„Wasser ist der Ursprung von allem.“ Das wusste schon der griechische Philosoph, Mathematiker und Astronom Thales von Milet. Wasser spielt in jedem Leben eine zentrale Rolle: Es ist Ursprung unseres Lebens und sichert das Überleben der Menschheit.
Forschungsbereich Wassergütewirtschaft
An der TU Wien beschäftigt sich der Forschungsbereich der Wassergütewirtschaft, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster mit Themen des anthropogenen Wasserkreislaufs und der aquatischen Umwelt. Im Rahmen der Serie Forum Zukunft haben wir die vier TU Wien-Wassergüte-Expertinnen Ottavia Zoboli, Julia Vierheilig, Heidi Schaar und Daniela Reif gefragt, welche Rolle Wasser in ihrem Leben spielt, warum die Forschung in diesem Bereich so spannend ist und wie es um die Versorgung mit Wasser in Österreich in der Zukunft aussieht.
Wasser wird als Ursprung allen Lebens bezeichnet. Ist das der Grund, warum Sie sich für die Forschung im Bereich Wasser entschieden haben? Was ist Ihr Forschungsschwerpunkt?
Daniela Reif: Ich bin ein so genanntes „Seekind“ und an einem der schönsten Gewässer in Österreich aufgewachsen. Der Erhalt guter Wasserqualität sowie der Schutz von aquatischen Lebensräumen war mir deshalb immer schon besonders wichtig. Daher habe ich auch mein Studium danach ausgerichtet und mich für den Forschungsbereich „Wassergütewirtschaft“ entschieden. Seit vier Jahren forsche ich als Assistentin im Bereich Abwasserreinigungsverfahren zur Entfernung von organischen Spurenstoffen und anderen Schadstoffen sowie der Rückgewinnung von Wertstoffen aus Abwasser.
Heidi Schaar: Für mich war es klar, dass ich etwas im Bereich Umweltschutz studieren möchte. Als ich an der TU die Lehrveranstaltungen zur Abwasserreinigung besucht habe, haben mich diese in den Bann gezogen. Mein Forschungsschwerpunkt steht – wie bei Daniela – in Zusammenhang mit einer der aktuellen Herausforderungen der Abwasserreinigung: mit Spurenstoffen im Abwasser.
Julia Vierheilig: Ich war schon immer eine Wasserratte. Ein Praktikum im Bereich Abwasserbiologie hat während meines Studiums bei mir die Faszination an der aquatischen Mikrobiologie geweckt. Letztes Jahr habe ich eine Laufbahnstelle an der TU angetreten und leite seitdem den Arbeitsbereich „Molekulare Mikrobiologie in der Siedlungswasserwirtschaft“. Unser Ziel ist es die Rolle der Mikroorganismen bei der Abwasserreinigung besser zu verstehen. Aktuell beschäftigen wir uns primär mit Antibiotikaresistenzen und abwasserbasierter Epidemiologie (SARS-CoV-2 etc.).
Ottavia Zoboli: Mein größtes Interesse galt schon immer dem Verständnis der Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Natur und der Komplexität der Reaktionen der Umwelt auf Störungen. Binnengewässer sind ein fantastischer Mikrokosmos für alle Umweltwissenschaften, sie verbinden Land und Ozeane und spielen eine essentielle Rolle für Trinkwasserversorgung und Ernährung. Ich könnte mir daher keinen spannenderen Bereich vorstellen, um die Beziehung zwischen Mensch und Natur zu erforschen. Mein Fachbereich ist Flussgebietsmanagement.
Ist das Wiener Wasser wirklich so gut wie sein Ruf?
Julia Vierheilig: In Wien sind wir wirklich in einer außergewöhnlich glücklichen Lage. Das Wiener Trinkwasser stammt fast ausschließlich aus Gebirgsquellen der steirisch-niederösterreichischen Alpen. Es fließt über die beiden bis zu 180 km langen Hochquellleitungen im freien Gefälle bis nach Wien. Aber die Stadt Wien und die Magistratsabteilung Wiener Wasser ruhen sich hier keinesfalls auf ihren Lorbeeren aus, sondern sind sehr darauf bedacht die ausgezeichnete Qualität des Wiener Trinkwassers auch für nachfolgende Generationen zu sichern. Der Forschungsförderung wird hierbei ein wichtiger Stellenwert eingeräumt. Wiener Wasser arbeitet hier seit Jahren erfolgreich mit dem ICC Water & Health zusammen, dem ich seit seiner Gründung 2013 angehöre.
