Entwicklung eines Tools zur Konzeption von Erdwärmesystemen

Die oberflächennahe Geothermie ist ein vielversprechender erneuerbarer Energieträger zur nachhaltigen, umweltfreundlichen und wirtschaftlichen Nutzung der theoretisch unerschöpflich im Untergrund vorhandenen, thermischen Energie zum Heizen und Kühlen von Gebäuden. Der Geothermie wird daher große Bedeutung zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung beigemessen.
Insbesondere im urbanen Kontext können verschiedene Methoden der geothermischen Nutzung Anwendung finden, wobei das Wissen um die Einsetzbarkeit der verschiedenen Anwendungsformen nicht weit genug verbreitet ist. Die Technologien zur Erdwärmenutzung sind erprobt und weisen eine hohe Marktreife auf, jedoch gibt es aktuell keine allgemein zugängliche Informationsplattform, die interessierten Anwender:innen einen Überblick über die bestehenden Möglichkeiten gibt, eine Grobdimensionierung bzw. Potenzialabschätzung bietet und darauf aufbauend eine Erstbeurteilung erlaubt.
Zurzeit werden für Erdwärmeanlagen entweder projektspezifische, individuelle Lösungsansätze entwickelt, die eine entsprechende Expertise voraussetzen und eine zeitaufwändige Planungsaufgabe darstellen, oder es werden kommerzielle Programme verwendet, die jedoch nur einzelne, meist wenige Fälle isoliert abdecken.
Das Projekt verfolgt deshalb im Wesentlichen zwei primäre Ziele:

  1. Die möglichst niederschwellige Informationsbereitstellung auch für Planende und Ausführende, die nicht im Bereich der Geothermie spezialisiert sind.
  2. Die Berücksichtigung und Abbildung von möglichst vielen Methoden der Nutzung von oberflächennaher Geothermie in einem einzigen Planungswerkzeug.

Für die Planung und Auslegung von Erdwärmeanlagen sind standortbezogene Daten erforderlich. Diese umfassen Klimadaten (Lufttemperatur, Sonneneinstrahlung) einerseits und (hydro-) geologische Untergrunddaten andererseits.
Die benötigten Klimadaten sind flächendeckend österreichweit verfügbar und werden dem Projekt von der GeoSphere Austria bereitgestellt. Im Zuge des Projektes erfolgt eine Aufbereitung der Daten, sodass die Klimadaten als vereinfachte Zeitreihe basierend auf statischen Kenngrößen wie Mittelwert, Standardabweichung und Amplitude für jede Rasterzelle zur Verfügung stehen.
Die benötigten Untergrunddaten sind derzeit nicht flächendeckend verfügbar. Für das Projekt erfolgt deshalb die Definition eines Untersuchungsgebietes in Form des Ballungsraumes Wien (Wiener Stadtgebiet und Großraum Mödling-Baden-Schwechat). Innerhalb des Projektzeitraumes sollen die Untergrunddaten für das genannte Untersuchungsgebiet erhoben werden (Auswertung des Wiener Baugrundkatasters, Auswertung bereits durchgeführter Thermal Response Tests, etc.).
Als Ergebnis stehen möglichen Anwender:innen im definierten Untersuchungsgebiet sämtliche standortbezogene Daten (Klimadaten und Untergrunddaten) zur Verfügung, die für die Auslegung einer Erdwärmeanlage erforderlich sind.
Für die Dimensionierung von Erdwärmeanlagen ist der Heiz- und Kühlbedarf der Nutzer:innen in Form einer Zeitreihe erforderlich. Im Projekt erfolgt, basierend auf repräsentativen Szenarien, die die EVN als Energieversorger dem Projekt zur Verfügung stellen kann, eine Definition von Nutzungsprofilen. 
Um eine Schnittstelle zwischen dem zu deckenden Bedarf (z.B. stündlicher Heiz- und Kühlbedarf im Jahreszyklus) und dem eigentlichen Erdwärmesystem (Erdwärmesonden, Massivabsorber, etc.) zu schaffen, wird im Projekt ein Energieflussschema verwendet. Im Energieflussschema können unterschiedliche Betriebsszenarien modelliert werden, um zu ermitteln, wie viel Energie aus den modellierten Erdwärmesystemen bereitgestellt werden muss, um den gesamten erforderlichen Energiebedarf zu decken.
Hinsichtlich der vielfältigen Möglichkeiten der Erdwärmenutzung ist im Planungstool die Integration folgender Arten der Erdwärmenutzung durch eine Modellierung und Simulation der Einzelsysteme vorgesehen:

  • Massivabsorber: Energiebodenplatte
  • Massivabsorber: Energiepfahl
  • Massivabsorber: Energieschlitzwand
  • Erdwärmesonde
  • Thermische Grundwassernutzung
  • Wärmespeicher
  • Spiralkollektor

Anwender:innen müssen sich damit nicht im Vorhinein für eine bestimmte Art der Erdwärmenutzung entscheiden, sondern können für den jeweiligen Anwendungsfall das bestgeeignete System ermitteln bzw. auch verschiedene Arten der Erdwärmenutzung evaluieren.
Im eigentlichen Planungstool werden die standortbezogenen Klimadaten (Lufttemperatur, Sonneneinstrahlung) und (hydro-) geologischen Untergrunddaten mit dem Energiebedarf in Form eines Nutzungsprofils sowie den beschriebenen Modulen für unterschiedliche Arten der Erdwärmenutzung über das modellierte Energieflussschema verknüpft.
Anhand von konkreten und bereits realisierten oder in Planung befindlichen Erdwärmeanlagen erfolgt eine Validierung des Planungstools.

Schematische Darstellung der Struktur des Planungstools

© TU Wien, Institut für Geotechnik