Problemstellung

Interaktion Bodenplatte - Baugrund

Bei allen Bauteilen, die in direktem Kontakt zum Untergrund stehen, ergeben sich Verformungsbehinderungen durch die Kopplung des Bauteils mit dem Baugrund bzw. durch Reibung zwischen Bauteil und Baugrund. Bei langen dünnen Platten mit großen Verformungsbestrebungen führt dies zu nennenswerten Zwangsbeanspruchungen.  

Zwang in einer Bodenplatte infolge behinderter Verformung [1]

Abb. 1: Zwang in einer Bodenplatte infolge behinderter Verformung [1]

Im mittleren Bereich ohne Relativverschiebung baut sich die maximale Zwangsspannung  auf. Bei Überschreiten der Betonzugfestigkeit kommt es zur Rissbildung. Die Größe der Zwangsspannungen wird wesentlich durch die Ausbildung der Kontakt- bzw. Gleitfläche Bodenplatte – Baugrund bestimmt. Je nach Ausbildung kann sie nach [1] von folgenden Faktoren abhängig sein:

  • Normalspannung in der Kontaktfläche
  • Größe der Relativverschiebung
  • Baugrundeigenschaften
  • Rauhigkeit der Kontaktfläche
  • Geschwindigkeit der Relativverschiebung
  • Temperatur

In der Regel können diese Parameter nur durch die Ausbildung von Kontakt- bzw. Gleitflächen beeinflusst werden.

Spannungen im jungen Beton

Trennrisse resultieren in der Regel aus Zwangsbeanspruchung. Zwang resultiert aus Zwang erzeugenden Einwirkungen in Kombination mit verformungsbehinderten Randbedingungen. Zu den Zwang erzeugenden Einwirkungen gehören vor allem abfließende Hydratationswärme und Schwinden sowie tägliche und jährliche Temperaturschwankungen. Häufig sind die herstellungsbedingten Temperaturbeanspruchungen höher als jene der Nutzung. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Bodenplatte im Endzustand nicht frei bewittert ist, bzw. betriebsbedingte Temperaturänderungen nicht vorhanden sind. Abb. 1 zeigt qualitativ das Verhalten des Betons während der Erhärtung.

Verhalten des Betons während der Erhärtung

Abb. 2: Verhalten des Betons während der Erhärtung

Durch die Hydratationswärme und der damit verbundenen Dehnung entstehen anfangs Druckspannungen im Beton. Da zu diesem Zeitpunkt der Frischbeton noch keine hohe Festigkeit aufweist entstehen relativ geringe Spannungen. Wird nun die mit der anschließenden Abkühlung des Betons verbundene Verkürzung behindert, entstehen auf Grund der zu diesem Zeitpunkt höheren Festigkeit größere Zugspannungen, die anschließend zur Rissbildung (Frührissbildung) führen.

 

Spannkraftverluste durch Interaktion der Bodenplatte mit dem Untergrund

Werden Bodenplatten vorgespannt, so geht ein Teil der Vorspannkraft durch die Interaktion mit dem Baugrund verloren. Die Bodenplatte will sich aufgrund der aufgebrachten Vorspannung verkürzen. Je mehr diese Verformung behindert wird, umso geringer ist die Ausnutzung der Vorspannung. Betrachtet man den Grenzfall, dass die Bodenplatte mit dem Untergrund starr verbunden ist, so würde nicht die Bodenplatte selbst vorgespannt werden, sondern der Untergrund. Zur Verringerung dieser Verluste werden nach heutigem Stand der Technik Gleitschichten eingebaut, die diese Verluste je nach Reibung mit dem Untergrund verringern, jedoch nicht verhindern können.

Interaktion Bodenplatte Untergrund

Abb. 3: Interaktion Bodenplatte Untergrund

Die Idee

Der neuartige Lösungsansatz verfolgt die Entkopplung der Bodenplatte vom Untergrund. Herrscht keine Interaktion zwischen der Bodenplatte und dem Untergrund, so können sich keine Zwangsspannungen  infolge einer behinderten Verformung einstellen. Weiters würden bei vorgespannten Bodenplatten keine Verluste der Vorspannung durch Reibung der Platte am Untergrund entstehen.

Wie wird die Entkopplung der Bodenplatte sichergestellt?
Die Entkopplung wird über die Kompensation des Eigengewichts der Bodenplatte sichergestellt. Wirkt kein Eigengewicht, so gibt es auch keine Normalspannung, was wiederum bedeutet, dass keine Reibung zwischen Bodenplatte und Untergrund entsteht. Gibt es keine Reibung, dann kann sich die Bodenplatte vollkommen frei bewegen und es können keine Zwangsspannungen, zum Beispiel durch abfließender Hydratationswärme, entstehen.

