Wenn Martin Berens von seiner Forschung an und der Vision von Antriebstechnologien für Flugzeuge spricht, legt sich schnell ein Lächeln auf seine Lippen. Dass ihn Flugzeuge begeistern, hat bereits lange Tradition. Schon in seiner Jugend flog er Segelflugzeuge – dafür war ihm kein Weg zu weit. Der aus Berlin stammende Luft- und Raumfahrttechniker musste nämlich von West-Berlin aus in das rund 300 Kilometer entfernte Niedersachsen fahren, um überhaupt erst in ein Segelflugzeug steigen zu können. Denn in Berlin und dem Berliner Umland selbst war das damals nicht möglich.
Von Airbus an die TU Wien
Was damals als Hobby begann, wurde schnell zum Beruf. Nach seinem Studium der Luft- und Raumfahrtechnik sowie anschließender Promotion arbeitete Martin Berens zunächst beim Luftfahrtkonzern Airbus in Hamburg, zuletzt in Bremen. Nicht nur die klassische Musik und die Schönheit Wiens zogen Berens schließlich in Österreichs Hauptstadt. Auch die neuen Herausforderungen, die ihn als Professor erwartet, traf sich mit Berens Wunsch nach mehr: mehr Forschungsfreiheit, mehr Interaktion mit Fachkolleg_innen, mehr Kontakt zu Nachwuchsforschenden und mehr Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.
Hier an der TU Wien ist Martin Berens ein besonderer Professor. Seine Professur wurde aufgrund des Bedarfs nach mehr Absolvent_innen aus dem Bereich der Luft- und Raumfahrttechnik geschaffen. Die Firmen, die diesen Bedarf erkannt haben, finanzieren nun gemeinsam mit dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) Berens Professur – er ist Stiftungsprofessor. „Stiftungsprofessuren dienen dazu, neue Schwerpunkte an Hochschulen zu setzen,“ erklärt Berens. Die wissenschaftliche Freiheit bleibt davon unberührt. Was nicht nur den Stiftungsfirmen ein Anliegen ist, sondern vor allem Martin Berens selbst, ist ein Umbruch in der Luftfahrtbranche – und zwar in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaneutralität. Angesiedelt ist seine Professur am Institut für Konstruktionswissenschaften und Produktentwicklung der Fakultät für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften.
Neue Flugzeugantriebe
Aus seiner Zeit in der Industrie weiß Berens, dass Flugzeugzelle und Triebwerke im Flugzeugbau gerne getrennt voneinander betrachtet werden. Unter der Flugzeugzelle versteht man in diesem Zusammenhang das Flugzeug exklusive der Triebwerke, vom Flügel bis zum Cockpit. „Ich möchte diese beiden Komponenten nicht nur gemeinsam betrachten, auch möchte ich Flugzeuge anders und besser gestalten. Für viele alternative Antriebskonzepte ist nämlich die Integration der beiden Baugruppen noch bedeutender als bei den bekannten Flugzeugkonfigurationen,“ sagt Berens.
Die verschiedenen Energieträger und Antriebsarten spielen eine zentrale Rolle in der Luftfahrttechnik. Der einfachste Schritt wäre, so Berens, fossilen Kraftstoff durch sogenanntes Sustainable Aviation Drop-in-Fuel (SAF) zu ersetzen. Dabei wird der Kraftstoff in Syntheseprozessen entweder aus nachwachsenden Rohstoffen wie Pflanzenabfällen, gebrauchtem Speiseöl oder mithilfe von Wasser, Kohlendioxid und erheblichen Mengen regenerativ erzeugter elektrischer Energie gewonnen. Man spricht dann auch von Synthetic Fuels (SynFuel) oder im Fall des zweitgenannten Ansatzes von Electrofuels (E-Fuels). Der Vorteil dieser Technologie: Fossiler Kraftstoff wird durch nachhaltigen Kraftstoff ersetzt.