Daniela Reif: Nicht nur in Wien, sondern im überwiegenden Teil Österreichs haben wir die Situation, dass wir vorwiegend Quell- und Grundwasser verwenden, welches bereits eine sehr hohe Qualität aufweist und entweder gar nicht (das ist für über 90 Prozent der Fall) oder nur geringfügig aufbereitet werden muss. Dennoch gibt es auch Gegenden in Österreich, in denen etwas aufwendigere Verfahren notwendig sind, da das Rohwasser mit Düngemitteln belastet ist oder einen sehr hohen Nitrat- oder Kalkgehalt aufweist.
In den letzten Jahren gab es große Fortschritte im Bereich der Wasseraufbereitung. Wie viel Wasser wird in Österreich jährlich aufbereitet?
Heidi Schaar: Wie bereits erwähnt, liegt der Großteil des Trinkwassers bereits in hoher Qualität vor und muss nur selten behandelt werden. Insofern liegt unser Schwerpunkt nicht im Bereich der Wasseraufbereitung, sondern im Schutz der Gewässer vor Verschmutzung. Im Forschungsbereich der Wassergütewirtschaft zeigen wir sehr gerne eine Statistik zur Anzahl an registrierten chemischen Verbindungen. Betrachtet man die Zeitreihe, sieht man ab den 2000-er-Jahren ein exponentielles Wachstum. Während es 1990 noch 10 Millionen Substanzen waren, liegen wir derzeit bei über 190 Millionen. Dies spiegelt den Einsatz von immer mehr und immer diverseren Chemikalien wider. Auch wenn nicht alle wasserrelevant sind, steigt auch dieser Anteil und wie so oft, hinken wir mit den Maßnahmen hinterher. Zum Beispiel ist die EU-Gesetzgebung für die kommunale Abwasseremissionsverordnung aus dem Jahr 1991. Die Inhalte bezogen sich auf Themen, die wir heute Großteils im Griff haben. Im Rahmen einer Revision beschäftigt sich die EU-Kommission derzeit mit den neuen Herausforderungen, unter anderem eben mit den Spurenstoffen im Abwasser. Spurenstoffe sind meist Chemikalien des täglichen Gebrauchs wie Medikamentenrückstände und Hormone, aber auch Süßstoffe, Körperpflegemittel, Korrosions- und Flammschutzmittel um nur einige Einsatzbereiche zu nennen. Am Institut haben wir die Relevanz des Themas Spurenstoffe mit Beginn der 2000-er-Jahre frühzeitig erkannt, aus verschiedenen Blickwickeln betrachtet und uns so einen holistischen Ansatz erarbeitet. Deswegen können wir jetzt die Behörden und Anlagenbetreiber bestmöglich beraten.
Wie gut eignen sich Wasserkraftwerke als alternative Energieform? Was sind die Vorteile gegenüber herkömmlich produzierter Energie? Gibt es auch Nachteile?
Aufgrund unserer fachlichen Ausrichtung möchten wir die Frage in eine etwas andere Richtung lenken und nicht Wasser als Energieressource, sondern Abwasser als Ressource betrachten.
Daniela Reif: Durch die Maßnahmen und Ziele, die im EU-Green Deal beschlossen wurden, ergeben sich auch neue Herausforderungen für die Abwasserreinigung. Während in der Vergangenheit die Elimination von Stoffen aus dem Abwasser zum Schutz der Gewässer im Mittelpunkt stand, hat man heute erkannt, dass diese Stoffe wertvolle Ressourcen darstellen und rückgewonnen werden sollten. Bei kommunalem Abwasser sprechen wir hier insbesondere über Nährstoffe oder Kohlenstoff, der zu Biogas umgewandelt werden kann. Dafür werden natürlich auch neue Technologien zur Separation dieser Stoffe benötigt, die wir hier am Institut erforschen und optimieren. Insbesondere Membranverfahren spielen in diesem Kontext eine große Rolle und stellen auch einen unserer Forschungsschwerpunkte dar.
