Vorarbeit

Der Schwerpunkt unserer Gruppe liegt auf Winkelkorrelationen zwischen Neutronenspin und Elektronen-, Neutrino- und Protonenimpulsen. Wir messen die Koeffizienten a (Neutrino-Elektronen-Korrelationskoeffizient) [Bae08,Kon09], A (Beta-Asymmetrie-Parameter) [Abe97,Abe02,Abe09], B (Neutrino-Asymmetrie-Parameter) [Kre05a,Sch07] und C (Protonen-Asymmetrie-Parameter) [Sch08] mit zunehmender Genauigkeit. Unabhängige Messungen einer dieser Observablen, die für λ (Verhältnis der axialen zur vektoriellen Kopplungskonstante) und der Neutronenlebensdauer τn empfindlich sind, ermöglichen die Bestimmung von Vud. Jede Observable bringt eine unterschiedliche Sensibilität für Nicht-Standardmodell (Nicht-SM)-Physik mit sich, sodass der Vergleich der verschiedenen Werte von λ einen wichtigen Test für die Gültigkeit des SM (Einheitlichkeit der Cabibbo-Kobayashi-Maskawa-Matrix) liefert. Präzise Messungen von Korrelationen im Neutronenzerfall können auch verwendet werden, um nach Beweisen für mögliche Erweiterungen des SM zu suchen, wie rechtshändige Ströme, Skalar- und Tensorwechselwirkungen [Abe09, Kon11] und viele mehr, wie in der Einleitung beschrieben.

Das Spektrometer aSPECT [Glü05] wurde an der Universität Mainz gebaut, um eine genaue Messung der Protonenspektrumform im Zerfall freier Neutronen durchzuführen. aSPECT ist ein Verzögerungsspektrometer, das das Protonenrückstoßspektrum misst, indem es alle Zerfallsprotonen zählt, die eine elektrostatische Barriere überwinden. Eine solche Messung erlaubt die Bestimmung der Korrelationskoeffizienten a und C in Zerfällen von unpolarisierten bzw. polarisierten Neutronen. Die derzeit besten Experimente haben eine Unsicherheit von Δa/ a = 5% und seit den siebziger Jahren gibt es keine wesentliche Verbesserung [Str78,Byr02]. Die aSPECT-Kollaboration identifizierte und behob ein Problem in der Ausleseelektronik, das einen signifikanten systematischen Fehler in unserer Strahlzeit 2008 verursachte. Mit einer Messung im Jahr 2011 will die aSPECT-Kollaboration die Unsicherheit des Korrelationskoeffizienten a auf 1 % verbessern.

Das Instrument PERKEO II [Abe97] wurde an der Universität Heidelberg entwickelt, um die Korrelationskoeffizienten A, B und C mit reduzierten Korrekturen unter Beibehaltung des PERKEO I-Prinzips einer 4π-Elektronendetektion zu messen. In PERKEO II ist in einer supraleitenden Split-Pair-Konfiguration mit einem Spulendurchmesser von etwa 1 m das Magnetfeld senkrecht zum Neutronenstrahl ausgerichtet und leitet die geladenen Zerfallsprodukte, Elektronen und Protonen, vom Neutronenstrahl weg in Bereiche mit geringem Hintergrund . In Zusammenarbeit mit dem Institut Laue Langevin (ILL) in Grenoble, Frankreich, wurden wesentliche Verbesserungen sowohl des Neutronenflusses als auch des Neutronenpolarisationsgrades erzielt: Die neue ballistische Superspiegel-Führung H113 am ILL ergibt eine Erhöhung um etwa den Faktor vier in der kalter Neutronenfluss [Abe06] und eine X-Anordnung von zwei Superspiegel-Polarisatoren ermöglicht einen bisher unerreichten Neutronenpolarisationsgrad P von 99,7(1)% über den vollen Strahlquerschnitt [Kre05b]. Tabelle 1 zeigt die Korrelationskoeffizienten, die bei Zerfällen polarisierter Neutronen mit PERKEO II gemessen wurden.

Tabelle 1: Winkelkorrelationskoeffizienten gemessen in Zerfällen polarisierter Neutronen mit PERKEO II.

Coefficient

Value

Year

Reference

A - 0.1189(12) 1997

Abe97

A

- 0.1189  (7)

2002

Abe02

A - 0.1198  (5) 2006

Mun06

B

0.967  (12)

