Quantenverschränkung trotzt der Schwerelosigkeit

Bei einem Parabelflug konnten ÖAW und TU Wien zeigen: Eine Veränderung der Schwerkraft hat keinen Einfluss auf Quantenexperimente.

Mann im Inneren eines Flugzeugs beim Parabelflug, mit physikalischen Geräten

© ÖAW, Daniel Hinterramskogler

Experimente in der Schwerelosigkeit

Ein Team der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der TU Wien konnte bei einem Flug mit der Europäischen Weltraumagentur nachweisen: Quantenverschränkung funktioniert auch, wenn sich die Stärke der Gravitation ändert. Ihr Quantensystem war so robust gebaut, dass selbst wechselnde Gravitation und Vibrationen währende des Fluges keine Auswirkungen auf die Quantenverschränkung hatten. Die Ergebnisse sind ein wichtiger Ausgangspunkt für zukünftige Experimente an der Schnittstelle zwischen Quantenphysik und Allgemeiner Relativitätstheorie.

Bei einem Parabelflug erleben die Insassen eines Flugzeugs abwechselnd Phasen, in denen sie erhöhten G-Kräften ausgesetzt sind und Schwerelosigkeit, oder genauer gesagt Mikrogravitation. Das haben sich Forscher der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und TU Wien zunutze gemacht, um den Einfluss dieser wechselnden Kräfte auf ein Quantensystem aus verschränkten Photonen zu testen. Ihr Experiment führten sie an Bord eines Flugzeugs der Firma Novespace durch, welches im Auftrag der European Space Agency (ESA) vom französischen Bordeux aus einen Parabelflug durchführte.

Extreme Bedingungen

“Obwohl Quantenzustände sehr empfindlich sind, können wir durch beachtliche Fortschritte in der Experimentalphysik heute auch außerhalb des Labors spannende Versuche durchführen, die sogar robust genug sind, um den extremen Bedingungen eines Parabelflugs zu trotzen", erklärt Julius Bittermann vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW, der auch am Atominstitut der TU Wien forscht.

Das Experiment des Forschungsteams besteht aus einer Quelle für verschränkte Photonenpaare, die gemessen werden, um die Stärke der Verschränkung zu ermitteln. “Durch die Verschränkung werden beide einzelnen Photonen Teil eines größeren Quantensystems, das nur noch als Ganzes komplett beschrieben werden kann. Wenn ich die Polarisierung eines Photons messe, liegt die Chance, einen der beiden möglichen Zustände “horizontal” oder “vertikal” zu erhalten, bei 50 zu 50. Aber egal welches Ergebnis ich bekomme, ich kenne dann immer auch den Zustand des anderen Photons, das in unseren verschränkten Systemen immer die andere Polarisation aufweisen muss”, erklärt Bittermann.

Verschränkung bleibt stabil

Mit ihrem Experiment wollten die Forscher prüfen, ob die Beschleunigungskräfte, die bei einem Parabelflug auftreten, Einfluss auf die empfindliche Verschränkung zweier Photonen haben. “Wir haben heute noch keine Vereinheitlichung zwischen der Quantenphysik und der Allgemeinen Relativitätstheorie, die unsere beste Beschreibung der Gravitation darstellt. Deshalb sind Experimente, die den Einfluss von sogenannter nicht inertialer Bewegung auf Quantensysteme untersuchen, so interessant”, sagt Bittermann. Das Ergebnis des Experiments war in diesem Fall negativ. Weder Mikrogravitation noch Hypergravitation oder die Wechsel zwischen den Phasen während des Flugs hatten statistisch signifikante Auswirkungen auf die Güte der Verschränkung der Photonen.

Ein positives Ergebnis wäre wahrscheinlich nobelpreisverdächtig gewesen, was aber nicht die Erwartung der Forscher war. “Wir liefern einen weiteren Referenzpunkt für die Wechselwirkung zwischen Beschleunigungskräften und Quantensystemen. Unser Experiment zeigt, dass weder Kräfte zwischen 0 g und 1,8 g noch der Wechsel zwischen ihnen einen Einfluss auf polarisationsverschränkte Photonen haben”, sagt Bittermann.

Zudem haben die Forscher von ÖAW und TU Wien einen weiteren Beweis dafür erbracht, dass sich auch sehr sensible Quantenexperimente mittlerweile so gut handhaben lassen, dass sie außerhalb der streng kontrollierten Bedingungen eines Labors zuverlässig funktionieren.

Originalpublikation

J.A. Bittermann et al., Photonic entanglement during a zero-g flight, Quantum 8, 1256 (2024)., öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Rückfragehinweis

Prof. Marcus Huber
Atominstitut, IQOQI Wien
Technische Universität Wien
+43 1 58801 141881
marcus.huber@tuwien.ac.at

 

Dr. Nicolai Friis
Atominstitut, IQOQI Wien
Technische Universität Wien
nicolai.friis@tuwien.ac.at