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Wie werden gute Metalle schlecht?

Ein Rätsel aus der Festkörperphysik konnte nun mit neuen Messungen gelöst werden: Wie kommt es, dass sich bestimmte Metalle scheinbar nicht an die gültigen Regeln halten?

Wissenschaftler füllt flüssigen Stickstoff in ein Versuchsgerät

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Optische Experimente an der TU Wien – auf Augenhöhe mit dem Stephansdom

Kabel und Elektronik in Inneren des Geräts

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Innenleben des optischen Spektrometers

Unter einem Metall kann sich jeder etwas vorstellen: Wir denken an feste, unzerbrechliche Objekte, die elektrischen Strom leiten und einen typischen metallischen Glanz zeigen. Das Verhalten klassischer Metalle, etwa ihre elektrische Leitfähigkeit, lässt sich mit wohlbekannten, gut erprobten physikalischen Theorien erklären.

Aber es gibt auch exotischere metallische Verbindungen, die Rätsel aufgeben: Manche Legierungen sind hart und spröde, spezielle Metalloxide können durchsichtig sein. Es gibt sogar Materialien genau an der Grenze zwischen Metall und Isolator: Durch winzige Änderungen der chemischen Zusammensetzung wird das Metall zum Isolator – oder umgekehrt. Dabei treten metallische Zustände mit extrem schlechter elektrischer Leitfähigkeit auf, man spricht von „schlechten Metallen“. Bisher schien es, als könne man diese „schlechten Metalle“ mit herkömmlichen Theorien einfach nicht erklären. Neue Messungen zeigen nun: So „schlecht“ sind diese Metalle gar nicht. Wenn man genau hinsieht, passt ihr Verhalten durchaus zu dem, was man schon bisher über Metalle wusste.

Kleine Änderung, großer Unterschied

Prof. Andrej Pustogow forscht mit seiner Arbeitsgruppe am Institut für Festkörperphysik der TU Wien an speziellen metallischen Materialien – es handelt sich um kleine, speziell im Labor gezüchtete Kristalle. „Diese Kristalle können die Eigenschaften eines Metalls annehmen, doch wenn man die Zusammensetzung minimal variiert, haben wir es plötzlich mit einem Isolator zu tun, der keinen Strom mehr leitet und bei bestimmten Frequenzen durchsichtig ist wie Glas“, sagt Pustogow.

Direkt an diesem Übergang stößt man auf ein ungewöhnliches Phänomen: Der elektrische Widerstand des Metalls wird extrem groß – und zwar größer, als es nach üblichen Theorien überhaupt möglich sein dürfte. „Elektrischer Widerstand hat damit zu tun, dass die Elektronen an einander oder an den Atomen des Materials gestreut werden“, erklärt Andrej Pustogow. Nach dieser Betrachtungsweise müsste der größtmögliche elektrische Widerstand gemessen werden, wenn das Elektron auf seinem Weg durch das Material an jedem einzelnen Atom gestreut wird – zwischen einem Atom und seinem Nachbarn befindet sich schließlich nichts, woran das Elektron aus seiner Bahn geworfen werden könnte. Doch bei sogenannten „schlechten Metallen“ scheint diese Regel nicht zu gelten: Sie zeigen einen noch deutlich höheren Widerstand als dieses Modell erlauben würde.

Auf die Frequenz kommt es an

Der Schlüssel zur Lösung dieses Rätsels ist, dass die Materialeigenschaften frequenzabhängig sind. „Wenn man den elektrischen Widerstand bloß misst, indem man eine Gleichspannung anlegt, bekommt man nur eine einzige Zahl – den Widerstand für die Frequenz 0“, sagt Andrej Pustogow. „Wir haben hingegen optische Messungen durchgeführt und dafür Lichtwellen mit ganz unterschiedlichen Frequenzen verwendet.“

Dabei zeigte sich, dass die „schlechten Metalle“ so „schlecht“ gar nicht sind: Bei niedrigen Frequenzen leiten sie zwar kaum Strom, aber bei höheren Frequenzen verhalten sie sich so, wie man das von Metallen erwarten würde. Das Forschungsteam nennt als eine mögliche Ursache winzige Mengen an Verunreinigungen oder Fehlstellen im Material, welche von einem Metall an der Grenze zu einem Isolator nicht mehr ausreichend abgeschirmt werden können. Diese Defekte können dazu führen, dass manche Bereiche des Kristalls keinen Strom mehr leiten, weil dort die Elektronen an einem bestimmten Ort lokalisiert bleiben anstatt sich weiterzubewegen. Wenn man an das Material eine Gleichspannung anlegt, sodass die Elektronen von einer Seite des Kristalls zur anderen wandern können, dann trifft praktisch jedes Elektron irgendwann eine solche isolierende Region, und Strom kann kaum fließen.

Bei hoher Wechselstromfrequenz hingegen bewegt sich jedes Elektron ununterbrochen hin und her – es legt im Kristall keinen weiten Weg zurück, weil es immer wieder die Richtung ändert. Das bedeutet, dass in diesem Fall viele Elektronen gar nicht in Kontakt mit einer der isolierenden Regionen im Kristall kommen.

Hoffnung auf wichtige weitere Schritte

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass optische Spektroskopie ein sehr wichtiges Werkzeug ist, um fundamentale Fragen der Festkörperphysik zu beantworten“, sagt Andrej Pustogow. „Viele Beobachtungen, für die man bisher glaubte, exotische, neuartige Modelle entwickeln zu müssen, könnten sich sehr wohl mit bekannten Theorien erklären lassen, wenn man diese adäquat ergänzt. Unsere Messmethode zeigt, wo die Ergänzungen notwendig sind.“ Bereits in früheren Studien konnte Prof. Pustogow mit seinen internationalen Kolleg_innen mittels spektroskopischen Methoden wichtigen Einblick in den Grenzbereich zwischen Metall und Isolator erlangen und damit ein Fundament für die Theorie schaffen.

Das metallische Verhalten von Materialien, in denen starke Korrelationen zwischen den Elektronen herrschen, ist auch besonders relevant für die sogenannte „unkonventionelle Supraleitung“ – ein Phänomen, das vor einem halben Jahrhundert entdeckt wurde, aber bis heute nicht vollständig verstanden ist.


Originalpublikation

Rise and fall of Landau’s quasiparticles while approaching the Mott transition Andrej Pustogow et al., Nature Communications 12, 1571 (2021); DOI: 10.1038/s41467-021-21741-z , öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Kontakt

Ass. Prof. Dr. Andrej Pustogow
Institut für Festkörperphysik
Technische Universität Wien
+43 1 58801 13128
pustogow@ifp.tuwien.ac.at
www.ifp.tuwien.ac.at/forschung/pustogow-research/home, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Aussender:
Dr. Florian Aigner
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