Ottavia Zoboli: Ich möchte beispielhaft zwei Themen hervorheben. Der Nährstoff Phosphor ist in der EU als kritischer Rohstoff eingestuft, aber durch die Rückgewinnung und das Recycling von den erheblichen Mengen, die im Abwasser landen, könnten wir die Importabhängigkeit von Österreich und von Europa stark reduzieren. Die Ergebnisse einer unserer Studien waren vielversprechend und man kann erwarten, dass die Phosphorrückgewinnung im Abwasserbereich eine Vorreiterrolle in der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft spielen wird. Das zweite Thema betrifft den Energiebereich: Ein innovativer Ansatz sieht vor, dass mit überschüssigem Strom aus Wind- und Photovoltaikanlagen Wasserstoff erzeugt wird, der dann in den Kläranlagen durch biologische Methanisierung in Biogas umgewandelt und im Erdgasnetz gespeichert und transportiert werden kann. Dies führt zu einer Sektorkopplung zwischen Strom- und Gasnetz und könnte die anaerobe Abwasserreinigung zu einem Baustein für die Energiewende machen.
Denken wir an das Jahr 2050. Müssen wir uns in Österreich oder gar weltweit auf einen sparsamen Umgang mit Wasser einstellen? Ist durch die Klimaerhitzung mit Wasserknappheit zu rechnen?
Ottavia Zoboli: Ich würde eher sagen, dass wir uns auf einen vorsichtigen und strategischen Umgang mit Wasser umstellen müssen. Der quantitative Aspekt vom künftigen Wassermanagement spielt sicherlich eine Rolle, der Einfluss vom Klimawandel und sozioökonomischen Änderungen auf die Wasserqualität werden allerdings oft vernachlässigt. Wir müssen jetzt die möglichen Folgen des Klimawandels für die Wasserqualität besser verstehen, um rechtzeitig zukunftsfähige Maßnahmen und Strategien zu entwickeln. Nehmen wir ein Beispiel: Ein Anstieg der Verdunstung im Neusiedlersee könnte über die Anreicherung von unerwünschten Stoffen zu einer Verschlechterung der Wasserqualität und zu einer Gefährdung des natürlichen Gleichgewichts führen.
Heidi Schaar: Im Fall von vermehrten Trockenperioden muss man sich nach alternativen Wasserressourcen umsehen. In Ländern wie Spanien oder Zypern ist z.B. die Abwasserwiederverwendung zum Zweck der landwirtschaftlichen Bewässerung gang und gäbe. Dies könnte auch für einige Gebiete in Österreich an Bedeutung gewinnen. Und für diesen Fall gilt es sicherzustellen, dass wir nicht nur die passenden Technologien kennen, sondern auch damit umgehen können und ein entsprechendes (Risiko-)Bewertungssystem haben, um festzustellen, ob die eingesetzten Verfahren den jeweiligen Anforderungen entsprechen.
Julia Vierheilig: Neben stofflichen Risiken sind dabei auch mikrobiologische Risiken zu bedenken. Ich möchte hier kurz auf das Thema Antibiotikaresistenzen eingehen. Diese haben in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen und führen immer öfter zu Therapieversagen. Dabei hat die Umwelt, einschließlich unserer Wasserressourcen, eine große Bedeutung für die Entwicklung von Resistenzen sowie für die Vermehrung und Verbreitung von antibiotikaresistenten Bakterien und Antibiotikaresistenzgenen. Wenn zukünftig ein vermehrter Bedarf an aufbereitetem Wasser bestehen wird, wird dieses Thema noch zusätzlich an Relevanz gewinnen. Geeignete Maßnahmen, um die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen zu vermindern, werden daher umso wichtiger sein.
Haben Sie abschließend noch Tipps für unseren persönlichen Umgang mit Wasser?
