Allgemeines

Freigeformte Betonflächen bilden nach wie vor einen wichtigen Bestandteil in der modernen Architektur. Aufgrund der aufwendigen Schalungen die dafür benötigt werden und der hohen Kosten für die erforderliche Unterkonstruktion wurde die Realisierung derartiger Flächen zunehmend unwirtschaftlicher. Um diesem Problem Abhilfe zu schaffen wird am Institut für Tragkonstruktionen derzeit ein neues Schalenbauverfahren zur Herstellung von mehrfach gekrümmten Schalentragwerken entwickelt. Das neue Bauverfahren soll eine Möglichkeit aufzuzeigen, wie mit Beton im wirtschaftlichen Wettbewerb mit anderen Bauweisen und Baustoffen leichte Flächentragwerke gebaut werden können. Damit soll ein Beitrag der Baubranche zur Einsparung von Energie und Ressourcen geleistet werden.
Räumlich gekrümmte Flächentragwerke weisen durch ihre Form ein besonders günstiges Tragverhalten auf. Ein äußerst geringer Materialverbrauch ist die Folge der im Vergleich zu anderen Strukturen überlegenen Lastabtragung. In der Natur finden sich zahlreiche Beispiele für doppelt gekrümmte Schalentragwerke wie z.B. Eierschalen, Nussschalen und Schneckenhäuser. Die Schalen einzelliger Planktonorganismen (z.B. Kieselalgen und Radiolarien) sind in Bezug auf das Tragverhalten optimierte Leichtbaukonstruktionen. Die Schalen haben in den genannten Beispielen sowohl eine tragende als auch eine raumabschließende Funktion.
Die Möglichkeit der freien Gestaltung und die Herstellung von flächenhaft ausgebildeten Strukturen, charakterisieren die Betonbauweise seit mehr als einem Jahrhundert, denn Beton ist ein gießfähiger Baustoff, der jede beliebige Form im Erstarrungsprozess konservieren kann.
In einer neuen Baumethode (Patentanmeldung durch die TU Wien am 30.11.2011) wird vorgeschlagen, in der ebenen Ausgangsform mit Luft gefüllte Pneus anzuordnen. Durch Einblasen von Luft zwischen zwei unter der Platte angeordnete und am Plattenrand abgedichtete Folien, bei gleichzeitigem Vorspannen von am Plattenumfang angeordneten Spanngliedern, wird aus der ebenen Stahlbetonplatte eine Schale mit der Form eines Kugelabschnitts gebildet.

Großversuch

Die Herausforderungen bei der Anwendung der neuen Schalenbaumethode liegen in erster Linie im Umformungsprozess. Unterschiedliche Luftdrücke im Raum zwischen den beiden Folien und den radial angeordneten Pneus und Vorspannkräfte in den Ringzuggliedern müssen stufenweise so erhöht werden, dass das Kaltverformen der Segmente ohne Zerstörung gelingt. Dieser Prozess wurde an einem Großversuch im Herbst 2012 realisiert:

Eine Schalung für die ebene Betonplatte

Abb. 1: Schalung für die ebene Betonplatte

Fertig eingebaute Bewehrung

Abb. 2: Fertig eingebaute Bewehrung

Fertig betonierte Platte mit eingedrückten Sollbruchstellen

Abb. 3: Fertig betonierte Platte mit eingedrückten Sollbruchstellen

Fertiggestellte Schale

Abb. 4: Fertiggestellte Schale

Innenraum der fertiggestellten Schale mit zwei Personen die am Ende der Schalung die Decke berühren

Abb. 5: Innenraum der fertiggestellten Schale

Nach einer Wartezeit von 3 Monaten wurde der eigentliche Versuch, die Verkrümmung der ebenen Betonplatte zu einer zweifach gekrümmten Schale am 27.11.2012 bei der Firma doka im Werk St.Martin/Karlsbach durchgeführt. Die Druckregelung der 16 pneumatischen Keile stellte eine besondere Herausforderung dar, da die zu regelnden Drücke im Vergleich zum atmosphärischen Luftdruck mit rund 100mbar sehr gering sind. Für den Hebeprozess wurden 2 Seitenkanalverdichter verwendet. Zur Abdichtung des „Hebepneus“ wurde die unter der Betonplatte verlegte Silofolie in einem Abstand von 40cm zur Betonkante abgeschnitten, aufgeklappt und anschließend durch das Anspannen der Spannlitzen abgedichtet. Die Betonplatte wurde mit Hilfe des „Hebepneus“ in Plattenmitte bis zu einer Höhe von 0,9m angehoben. Anschließend wurde dieser Prozess durch zusätzliches Vorspannen der in Umfangrichtung verlegten beiden Spannlitzen unterstützt und die Schale wurde bis zu einer Höhe von rund 4m angehoben und verkrümmt. Um einem ungleichmäßigen Verkrümmen der einzelnen Elemente entgegenzuwirken wurde der Druck der pneumatischen Keile zwischen 30 und 150mbar variiert.

Ausblick

Derzeit beschäftigt sich das Forschungsteam mit dem Entwurf von freigeformten Betonflächen die mit dem neu entwickelten Bauverfahren realisierbar sind. In der nahen Zukunft ist ein weiterer Großversuch zu einer ausgewählten Freiformschale geplant.

Partner

Die Versuche wurden im Rahmen des FFG Branchen- Forschungsprojektes „Freiformflächen aus Beton“ in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Bautechnikvereinigung durchgeführt.
Folgende Partner haben das Projekt finanziell unterstützt:

Projektparnter Logos

Ansprechpartner:

Kontakt: DI Benjamin Kromoser

email: benjamin.kromoser@tuwien.ac.at