Die Kompensation des Eigengewichts erfolgt mittels Luftdruck. Es wird ein Luftkissen (Gleitlagerung) besteht aus:

  • Folie
  • Bauvlies
  • Folie

hergestellt (siehe Abb.4). Dieser Aufbau unterscheidet sich somit nicht vom Aufbau einer herkömmlichen Gleitlagerung.

Schematischer Aufbau der neuartigen Gleitlagerung

Abb. 4: Schematischer Aufbau der neuartigen Gleitlagerung

Die untere Lage der Folie wird nun an den Rändern eingeschlagen und mit der oberen Lage verklebt / verschweißt und es entsteht ein Luftkissen unterhalb der Platte. Nach dem Betonieren wird ein Innendruck im Luftkissen erzeugt, der das Eigengewicht der Platte kompensiert. Dieser Luftdruck kann nun beliebig lange, zum Beispiel bis zum Ende des Hyradationsprozesses oder bis zum Aufbringen der Vorspannung, aufgebracht werden. Im Anschluss daran kann die Luft wieder abgelassen werden.

Luftdruck

Wie groß ist der erforderliche Luftdruck?

Wie schon erwähnt wird der Luftdruck dazu benötigt, das Eigengewicht zu kompensieren. Durch die vollflächige Anordnung des Luftkissens werden nur sehr geringe Innendrücke benötigt.

   1cm Beton =  0,25kN/m² =    2,5mbar
 10cm Beton =  2,50kN/m² =  25,0mbar
 30cm Beton =  7,50kN/m² =  75,0mbar
 50cm Beton =12,50kN/m² =125,0mbar

Wie oben ersichtlich, ergeben sich selbst bei einer 50cm starken Platte noch immer vergleichsweise geringe Drücke von 125mbar. Durch die geringen Drücke sind diese auch sehr leicht herstellbar und beherrschbar

Wie wird der Luftdruck erzeugt?

Die Erzeugung des Luftdrucks erfolgt mit Hilfe eines Seitenkanalverdichters (siehe Abb.5).  Dieses Gerät zeichnet sich dadurch aus, dass es große Luftvolumen bei relativ geringem Druck erzeugen kann. Wird der Seitenkanalverdichter nun über einen Schlauch an das Luftkissen angeschlossen, so kann die Luft, durch das eingelegte Bauvlies, das Luftkissen gleichmäßig durchströmen. Durch die Verteilung der Luft durch das Bauvlies ist auch zu jedem Zeitpunkt die gleiche Größe des Luftdrucks im gesamten Luftkissen garantiert.  Wie sich in den bisherigen Versuchen gezeigt hat, ist ein vollkommen dichtes Luftkissen nicht realistisch. Die entstehenden Leckstellen, zum Beispiel eine undichte Nahtstelle oder eine durchstochene Folie durch das Verlegen der Bewehrung, stellen jedoch kein Problem dar. Befindet sich die Fehlstelle in der Mitte der Platte so kann dort mit Sicherheit keine Luft entweichen, da diese von der darüber befindlichen Betonschicht abgedichtet wird. Fehlstellen an den Plattenrändern, an denen sicherlich Luft entweicht, können durch eine größere Luftmenge  des Seitenkanalverdichters problemlos kompensiert werden.

Seitenkanalverdichter

Abb. 5: Seitenkanalverdichter

Besser als die Alternativen?

Betonbodenplatten kommen in unterschiedlichsten Bereichen zum Einsatz, wie z.B. im Hochbau als großflächige Fundamentplatten,  im Straßen- und Industriefußbodenbau, beim Bau von Flughafenrollfeldern, aber vor allem auch als Dichtebenen in Anlagen zur Lagerung wassergefährdeter Stoffe oder als Weiße Wannen. Zur Verminderung der Zwangsspannungen werden Gleitlagerungen eingebaut. Gleitlagerungen nach dem Stand der Technik bestehen aus:

  • 2 Lagen PE-Folien
  • 2 Lagen PE-Folien mit dazwischen liegendem Vlies
  • Bituminöse Gleitlagerungen
  • Sandbett als Gleitschicht

Eine Entkopplung der Bodenplatten vom Untergrund kann jedoch mit keiner der Gleitlagerungen nach dem Stand der Technik erzielt werden. Die Luft – Gleitlagerung unterscheidet sich hinsichtlich ihres Aufbaus nicht von herkömmlichen Gleitlagerungen nach dem Stand der Technik, durch die Erzeugung des Luftdrucks ist es jedoch möglich eine vollkommene Entkopplung zu erreichen.