Ottavia Zoboli: Ja, wir sollten z.B. keine abgelaufenen oder nicht verbrauchten Arzneimittel in die Toilette werfen und aufpassen, dass unsere Kleider, Kosmetika, Imprägnierungsmittel und Küchenutensilien möglichst frei von Umweltgiften oder anderen industriellen Chemikalien sind. Bei jeder Spülung, jeder Dusche und jedem Waschgang gelangen viele dieser Stoffe zu den Kläranlagen. Obwohl sie in Österreich eine hervorragende Arbeit leisten, können sie nicht alles entfernen.
Heidi Schaar: Und weil sie nicht alles entfernen können und immer mehr der Anspruch entsteht, dass sie es doch tun, wird der Ruf nach dem Verursacherprinzip immer lauter. Seit über zehn Jahren wird darüber diskutiert, ob eine Spurenstoffentfernung als sogenannte vierte Reinigungsstufe auf einer Kläranlage sinnvoll ist, wo es doch auch die Möglichkeit gibt, an der Quelle anzusetzen. Möchten Sie auf ein Schmerzmittel verzichten, weil es der Umwelt, konkret, z.B. den Fischen, schaden kann? Oder würden Sie auf bestimmte Eigenschaften in ihren Produkten verzichten, damit weniger Chemikalien ins Grundwasser gelangen und unsere Trinkwasserressourcen besser geschützt werden? Wir brauchen beides, daher Maßnahmen bei Verursacher_innen wie Produzent_innen – und ich denke auch bei den Konsument_innen. Es braucht einen bewussteren Umgang mit der Ressource Wasser.
Julia Vierheilig: Ich bin da völlig der Meinung meiner Kolleginnen, dass jede_r Einzelne durch einen bewussteren Umgang mit der wertvollen Ressource Wasser einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann, sie als Lebensgrundlage für nachfolgende Generationen zu bewahren. Daneben hätte ich außerdem noch einen Tipp zur Entnahme von Trinkwasser aus dem Wasserhahn. Denn, obwohl das von den Wasserversorgern zur Verfügung gestellte Trinkwasser in Österreich in aller Regel sehr gute Qualität aufweist, kann es in den Hausinstallationen zu Beeinträchtigungen kommen – vor allem bei längerer Stagnation des Wassers in den Leitungen. Deshalb sollte man das Wasser immer erst eine Weile laufen lassen (bis zur Temperaturkonstanz) bevor man es zum Trinken oder für die Zubereitung von Lebensmitteln verwendet. Selbstverständlich sollten wir das Wasser auch nicht unnötig laufen lassen, aber im Sinne der Nachhaltigkeit ist es viel relevanter darauf zu achten, was wir über Abfluss, Gully oder Toilette in den Wasserkreislauf einbringen, als Wasser zu sparen. Denn schließlich fließt das Wasser ja anschließend über die Kläranlage wieder zurück in den natürlichen Wasserkreislauf.
#staytuned: Mit den 4 Expertinnen des Forschungsbereichs der Wassergütewirtschaft über das kostbare Gut Wasser diskutieren:
Am 23. März von 11-13 Uhr live auf den TUW-Social Media-Kanälen Facebook, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster und Instagram, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster.
Die Reihe „Forum Zukunft“
In der Interviewreihe "Forum Zukunft" der TU Wien kommen zu zentralen Zukunftsthemen Expert_innen zu Wort. Bereits erschienen:
Verkehrsplanerin BARBARA LAA im Interview über ihre Vision vom Verkehr des Jahres 2040, Bautechnikerin AZRA KORJENIC zu zukunftsfähigem und ökologischem Bauen, Energieexperte REINHARD HAAS zu alternativen Energiequellen und Ressourcen, dem Experten für Abfallwirtschaft und Ressourcenmanagement HELMUT RECHBERGER zu einem verantwortungsvollen und zukunftsfähigen Umgang mit Abfall sowie mit dem Leiter des Forschungsbereichs „Databases and Artificial Intelligence“ STEFAN WOLTRAN über die Zukunft der KI.