Im Jahr 2023 gab es bis November 26 Femizide in Österreich. Mordversuche an Frauen aufgrund ihres Geschlechts gab es heuer bisher 41 (Stand: 24.11.2023). Nach wie vor ist der Schutz vor Gewalt in Österreich lückenhaft und wird von staatlicher Seite zu wenig gefördert.
Gewalt gegen Frauen beginnt aber nicht mit Femiziden. Ihnen gehen einige Stufen voraus, dabei spricht man von einer Gewaltpyramide: Den Nährboden für Gewalt gegen Mädchen, Frauen und TIN Personen* bilden Einstellungen, Überzeugungen und Werte, welche Geschlechterstereotype und traditionelle Rollenbilder enthalten. Daraus entsteht Alltagssexismus, welcher zu individueller, aber auch struktureller und damit institutioneller Diskriminierung und Gewalt führen kann und der in unserer Kultur tief verankert ist. „Institutionelle Diskriminierung beschreibt Formen der Ungleichbehandlung, die durch und innerhalb von Organisationen, also beispielsweise Verwaltungsbehörden oder auch Schulen, vollzogen werden und über das bewusste Handeln Einzelner hinausgehen.“ (Aus dem Theaterstück „Stop Femi(ni)zide – Aktion gegen systemische Morde“ des Theaterkollektivs Hybrid).
Gender Pay Gap, die Gläserne Decke, die Unterrepräsentation von Mädchen, die Unterrepräsentation von Frauen und TIN-Personen in der Technik aufgrund von Gender Biases etc. sind gesellschaftlich meist akzeptierten Formen von Gewalt begünstigen physische und sexualisierte Gewalt gegen Frauen, die ihre Spitze in Suiziden, Morden und Femiziden findet. (Die Gewaltpyramide nach Pennsylvania Coalition Against Rape (siehe hier, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster).
Personen, die Gewalt erfahren, erfahren diese in den meisten Fällen durch Männer aus ihrem privaten Umfeld, doch auch der öffentliche Raum ist immer wieder Tatort für verbale, psychische und/oder physische Gewalt. Der öffentliche Raum, das sind nicht nur Parks, U-Bahn-Stationen, der öffentliche Nahverkehr, das Internet, sondern auch öffentliche Gebäude wie etwa Universitäten.
Geschlechtsbasierte Gewalt an Universitäten und Forschungseinrichtungen
Im Rahmen von „UniSAFE“ wurde im Jahr 2022 mit 42.186 Befragten (Mitarbeiter_innen und Studierende)die bisher größte Erhebung in Europa über geschlechtsbasierte Gewalt an Universitäten und Forschungseinrichtungen durchgeführt. Geschlechtsbasierte Gewalt umfasst dabei physische, psychische, ökonomische, sexuelle Gewalt sowie Gewalt im virtuellen Raum und sexuelle Belästigung. Die Ergebnisse waren erschreckend und zeigten Handlungsbedarf: 62 Prozent der Befragten haben mindestens eine Form von geschlechtsspezifischer Gewalt erlebt seit sie an ihrer Einrichtung arbeiten oder studieren. Und nur 13 Prozent der Fälle werden überhaupt gemeldet, 87 Prozent schweigen aus Angst vor negativen Konsequenzen und unzureichendem Schutz. Es handelt sich hierbei nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem an öffentlichen Universitäten und Forschungsreinrichtungen.
Auch die Österreichische Hochschüler_innenschaft führte eine österreichweite Studie an Universitäten zu sexualisierter Gewalt an Hochschulen durch und kam zu ähnlich erschreckenden Ergebnissen: Von 380.000 Studierenden wurden knapp 12 Prozent gemäß des GIGB §6 sexuell belästigt, zusätzlich sind 2,4 Prozent der Befragten von unerwünschten sexuellen Berührungen im Studienumfeld betroffen. Die meisten Betroffenen sind in beiden Fällen Frauen und TIN-Personen. Und auch hier zeigt sich: Mehr als 80 Prozent der Fälle werden nicht gemeldet. Der Schutz von Personen, die von Gewalt betroffen sind, muss dringend ausgebaut werden.
Die TU Wien handelt
Unter anderem aus diesem Grund wurde an der TU Wien Ende 2022 eine Arbeitsgruppe einberufen, die mit Expert_innenbegleitung intensiv zum Thema Strategieentwicklung gegen Sexismus und sexuelle Belästigung arbeitete. Daraus entstand ein umfangreicher Handlungsleitfaden (abrufbar unter www.tuwien.at/harassment, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster), es wurden Anlaufstellen definiert und spezifische Schulungen werden angeboten.
Zudem stellt die TU Wien themenspezifische E-Learnings zu sexueller Belästigung, Diversity und Gender Bias zur Verfügung: Die Abteilung Genderkompetenz bietet Schulungen sowie Inputs für Erstsemestrige an und sensibilisiert damit zur Thematik geschlechterbezogene Gewalt und sexuelle Belästigung.
Orange the World an der TU Wien
Aktionstag am 27.11.:
- 10.15 Uhr: Das Rektorat der TU Wien hisst die orange Flagge
- 9.00 – 12 Uhr: Windlicht-Aktion in der Aula des TUW-Hauptgebäudes
- 13 Uhr: Online-Vortrag der Journalistin Sara Hassan: „Grauzonen gibt es nicht – Muster sexueller Belästigung mit dem Red Flag System erkennen“. Sie spricht darüber, wie Betroffenen und Zeug_innen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz erkennen, wann Grenzen überschritten werden.
Die Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft an der TU Wien (HTU) organisiert folgende Veranstaltungen:
- 28.11. - 19:00 Uhr: Film„Feminism WTF“ + Bingo, HS14A Hauptgebäude
- 06.12. - 16:00 Uhr: Vortrag zum Thema Genderbasierte Gewalt, Vortragsraum Bibliothek, 5. Stock
- 07.12., ab 16.00 Uhr: Punschstand für Spenden an die QueerBaseund Verein TTF
Eines ist klar: Alle diese Maßnahmen und Aktionen sind ein Schritt auf einem langen Weg. Es müssen viele weitere Schritte folgen, um Gewalt gegen Mädchen, Frauen und TIN-Personen im öffentlichen Raum zu verhindern und die Öffentlichkeit und damit auch Universitäten zu sicheren Orten für alle zu machen.
* TIN-Personen: trans*, inter* und nichtbinäre Personen
Rückfragehinweis
Abteilung Genderkompetenz
Technische Universität Wien
T +43 1 58801 43400
genderkompetenz@tuwien.ac.at
Quellen:
- Lipinsky, A., Schredl, C., Baumann, H., Humbert, A., Tanwar, J. (2022). Gender-based violence and its consequences in European Academia, Summary results from the UniSAFE survey. Report, November 2022. UniSAFE project no.101006261.
- Bundesvertretung der Österreichische Hochschüler_innenschaft. 2022.Pressemappe. Ergebnisse der Umfrage zu sexualisierter Gewalt an Hochschulen.
- Theaterstück „Stop Femi(ni)zide – Aktion gegen systemische Morde“. 2023. Theaterkollektiv Hybrid.
- Femizide in Österreich: AÖF
Links
- Anlaufstellen für von sexueller Belästigung und Sexismus betroffene Personen: hier
- Abteilung Genderkompetenz der TU Wien: hier
- Sara Hassans Buch „Grauzonen gibt es nicht“ kann hier bestellt bzw. ist gratis zum Download erhältlich.