2005

Kre05a

B 0.9802(50) 2007

Sch07

C - 0.2377(26) 2008

Sch08

Die Hauptkorrekturen im jüngsten Beta-Asymmetrie-Experiment [Mun06] sind auf die Polarisation des Neutronenstrahls (0,3 %) und den Hintergrund (0,1 %) zurückzuführen. Folglich betragen die Unsicherheiten bei der Verringerung der Gesamtkorrektur auf A0 weniger als 0,4 % mit einem Fehler von 0,33 %. Mittelung über PERKEO II Messungen [Abe97,Abe02,Mun06] ergibt vorläufig A0 = -0,11933(34) (Veröffentlichung des Ergebnisses des letzten PERKEO II Laufs [Mun06] ist in Vorbereitung). Aus diesem Wert lässt sich das Verhältnis λ der axialen zur vektoriellen Kopplungskonstante λ = -1,2750(9) mit einer Genauigkeit von Δλ/ λ = 7 x 10-4 ableiten. Die PERKEO-Kollaboration begünstigt diese Ergebnisse gegenüber früheren Experimenten [Bop86, Yer97, Lia97], bei denen große Korrekturen für die Neutronenpolarisation, elektronenmagnetische Spiegeleffekte oder den Hintergrund vorgenommen werden mussten, die alle im Bereich von 15 bis 30 % lagen. Aus den neuen Neutronenzerfallsdaten an a, A, B, C und der Neutronenlebensdauer τn wurde zB ein Grenzwert für rechtshändige Tensorströme abgeleitet [Abe09], der vergleichbar ist mit einer neueren Untersuchung von Kern- und Neutronen-Beta-Zerfällen [Sev06].

Der Nachfolger PERKEO III [Mae06], gebaut von B. Märkisch an der Universität Heidelberg, dient der Messung von Neutronenzerfallskorrelationskoeffizienten mit einem gepulsten Neutronenstrahl [Mae09]. Dadurch werden die für Korrelationskoeffizientenexperimente mit Magnetfeldern typischen Fehlerquellen wie magnetischer Spiegeleffekt, Kanteneffekte, strahlbezogener Hintergrund und Polarisationsgrad weiter reduziert und die statistische Genauigkeit erheblich erhöht. Mit einer Messung in den Jahren 2008/2009 verbesserte die PERKEO III-Kollaboration die Unsicherheit auf A um etwa den Faktor 5 (vorläufig) [Mes11], verglichen mit dem Durchschnitt der Particle Data Group aus dem Jahr 2010 [Nak10]. Die Ergebnisse der Messung 2008/2009 werden in Kürze veröffentlicht.

PERC

Im Schwerpunktprogramm SPP 1491 „Präzisionsexperimente in Teilchen- und Astrophysik mit kalten und ultrakalten Neutronen“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) konzentrieren wir uns auf neuartige Experimente im Neutronen-Beta-Zerfall, um die Struktur und Natur der schwachen Wechselwirkung zu untersuchen. PERKEO II und PERKEO III haben das neue Instrument PERC (Proton Electron Radiation Channel) [Dub08] motiviert, das die Empfindlichkeit von Neutronenzerfallsstudien um bis zu zwei Größenordnungen im Vergleich zu den besten Experimenten verbessert. PERC wird in Zusammenarbeit mit den Universitäten Heidelberg und Mainz, der Technischen Universität München und dem ILL in Grenoble gebaut. Das Instrument wird an der Strahlanlage MEPHISTO der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibniz (FRM II) in München aufgebaut.

Bei PERC werden die geladenen Zerfallsprodukte durch ein starkes Längsmagnetfeld direkt aus dem Inneren eines Neutronenleiters gesammelt, siehe Abb. 2. Diese Kombination bietet die höchste Phasenraumdichte von Zerfallsprodukten. Ein magnetischer Spiegel dient dazu, den Phasenraum präzise zu begrenzen und damit verbundene systematische Fehler zu reduzieren. Es wurde gezeigt, dass systematische Fehler im Zusammenhang mit der Elektronenspektroskopie auf dem Niveau von 10-4 liegen, mehr als 10-mal besser als das, was heute erreicht wird [Dub08].

Scheme of the facility PERC

© Atominstitut

Scheme of the facility PERC: Cold neutrons (green) pass through the decay volume where only a few neutrons decays. The decay products (red) are guided by the strong magnetic field towards the detector (blue). The superconducting coils are drawn in grey. The equipment for neutron beam preparation, like velocity selector, polarizer, spin flipper, or chopper, is located in front of the instrument (to the left of the scheme) and not shown here. For details see [Dub08]

Das Hauptziel in den Jahren 2010-2013 ist die Konzeption und der Bau des Verbundprojekts PERC. Der erste Meilenstein (das Design zusammen mit Magnetfeldberechnungen für starke Magnetfelder) ist erreicht: An seinem Ausgang liefert PERC Neutronenzerfallsprodukte, Elektronen und Protonen, unter wohldefinierten und genau variablen Bedingungen. Der nächste Schritt sind systematische Untersuchungen zur Analyse der extrahierten Elektronen und Protonen. Abhängig von den untersuchten Zerfallsparametern muss diese Analyse mit unterschiedlichen und spezialisierten Detektoren durchgeführt werden. Wir konzentrieren uns auf Elektronenenergiespektroskopie, simultane Elektronen- und Protonenimpulsspektroskopie und Protonenspektroskopie für PERC.