Vor- und Nachteile

Vorteile

  • Die neue Luft – Gleitlagerung unterscheidet sich im Aufbau nicht von den herkömmlichen Gleitlagerungen nach dem Stand der Technik.
  • Die Umsetzbarkeit und die Steuerung sind sehr simpel und einfach (siehe Feldversuch)
  • Durch die Verwendung der Luft – Gleitlagerung ist es möglich den Fugenabstand in Bodenplatten zu vergrößern, wobei die Anzahl der Fugen minimiert wird. Fugen sind immer aufwendig in der Herstellung, sie sind wartungsintensiv und stellen immer einen Schwachpunkt einer Konstruktion dar. Fugen sind z.B. bei Industriefußböden vollkommen unerwünscht
  • Bei Verwendung von Vorspannung kann mit der neuen Luft – Gleitlagerung sichergestellt werden, dass die Vorspannung  nicht durch Interaktion mit dem Baugrund reduziert bzw. verloren geht. Die Effektivität der Vorspannung kann dadurch sichergestellt werden. 
  • Wenn absolut dichte Bauwerke gefordert sind (z.B. Deponie), sollte die Gebrauchstauglichkeit mit dieser neuen Methode wesentlich verbessert werden.
  • Zwang aus abfließender Hydradationswärme ist oft der maßgebende Lastfall für die Wahl der Bewehrung (z.B. Weiße Wannen). Durch die Verwendung der neuen Methode kann Bewehrung eingespart werden.
  • Durch die Verwendung der Luft – Gleitlagerung können Vorgespannte Bodenplatten erzeugt werde. Dies ist bis jetzt im Europäischen Raum nicht üblich. Vorteile vorgespannter Bodenplatten:
    • Rissefreiheit kann garantiert werden
    • die Plattenstärke kann reduziert werden und dadurch können Ressourcen gespart werden (Stichwort CO2 Belastung)
    • es kann auf eine Schlaffe Bewehrung verzichtet werden, und dadurch gibt es auch keine Gefahr durch Korrosion der Bewehrung
    • Plattengrößen von über 2500m² ohne Fugen sind möglich 

Nachteile

  • Die Luft – Gleitlagerung stellt im Vergleich zu Gleitlagerungen nach dem Stand der Technik einen etwas größeren Aufwand im Bezug auf die Herstellung dar. Dieser sollte jedoch durch die oben beschrieben Vorteile gerechtfertigt sein und ist von Bauwerk zu Bauwerk unterschiedlich und daher gesondert zu untersuchen.

Realisierbarkeit

Chancen der Realisierbarkeit?

Im Zuge eines FFG Forschungsvorhabens werden derzeit Großversuche zur Erprobung der Luft – Gleitlagerung durchgeführt.  Es soll vor allem die einfache Herstellbarkeit und Umsetzbarkeit der Luftgleitlagerung gezeigt werden. Des Weiteren sollen unterschiedliche Lagerungsbedingungen (konventionelle Gleitlagerung – Luftgleitlagerung), unterschiedliche Bewehrungen (unbewehrt – schlaff bewehrt – Vorspannung) und nicht zuletzt unterschiedliche Herstellungsbedingungen (Winterbeton – Sommerbeton) untersucht werden. Für die Dauer der Versuche wurde uns das alte Flugfeld in Wien Aspern zur Verfügung gestellt

Großversuche an 60m langen Plattenstreifen

Abb. 6: Großversuche an 60m langen Plattenstreifen

Einfaches Equipment für die Herstellung der Luftgleitlagerung

Abb. 7: Einfaches Equipment für die Herstellung der Luftgleitlagerung

Bodenplatte a)vor erster Luftlagerung b)während erster Luftlagerung

Abb. 8: Bodenplatte a)vor erster Luftlagerung b)während erster Luftlagerung

 

Welche weiteren Entwicklungsschritte sind notwendig?

Das FFG Forschungsvorhaben läuft noch bis Ende November. Die einfache Umsetzbarkeit und Herstellung der  Luft – Gleitlagerung konnten mit den bisherigen Versuchen bereits gezeigt werden. Im Anschluss an die Auswertung der Versuchsergebnisse wird mit den beteiligten Firmen die weitere Vorgehensweise diskutiert. Da die ersten Versuchsergebnisse sehr vielversprechende Ergebnisse lieferten, steht einer Anwendung in der Praxis eigentlich nichts mehr im Wege und es gibt bereits erste Gespräche mit den Projektpartnern über den Einsatz in Referenzprojekten.

Partner

Sowohl das FFG Forschungsvorhaben, als auch die Patentanmeldungen werden  von der österreichischen Vereinigung für Beton und Bautechnik sowie einem Konsortium von österreichischen Baufirmen unterstürzt. Dieses Konsortium besteht aus:

    ALPINE Bau GmbH
    PORR AG
    STRABAG AG, Sparte Hoch und Ingenieurbau
    BILFINGER BERGER Bau GmbH
    G.HINTEREGGER & Söhne Bau GmbH
    ÖSTU-STETTIN Hoch- und Tief GmbH
    SWIETELSKY Bau GmbH

Weitere Partner:
    Grund- Pfahl- und Sonderbau
    VÖZfi