Bei der heterogenen Katalyse, z. B. der CO-Oxidation in Autokatalysatoren, werden die Reaktanten an der Oberfläche des Katalysators adsorbiert, wo sie schließlich zu dem gewünschten Produkt reagieren. In der Katalysatorforschung wurde oft angenommen, dass der Katalysator nur als Metall aktiv ist. Es hat sich aber herausgestellt, dass auch (teils ultradünne) Oxide dieser Metalle gute Katalysatoren sein können, manchmal besser als das Metall selbst. Daher untersuchten wir beinahe ein Jahrzehnt lang (≈2000–2010) die Wechselwirkung von Sauerstoff auf Oberflächen der Übergangsmetalle und seine Reaktion mit den einfachen Molekülen H2 und CO. Alle diese Aktivitäten wurden in enger Zusammenarbeit mit mehreren anderen experimentellen und Theorie-Gruppen durchgeführt. Dieser Ansatz hat sich als sehr produktiv erwiesen.
Ultradünne Oxide - ein Zoo von neuen Phasen an Oberflächen
© Michael Schmid/TU Wien
STM-Bild und Strukturmodell einer oxidierten Palladiumoberfläche
Unsere Gruppe hat zusammen mit Georg Kresse als erste die Struktur eines rein zweidimensionalen Oxids aufgeklärt, d. h. eines Oxids, das nur als ultradünne Schicht auf einer Metalloberfläche existiert. Nach dieser ersten Entdeckung haben wir eine Vielzahl weiterer Oxide auf der Pd(111)-Oberfläche gefunden, die es uns ermöglichen, die Bauregeln für die Bildung dieser Strukturen abzuleiten. Rh, ein unmittelbarer Nachbar von Pd im Periodensystem, bildet ein so genanntes dreischichtiges Oxid, d. h. eine Schichtfolge von O-Rh-O auf dem Metall, und es stellte sich heraus, dass dieses Oxid für alle kristallographischen Orientierungen mit niedrigem Index von Rh [d. h. (111), (100), (110)] universell ist. Die meisten unserer Arbeiten über ultradünne Oxide erfolgten in enger Zusammenarbeit mit Edvin Lundgren, der in unserer Gruppe war, als er das 2D-Oxid auf Pd(111) entdeckte, und der jetzt in der Abteilung für Synchrotronstrahlungsforschung der Universität Lund arbeitet.
Wenn es um Reaktionen geht, ist es immer noch sehr umstritten, ob die Oberflächenoxide extrem gute Katalysatoren für Oxidationsprozesse sind oder katalytisch tot. Wir konnten zeigen, dass das dreischichtige Rh-Oxid nur an seinen Rändern bei sehr niedrigen Gasdrücken [noch im Ultrahochvakuum (UHV)] reagiert. Dies war zu erwarten, da Gase wie H2 und CO nicht an der sauerstoffbegrenzten Oberfläche des 2D-Oxids adsorbieren. Wir konnten die makroskopische Reaktionskinetik direkt durch die aus unseren STM-Experimenten abgeleiteten Daten beschreiben. Bei erhöhten Temperaturen und nahe dem Atmosphärendruck zeigten die jüngsten Ergebnisse unseres Kooperationspartners auf diesem Gebiet, Edvin Lundgren, eine 1:1-Korrelation zwischen dem Vorhandensein eines Oberflächenoxids und einer hohen katalytischen Aktivität, im Gegensatz zu dem, was man von den UHV-Experimenten erwarten sollte.
Wir haben auch die Struktur einer Oberfläche entdeckt, die wahrscheinlich die erste war, bei der die Existenz eines 2D-Oxids vermutet wurde: die (4×4)-Phase von Sauerstoff auf Ag(111), die ebenfalls als aktive Phase für einen katalytischen Prozess in der Industrie (Ethylenepoxidation) gilt. Überraschenderweise stellte sich heraus, dass diese Struktur als metallisches Silber betrachtet werden muss, das nur Rillen bildet, um Platz für den Sauerstoff zu schaffen. Georg Kresse, der die ab-initio-Berechnungen in diesem Projekt durchführte, fand heraus, dass diese Struktur nur aufgrund von van-der-Waals-Kräften stabil ist, was für eine Metalloberfläche recht ungewöhnlich ist!