Für die meisten Korrelationskoeffizientenmessungen sind die Detektoren energieempfindliche Detektoren für Zerfallselektronen. Die Zerfallselektronen werden durch das starke Magnetfeld beispielsweise zu einem Szintillationsdetektor mit Photomultiplier-Auslesung geleitet. Der Vorteil von Szintillationsdetektoren ist eine kurze Auslesezeit mit einer zeitlichen Auflösung von 1 ns, die für Spektroskopie mit hohen Zählraten benötigt wird.

Für eine Messung des Fierz-Interferenzterms b muss ein neues dediziertes Magnetspektrometer gebaut werden. Ein großer Vorteil von PERC ist, dass es erstmals eine präzise Impulsspektroskopie von Elektronen und Protonen ermöglicht. Das Problem bisher war, dass systematische Fehler für absolute Zählratenspektren N(E) erheblich größer sind als für gemessene Asymmetrie-Spektren Aexp(E). Abbildung 3 zeigt die Konfiguration eines mit PERC gekoppelten Magnetspektrometers im Analysebereich, das gleichzeitig, aber nicht gleichzeitig, Elektronen- und Protonen-Impulsspektren über positionsempfindliche Detektoren misst.

Sketch of a magnetic spectrometer

Sketch of a magnetic spectrometer for neutron decay products. Electrons and protons delivered by PERC are detected in position sensitive e- and p+ detectors after momentum analysis in the magnetic field [Dub08]

Hochpräzise Messungen mit PERC erfordern eine perfekte Kenntnis der wichtigsten Neutronenstrahlparameter, d. h. Wellenlängenverteilung, Polarisationsgrad und Zeitstruktur. Daher planen wir ein neuartiges Design eines räumlichen Magnetspinresonators, der eine präzise Geschwindigkeitsauswahl sowie die genaue Definition der Zeitstruktur des Neutronenstrahls nur durch Abstimmung elektronischer Parameter ermöglicht [Goe11], siehe Abb. 4. Das Konzept basiert auf der Drabkin [Dra63] Neutronenresonator kombiniert mit magnetischen Wanderfeldern.

Scheme of wavelength selection by spatial magnetic spin resonance

© Atominstitut, Photo: Hartmut Abele

Scheme of wavelength selection by spatial magnetic spin resonance [Goe11]

Verweise

[Abe09]  H. Abele, Nucl. Instr. Meth. A 611, 193-197 (2009).

[Abe06]  H. Abele et al., Nucl. Instr. Meth. A 562, 407 (2006).

[Abe02]  H. Abele et al., Phys. Rev. Lett 88, 211801 (2002).

[Abe97]  H. Abele et al., Phys. Lett. B 407,212 (1997).

[Bae08]  S. Baeßler et al., Eur. Phys. J. A 38, 17 (2008).

[Bop86]  P. Bopp et al., Phys. Rev. Lett. 56, 919 (1986).

[Byr02]  J. Byrne et al., J. Phys. G: Nucl. Part. Phys. 28 (2002).

[Dra63]  G.M. Drabkin, Sov. Phys. JETP 16, 282 (1963).

[Dub08] D. Dubbers at al., Nucl. Instr. Meth. A 596, 238 (2008),
for an extended version, see arXiv:0709.4440.

[Glü05]  F. Glück et al., Eur. Phys. J. A 23, 135 (2005),
see also O. Zimmer et al., Nucl. Instr. Meth. A 440, 548 (2000).

[Goe11]  C. Gösselsberger et al., Physics Procedia, accepted,
see also G. Badurek et al., Physica B 406, 2458 (2011).

[Kon11]  G. Konrad et al., in World Scientific ISBN 978-981-4340-85-4 (2011)
and arXiv: 1007.3027v2 (2010).

[Kon09]  G. Konrad et al., Nucl. Phys. A 827, 529 (2009),
see also M. Simson et al., Nucl. Instr. Meth. A 611, 203 (2009).

[Kre05a]  M. Kreuz et al., Phys. Lett. B 619, 263 (2005).

[Kre05b]  M. Kreuz et al., Nucl. Instr. Meth. A 547, 583 (2005).

[Lia97]  P. Liaud et al., Nucl. Phys. A 612, 53 (1997).

[Mae09]  B. Märkisch et al., Nucl. Instr. Meth. A 611, 216-218 (2009).

[Mae06]  B. Märkisch, Dissertation, University of Heidelberg 2006.

[Mes11]  H. Mest, Dissertation, University of Heidelberg, 2011.

[Mun06]  D. Mund, Dissertation, University of Heidelberg 2006.

[Nak10]  K. Nakamura et al J. Phys. G: Nucl. Part. Phys. 37, 075021 (2010).

[Sev06]  N. Severijns et al., Phys. Rep. 78, 991 (2006).

[Sch08]  M. Schumann et al., Phys. Rev. Lett. 100,151801 (2008).

[Sch07]  M. Schumann et al., Phys. Rev. Lett., Phys. Rev. Lett. 99, 191803 (2007).

[Str78]  C. Stratowa et al., Phys. Rev. D 18, 3970 (1978).

[Yer97]  B.G. Yerozolimsky et al., Phys. Lett. B 412, 240 (1997).