war er stets um Ausgleich und Konsens bemüht. Für Probleme seiner Mitarbeiter hatte er stets ein offenes Ohr. Die Kollegen seiner Arbeitsgruppe waren für ihn immer gleichberechtigte Partner. Seine ruhige humorvolle Art, aber auch sein Bestreben, alles und besonders sich selbst kritisch zu hinterfragen, wird allen, die ihn gekannt haben, unvergesslich bleiben.
Die Fülle von Walter Steiners Aufgaben führte regelmäßig zu über 60 Wochenstunden am Institut, oft auch am Wochenende. Da blieb kaum Zeit für die Familie oder Hobbys. Urlaub hat er selten genommen. In der raren Freizeit fand er Ausgleich im Rudersport, im Tennis und in ausgedehnten Radtouren. Nach seinem Übertritt in den Ruhestand zog sich Steiner ab 2010 mit seiner Frau Hedwig in sein Haus am Magdalensberg in Kärnten zurück, wo er die Ruhe und Einsamkeit noch einige Jahre genießen konnte. Leider machte ihm in den letzten Jahren eine Krankheit schwer zu schaffen.
Mit seiner Akribie im wissenschaftlichen Bereich und seiner konsensualen Art im Umgang mit seinen Mitarbeiter_innen war Walter Steiner ein Vorbild und prägend für viele junge Kolleg_innen. Dafür und für seinen unermüdlicher Einsatz für die Belange der TU Wien gebührt ihm höchster Dank und Respekt. Walter Steiner hinterlässt eine Frau, zwei Kinder und drei Enkelkinder, denen unser ganzes Mitgefühl gilt.