Presseaussendungen

Zweihundertfach bessere Katalysatoren durch Kohlenstoff

Wenn man Metall-Nanopartikel auf Kohlenstoff platziert, werden sie viel aktiver. Was man bisher nur aus Erfahrung vermutete, konnte nun an der TU Wien erstmals im Detail erklärt werden.

Silber Nanopartikel auf Kohlenstoff

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Ein winziger Nanopartikel aus Silber (spiegelnde Atome oben) auf einem Kohlenstoff-Träger. Besonders aktiv sind genau die Positionen des Grenzbereichs (farbige Markierungen).

Schema der chemischen Reaktion

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Silber-Nanopartikel auf Kohlenstoffuntergrund können Wasserstoffmoleküle zerlegen, die dann für weitere Hydrierungs-Reaktionen verwendet werden.

Edelmetalle spielen in der chemischen Industrie eine wichtige Rolle als Katalysatoren: Mit Hilfe von Silber, Platin, Palladium oder anderen Elementen kann man chemische Reaktionen ablaufen lassen, die sonst nicht oder nur mit viel geringerer Reaktionsrate voranschreiten würden. Oft setzt man diese Metalle in Form winziger Nanopartikel ein. Wie gut sie wirken, hängt allerdings auch vom Untergrund ab, auf dem sie platziert werden. Nanopartikel auf einer Kohlenstoff-Unterlage scheinen besonders gut zu funktionieren – der Grund dafür war lange Zeit unbekannt.

An der TU Wien gelang es nun aber erstmals, das Zusammenspiel von Metall-Nanopartikeln und Kohlenstoff-Untergrund präzise zu vermessen und zu erklären. Silber-Atome auf einem Kohlenstoff-Träger stellten sich dabei als zweihundertmal aktiver heraus als Atome in einem Stück reinem Silber. Entscheidend ist die Zone, in der das Silber in direkten Kontakt mit dem Kohlenstoff gerät, zeigen Computersimulationen. Mit Hilfe von Wasserstoff-Isotopenaustausch entwickelte man eine Methode, Katalysator-Träger schneller und einfacher auf ihre Effektivität zu testen.

Von „schwarzer Kunst“ zur Wissenschaft

„Der Einsatz von Kohlenstoff als Trägermaterial für die Katalyse hatte lange Zeit fast etwas Magisches“, sagt Prof. Günther Rupprechter vom Institut für Materialchemie der TU Wien. Die Herkunft des Kohlenstoffs stellte sich als wichtig heraus: Für manche Prozesse setzte man etwa Kohlenstoff ein, der aus Kokosnuss-Schalen, -Fasern oder speziellen Hölzern gewonnen wurde. Sogar in offiziellen Patentschriften sind solche „Rezepturen“ zu finden – dabei sollte die Herkunft chemischer Substanzen doch eigentlich relativ egal sein. „Es erschien immer ein bisschen wie schwarze Kunst“, sagt Günther Rupprechter.

Die Idee dahinter war, dass unterschiedliche Herstellungsmethoden zu minimalen chemischen oder physikalischen Unterschieden führen könnten: Vielleicht ordnet sich der Kohlenstoff je nach Herstellungsart auf unterschiedliche Weise an? Vielleicht enthält er Spuren anderer chemischer Elemente? Oder an der Oberfläche lagern sich funktionale Gruppen an – kleine molekulare Bausteine, die in die chemische Reaktion eingreifen?

„In der chemischen Industrie gibt man sich naturgemäß oft damit zufrieden, dass ein Prozess funktioniert und man ihn zuverlässig wiederholen kann“, sagt Rupprechter. „Wir wollten der Sache aber auf den Grund gehen und auf atomarer Ebene genau verstehen, was hier eigentlich vor sich geht.“ Neben Rupprechters Team war auch das das Zentrum für Elektronenmikroskopie der TU Wien (USTEM) und  die Universität Cádiz (Spanien) beteiligt.

Präzisionsmessungen in einem Mikroreaktor

Das Team stellte zunächst extrem präzise charakterisierbare Proben her: Silber-Nanopartikel bekannter Größe auf einem Kohlenstoff-Untergrund und eine dünne Silberfolie ohne Kohlenstoff.