Eine Revolution der Antriebstechnik stellt diese Variante jedoch nicht dar. Gerade für kleine Flugzeuge und kurze Flugstrecken können batterieelektrische Antriebe eingesetzt werden, so Berens Vision. Für größere Flugstrecken wird auch die Energiedichte zukünftiger Batterien nicht ausreichen, sodass hier elektrische Antriebe mit Brennstoffzellen und flüssigem Wasserstoff Alternativen sind. Dass Flugzeuge, die durch eine Brennstoffzelle angetrieben werden, fliegen können, wurde bereits mehrfach in praktischen Versuchen mit bis zu viersitzigen Flugzeugen gezeigt. Die große Herausforderung ist jedoch die Skalierung, da die bevorzugte Antriebsart vom Verhältnis der Leistung zum Gewicht abhängt. Doch auch hier ist sich Berens sicher: „Je besser die spezifischen Leistungsdichten werden, desto stärker wird sich die Technologie durchsetzen.“
Gemeinsam ans Ziel
„Stillstand bedeutet Rückschritt“, stellte der Schriftsteller Erich Kästner bereits fest. So steht auch die Luftfahrtindustrie durch den Ruf klimaschädlich zu sein unter dem Druck, in neue, klimafreundliche Antriebe zu investieren – denn auf dem aktuellen Standpunkt zu verharren ist keine Option. Klar ist, dass neue Technologien zunächst teurer sind, indem aber die Produktionsraten erhöht werden, fallen auch die Preise. Ein Beispiel, das Berens dafür nennt, sind SAFs, also die nachhaltig erzeugten Kraftstoffe. Die Herstellungskosten sind derzeit in etwa drei bis sechs Mal so hoch wie für fossiles Kerosin. Was sich nach Kosten unbezahlbarer Höhe anhört, kann aber auch eine Chance für die Branche sein: „Wenn man von dem dreifachen Preis für SAFs gegenüber fossilem Kerosin ausgeht, dann würden die Flugtickets um etwa 50 Prozent teurer werden. Das wäre bereits das Worst Case Szenario für die Passagier_innen und die Fliegerei würde es nicht kaputt machen,“ stellt Berens in Aussicht. Dass es erst gar nicht so weit kommt, ist die besondere Herausforderung für die Forschung in der nächsten Dekade. Allein werden weder die Luftfahrtforschung noch die Luftfahrtindustrie diese Herausforderungen meistern können: „Es wird nur im Verbund mit den anderen Sektoren der Verkehrswirtschaft sowie mit Hilfe einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Ingenieurs- und Naturwissenschaften gelingen“, ist sich Berens sicher.
Wie könnte die Zukunft aussehen?
Wenn Berens einen Blick in die Zukunft wagt, dann sieht er dort batterie-elektrisch angetriebene Flugzeuge für die Kurzstrecke, etwa bei elektrischen Flugtaxis. Flugzeuge mit wasserstoffbasierten Antrieben werden für mittlere Flugstrecken eingesetzt. Auf Langstreckenverbindungen wird nachhaltig produziertes flüssiges Kerosin auch in absehbarer Zukunft der dominierende Energieträger bleiben. Aber auch hier sieht Berens noch Entwicklungspotential: „Moderne Leistungsgetriebe ermöglichen zusammen mit einer optimierten Gasturbinenauslegung eine Verbesserung der Kraftstoffeffizienz von Turbofan oder Open-Rotor-Antrieben in zweistelliger Prozenthöhe im Vergleich zu den Motoren, die heute in Langstreckenverkehrsflugzeugen eingebaut werden.“
Ebenfalls sicher ist, dass es ambitionierte Wissenschaftler_innen braucht, um Entwicklungen wie diese voranzutreiben. Damit dies auch in Zukunft gelingt, möchte Martin Berens einen Masterstudiengang an der TU Wien, später auch universitätsübergreifend, etablieren, um sein Wissen weiterzugeben und die Forschenden von morgen für die Luftfahrttechnik zu begeistern.
„Die Herausforderungen der Branche sind riesig, die Möglichkeiten aber auch,“ resümiert Berens.
Kontakt
Prof. Martin Berens
Forschungsgruppe Luftfahrzeugsysteme
Technische Universität Wien
+43 1 58801 30772
martin.berens@tuwien.ac.at
Text: Sarah Link