Ferrari!

Nach reichhaltigem Frühstück in Modena und dem täglichen Morgenstress, sowie der Erkenntnis, dass ein Autobus doch um einiges größer als ein Pkw ist und deshalb das eine oder andere Mal etwas länger braucht um aus der Parklücke zu kommen, erreichten wir erst um 09:45 unser erstes Tagesziel in Maranello, dem verheißungsvollen Produktionsort des wohl bekanntesten Sportwagens seit Kindestagen und Traums vieler benzinvehikelaffiner Zeitgenossinnen - die heiligen Hallen von Ferrari.

Foto vom Eingang der Fa. Ferrari

Foto vom Eingang der Fa. Ferrari

Im Besucherzentrum angekommen, machte sich sofort Enttäuschung breit. Insbesonders die Oldschool-Fotografen, die dazu verdammt wurden ihre Ablichtungsgeräte zu verstauen, oder sogar im Schließfach zu deponieren, als auch die jungen Leute mit ihren neumodischen Smartphones, deren Linsen von der Securitydame des Hauses Ferrari mit blickdichten Etiketten zugeklebt wurden, waren maßlos darüber enttäuscht, nun keine Werksspionage betreiben zu können. Immerhin gab’s aber Original-Ferrari-Aufkleber auf die Linsen.

Foto eines Ferrari im Museum

Foto eines Ferrari im Museum

Mythos Ferrari

Einen Ferrari zu erwerben ist gar nicht so einfach. Wir erfuhren, dass es trotz eventuell gegebener monetärer Liquidität nicht jedermann spontan ein Fahrzeuge der exklusiveren Modellreihen aus erster Hand erst kaufen könnte. Dies gelingt erst, nachdem man sich den Einstieg im Billigsegment ca k€ 200 gegönnt hat und sich in weiterer Folge durch Erwerb weiterer Modelle nach und nach in der Hierarchie nach oben „arbeitet“ und damit in der Verkäufergunst steigt. Es ist quasi ein Kundenbindungsprogramm installiert. Viele Sonderausstattungen sind aufpreispflichtig möglich, doch bei manchen Spezialwünschen von Kollegen nach zB Anhängervorrichtungen, Kindersitzen oder Dieselaggregaten reagierte man sehr zurückhaltend.

Foto von Dagmar mit ihrem "neuen Auto"

Foto von Dagmar mit ihrem "neuen Auto"

Foto eines Ferrari Motors im Museum

Foto eines Ferrari Motors im Museum

Eine gewisse Exklusivität ist mittlerweile durch den Einsatz von Massenproduktionsmitteln ein wenig verlorengegangen. Seit den frühen Tagen (1946) der Firmengründung des Sportwagenunternehmens durch Enzo Ferrari wurde die Produktion kontinuierlich gesteigert. Derzeit werden schon ca 13500 Fahrzeuge pro Jahr produziert. Alle bereits verkauft, wenn diese noch als Einzelteile (Schrauben Beilagscheiben, …) in den Lagerkästen herumliegen. Ein wenig Geduld und Wartezeit von Bestellung bis zur Auslieferung ist also angesagt.

Die „Sportwagenschmiede“ ist aber trotz der guten Auslastung eigentlich nur Mittel zum Zweck. Schon zu Lebzeiten des ehrwürdigen Commendatore diente die Sportwagenproduktion für das finanzstarke Klientel, der Geldbeschaffung für das „Hobby“ Rennsport. Von den heute ca 6000 Beschäftigen bei Ferrari sind ca 5000 mit der Produktion der Straßenmodelle der Supersportwägen betraut, die für die weiteren 1000 Beschäftigten in der Rennabteilung der Scudiera Ferrari, das nötige Finanzvolumen erwirtschaften, damit letztere für zwei Formel-1-Piloten jedes Jahr ein neues Rennauto entwickeln.

 

Gruppenbild vor dem Ferrari-Museum

Gruppenbild vor dem Ferrari-Museum

Bei der Besichtigung von Teilen der Fertigung fühlt man sich fast wie in einem Reinraum. Rot gewandete Fertigungstechniker mit behandschuhten Händen fügen einzelne Bauteile mit Unterstützung von Roboterarmen in blitzblanker, ständig geputzter Werkshalle zu technischen „Wunderwerken des Motorenbaus“ zusammen. Von 6-Zylinder- über 8-Zylinder- bis zu 12-Zylindermotoren reicht die Palette der Verbrenner. Hinzu kommen Hybridtriebwerke und in wenigen Monaten sogar Elektroantriebe.

Nachhaltigkeit wird bei Ferrari ebenfalls groß geschrieben. Das nötige Kleingeld vorausgesetzt kann sich jeder einen ausgeschiedenen Rennwagen kaufen, diesen von Ferrari zu jeder Rennstrecken der Welt transportieren lassen und sich dort mit Seinesgleichen „im Kreis fahrend“ © Niki Lauda, messen. Eine eigene Garage braucht man selbst nicht, denn die Gefährte können bei Ferrari in einer wohltemperierten und für Besucher zugänglichen Halle (don’t touch, no photos) abgestellt werden. Selbstverständlich werden die „Klienten-Fahrzeuge“ auch fachgerecht in Stand gehalten.

Am Ende der Werksführung konnten wir noch einige Minuten im Ferrari-Museum verbringen. Endlich Zeit für ein paar Fotos und ein paar Einkäufen im Fan-Store.