Beide Proben wurden dann in einem chemischen Reaktor untersucht: „Silber kann eingesetzt werden, um Wasserstoff-Moleküle in einzelne Wasserstoff-Atome zu zerlegen“, erklärt Thomas Wicht, der Erstautor der Studie. „Dieser Wasserstoff kann dann zum Beispiel für die Hydrierungs-Reaktion von Ethen verwendet werden. In analoger Weise kann man aber auch ‚gewöhnliche‘ Wasserstoffmoleküle mit Molekülen aus schwerem Wasserstoff (Deuterium) mischen. Beide Moleküle werden dann durch das Silber dissoziiert und neu kombiniert.“ Je aktiver der Katalysator, umso häufiger kommt es zum Austausch der beiden Wasserstoff-Isotope. Daher kann man auf diese Weise sehr zuverlässig Auskunft über die Katalysatoraktivität erhalten.

Somit konnte nun erstmals der Aktivitäts-Unterschied zwischen Silberatomen mit und ohne Kohlenstoff-Träger genau quantifiziert werden – mit spektakulärem Ergebnis: „Pro Silberatom erreicht man durch den Kohlenstoff-Untergrund eine zweihundertfach höhere Aktivität“, sagt Thomas Wicht. „Das ist natürlich für industrielle Anwendungen sehr wichtig. Man braucht nur ein Zweihundertstel der Menge an teuren Edelmetallen, um dieselbe Wirkung zu erzielen – und das einfach, indem man vergleichsweise kostengünstigen Kohlenstoff dazu nimmt.“

Der spannende Effekt passiert genau an der Grenze

Alexander Genest aus dem TU Team führte entsprechende Computersimulationen durch, die die Aktivierung von Wasserstoff durch Silber Nanopartikel auf Kohlenstoff und reinem Silber vergleichen. Dadurch wurde klar: Entscheidend ist die Grenzregion zwischen Silberpartikel und Kohlenstoff-Träger. Genau dort, wo beide in Kontakt treten, ist die Katalysator-Wirkung am größten. „Es liegt also nicht an der Größe der Kohlenstoff-Oberfläche oder an irgendwelchen Fremdatomen oder funktionalen Gruppen. Eine extreme katalytische Wirkung tritt dann auf, wenn ein Molekül direkt an der Kontaktstelle sowohl mit einem Kohlenstoff- als auch mit einem Silberatom in Berührung kommt“, sagt Alexander Genest. Je größer dieser Bereich des direkten Kontakts, umso größer auch die Aktivität.

Durch diese Erkenntnis lassen sich nun auch unterschiedliche Kohlenstoff-Chargen aus unterschiedlichen Quellen recht einfach auf ihre Wirksamkeit überprüfen. „Jetzt, wo wir den Wirkungsmechanismus verstanden haben, wissen wir genau, worauf man achten muss“, sagt Günther Rupprechter. „Unser Experiment, bei dem wir die Katalysatoren einer Mischung aus gewöhnlichem und schwerem Wasserstoff aussetzen, ist relativ einfach durchzuführen und es gibt sehr verlässlich darüber Auskunft, ob diese Variante des Kohlenstoff-Trägers auch für andere chemische Reaktionen geeignet ist oder nicht.“ Die Abläufe auf atomarer Ebene erklären zu können soll nun also im industriellen Einsatz Zeit und Geld sparen und die Qualitätssicherung vereinfachen.

Gruppenfoto

Das TU Wien Team (v.l.n.r.): Günther Rupprechter, Andreas Steiger‑Thirsfeld, Michael Stöger‑Pollach, Alexander Genest, Thomas Wicht, Thomas Haunold.

Originalpublikation

Thomas Wicht, Alexander Genest, Lidia E. Chinchilla, Thomas Haunold, Andreas Steiger‑Thirsfeld, Michael Stöger‑Pollach, José J. Calvino, Günther Rupprechter: The role of interfacial hydrogen in ethylene hydrogenation on graphite supported Ag, Au, and Cu catalysts; ACS Catalysis, 14 (2024) 16905−16919 https://doi.org/10.1021/acscatal.4c05246, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Die Arbeiten wurden vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert [10.55776/I4434-N and 10.55776/COE5] (Single Atom Catalysis and Cluster of Excellence Materials for Energy Conversion and Storage, MECS).

Kontakt:

Prof. Günther Rupprechter
Institut für Materialchemie
Technische Universität Wien
+43 1 58801 165100
guenther.rupprechter@tuwien.ac.at
X: @Rupprechter_Lab

Aussender:
Dr. Florian Aigner
PR und Marketing
Technische Universität Wien
+43 664 60588 4127
florian.aigner@tuwien.ac.at