Hier ist nur eine kleine Auswahl unserer Arbeiten zu diesem Thema:
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E. Lundgren, G. Kresse, C. Klein, M. Borg, J. N. Andersen, M. De Santis, Y. Gauthier, C. Konvicka, M. Schmid, P. Varga
Two-dimensional oxide on Pd(111)
Physical Review Letters 88, 246103 (2002); doi: 10.1103/PhysRevLett.88.246103 -
J. Gustafson, A. Mikkelsen, M. Borg, E. Lundgren, L. Köhler, G. Kresse, M. Schmid, P. Varga, J. Yuhara, X. Torrelles, C. Quirós, J. N. Andersen
Self-limited growth of a thin oxide layer on Rh(111)
Physical Review Letters 92, 126102 (2004); doi: 10.1103/PhysRevLett.92.126102 -
E. Lundgren, A. Mikkelsen, J. N. Andersen, G. Kresse, M. Schmid, P. Varga
Surface oxides on close-packed surfaces of late transition metals
Journal of Physics: Condensed Matter 18, R481 (2006); doi: 10.1088/0953-8984/18/30/R01 -
J. Gustafson, R. Westerström, A. Resta, A. Mikkelsen, J. N. Andersen, O. Balmes, X. Torrelles, M. Schmid, P. Varga, B. Hammer, G. Kresse, C. J. Baddeley, E. Lundgren
Structure and catalytic reactivity of Rh oxides
Catalysis Today 145, 227 (2009); doi: 10.1016/j.cattod.2008.11.011 -
J. Klikovits, M. Schmid, J. Gustafson, A. Mikkelsen, A. Resta, E. Lundgren, J. N. Andersen, P. Varga
Kinetics of the reduction of the Rh(111) surface oxide: Linking spectroscopy and atomic-scale information
The Journal of Physical Chemistry B 110, 9966 (2006); doi: 10.1021/jp0611875 -
M. Schmid, A. Reicho, A. Stierle, I. Costina, J. Klikovits, P. Kostelník, O. Dubay, G. Kresse, J. Gustafson, E. Lundgren, J. N. Andersen, H. Dosch, P. Varga
Structure of Ag(111)-p(4 x 4)-O: No Silver Oxide
Physical Review Letters 96, 146102 (2006); doi: 10.1103/PhysRevLett.96.146102
"Raue" Oberflächen
© Jan Klikovits & Michael Schmid/IAP
STM-Bild und schematische Darstellung einer oxidierten Rh(111)-Oberfläche mit Stufen
Da Katalysatoren oft auf Nanopartikeln mit zahlreichen Stufen und Kanten bestehen, sind wir einen Schritt weiter gegangen und haben eindimensionale Oxide auf gestuften Oberflächen identifiziert. Die Bildung dieser 1D-Oxide kann zu einer erheblichen Umstrukturierung oder Aufrauhung der Oberfläche führen, und 1D-Oxide können eine höhere Aktivität bei katalytischen Prozessen aufweisen als andere Formen des an Oberflächen gebundenen Sauerstoffs. Interessant war auch die Entdeckung, dass 1D-Oxide eine weitere 2D-Oxidation verhindern, ähnlich wie 2D-Oxide das darunter liegende Metall vor weiterer (3D-)Oxidation schützen.
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J. Klikovits, M. Schmid, LR. Merte, P. Varga, R. Westerström, A. Resta, J. Andersen, J. Gustafson, A. Mikkelsen, E. Lundgren, F. Mittendorfer, G. Kresse
Step-orientation-dependent oxidation: From 1D to 2D oxides
Physical Review Letters 101, 266104 (2008); doi: 10.1103/PhysRevLett.101.266104
Katalyse am Oxid, nicht am Metall
Bis Ende der 1990er Jahre glaubte man, dass Reaktionen wie die CO-Oxidation an Metallen der Platingruppe immer durch einfache Adsorption von Sauerstoff an der Oberfläche erfolgen; die O-Atome würden dann mit dem adsorbierten CO zu CO2 reagieren. Das ist der so genannte Langmuir-Hinshelwood-Mechanismus. STM-Experimente, die in unserer Gruppe durchgeführt wurden, haben dazu beigetragen, herauszufinden, dass eine hohe katalytische Aktivität auf die Oxidation des Katalysators zurückzuführen sein kann: Es wurde gezeigt, dass RuO2, das bei ausreichendem Sauerstoffdruck gebildet wird, die CO-Oxidation durch den so genannten Mars-van-Krevelen-Mechanismus katalysiert, das heißt, der Sauerstoff für die Reaktion kommt aus dem Oxid. Wir haben diese Studien in Zusammenarbeit mit Herbert Over (Damals in Berlin, nun in Gießen) durchgeführt.
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H. Over, Y. D. Kim, A. P. Seitsonen, S. Wendt, E. Lundgren, M. Schmid, P. Varga, A. Morgante, G. Ertl
Atomic-scale structure and catalytic reactivity of the RuO2(110) surface
Science 287, 1474 (2000); doi: 10.1126/science.287.5457.1474 -
H. Over, A. P. Seitsonen, E. Lundgren, M. Schmid, P. Varga
Direct imaging of catalytically important processes in the oxidation of CO over RuO2(110)
Journal of the American Chemical Society 123, 11807 (2001); doi: 10.1021/ja016408t