Foto des Ferrari-Pferdchens aus original Ferrari-Innenausstattungsleder

Foto des Ferrari-Pferdchens aus original Ferrari-Innenausstattungsleder

Foto der Beschreibung des Ferrari-Pferdchens aus original Ferrari-Innenausstattungsleder

Foto der Beschreibung des Ferrari-Pferdchens aus original Ferrari-Innenausstattungsleder

Die zweite Station des Tages – das Stahlwerk Arvedi in Cremona

Cremona und Stahlwerk ist nicht unbedingt die erste Assoziation, eher Stradivari für die Musiker oder der Cremonaplan für die Fachwerkskonstrukteure - dennoch waren wir nun endlich zu dem von vielen unserer Kollegen die sich seit langer Zeit mit der Simulation des Stranggussprozesses eingehend beschäftigen so heißersehntem Stahlwerksbesuch, den uns unser langjähriger Projektpartner PRIMETALS dankenswerterweise vermittelt hatte, unterwegs. Hurra – endlich mal eine Gelegenheit die praktische Umsetzung einer aus der Theorie durchaus vertrauten Materie in Realität erleben zu können!

Bei der Anreise nach Cremona zeigte es sich, dass die beiden divergierenden Meinungen einiger Mitreisender, was die Reisegeschwindigkeit des Busses in Bezug zur Routenplanung eines Pkw betrifft, in keiner Weise richtig waren, sondern die Wahrheit wie oft, irgendwo dazwischen liegt. Jedenfalls war der Terminplan, nicht zum ersten Mal, doch ein wenig zu optimistisch angelegt. Die Bewegung des Busses hinkte dem Zeitplan hinterher, der Aufenthalt bei Ferrari hat doch länger als veranschlagt gedauert.

Obwohl wir also mit fast 1 Stunde Verspätung eintrafen, wurden wir von einer Gruppe ausgewählter Technikern von ARVEDI bereits zu der geplanten Führung durch das Werk erwartet.

Nach kurzer Sicherheitsbelehrung und Ausgabe von persönlicher Schutzausrüstung wurden wir in zwei Gruppen durch das Werk geführt.

Gruppenfoto in Schutzkleidung im Arvedi Stahlwerk

Gruppenfoto in Schutzkleidung im Arvedi Stahlwerk

Wir konnten die ESP-Produktionslinie, also den vom Primetals bei Arvedi realisierten, kombinierten Gieß- und Walzprozess für die Fertigung von Flachmaterialien (Blechen) in der Werkshalle besichtigen. Durch dieses Fertigungsverfahren konnte die Produktionsstrecke, gegenüber einer herkömmlichen Walzstraße mit vorgelagerten separiertem Gießprozess erheblich minimiert und damit gleichzeitig auch der Energieverbrauch reduziert werden.

Wir erfuhren, dass im Arvedi-ESP (Endless-Strip-Production)-Verfahren, Warmband in einem kombinierten, kontinuierlichen und ununterbrochenen Gießwalzprozess erzeugt wird. Der Energieverbrauch und die damit verbundenen Kosten sind bei diesem Anlagentyp um bis zu 45 Prozent geringer als beim konventionellen Ablauf aus separatem Gießen und Walzen. Damit einhergehend ist auch eine signifikante Senkung der CO2-Emissionen. Bei Arvedi ist auch recht frühzeitige auf Gasbefeuerung verzichtet worden und auf elektrobeheizte Öfen umgestellt worden, wodurch der Standort Arvedi-Cremona mittlerweile als CO2-neutral ausgezeichnet ist.

Zertifikat für Arvzer

Zertifikat für Arvzer

Mit einer Länge von lediglich 180 Metern sind die Anlagen wesentlich kompakter als konventionelle Gieß- und Walzwerke.

Mit dem Endlos-Gießwalzverfahren kann ein breites Spektrum hochwertiger und ultradünner Lang- und Flachprodukte (bis 0,8 mm Dicke) diverser Stahlsorten (Kohlenstoffstähle, niedrig legierte hochfeste Stähle, Duplex-Stähle, Siliziumstähle) erzeugt werden. Die jährliche Produktionmenge beläuft sich auf mehr als 2 Mio Tonnen. Gegenüber dem ebenfalls von Arvedi am Ender der 1980er Jahre entwickelten ISP (Inline-Strip-Production) Fertigungsprozesses entspricht das etwa einer Verdoppelung der Produktionsleistung.

Gruppenfoto bei Arvedi

Gruppenfoto bei Arvedi

Luftschnappen am Freigelände von Arvedi, nach dem Verlassen der Werkshalle.

Foto unseres Chefs beim Vortrag bei Arvedi

Foto unseres Chefs beim Vortrag bei Arvedi

Foto unserer aufmerksam zuhörenden Gruppe

Foto unserer aufmerksam zuhörenden Gruppe

Im Anschluss an die Werksbesichtigung gab uns das ARVEDI-Techniker-Team dann auch noch die Gelegenheit unser Institut und dessen Forschungsschwerpunkte zu präsentieren. Die ARVEDI Techniker waren wohl einigermaßen erstaunt zu hören wie viele wissenschaftliche Arbeiten im Bereich der Stranggusssimulation in den letzten Jahrzehnten an unserem Institut bereits durchgeführt wurden und sofort hat sich dementsprechend eine ganze Palette an möglichen Themenstellungen für eine zukünftige Zusammenarbeit ergeben – leider war die Zeit für einen erschöpfende Diskussion an diesem Nachmittag bereits zu weit fortgeschritten – aber der Grundstein für die weitere Kommunikation zwischen den betreffenden „Experten“ auf beiden Seite konnte gelegt werden.

Bericht: K. Caloun, C. Zaruba