Presseaussendungen

Verblüffender Effekt ermöglicht bessere Palladium Katalysatoren

Normalerweise haben Atome in der Chemie nur Einfluss auf ihre unmittelbare Nachbarschaft. An der TU Wien entdeckte man nun einen Effekt mit erstaunlich langer Reichweite, der Fahrzeugkatalysatoren effektiver machen kann.

Katalysatorprobe

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Einblick in die Ultrahochvakuumkammer (Katalysatorprobe in der Mitte)

Porträtfotos von acht Menschen

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Team (v.l.n.r.): oben: Yuri Suchorski, Sergey M. Kozlov, Ivan Bespalov, Martin Datler. unten: Diana Vogel, Zuzana Budinska, Konstantin M. Neyman, Günther Rupprechter

3D-Abbildung und Modellzeichnung eines Pd-ZrO2 Katalysators. Die entscheidende Grenzfläche/-linie ist im Modell farblich (grün) markiert.

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3D-Abbildung und Modellzeichnung eines Pd-ZrO2 Katalysators. Die entscheidende Grenzfläche/-linie ist im Modell farblich (grün) markiert.

Einblick in die Ultrahochvakuumkammer (Katalysatorprobe in der Mitte) und „in situ“ PEEM Bild einer CO Reaktionsfront.

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Einblick in die Ultrahochvakuumkammer (Katalysatorprobe in der Mitte) und „in situ“ PEEM Bild einer CO Reaktionsfront.

Wie die Schokoladenglasur einer Torte schmeckt, sollte nicht davon abhängen, ob man sie auf einem Porzellan- oder einem Silberteller serviert. Auch für chemische Reaktionen auf der Oberfläche von großen Edelmetall-Partikeln sollte der Untergrund (der sogenannte Träger) eigentlich keine Rolle spielen. Die Partikel haben oft einen Durchmesser von vielen tausenden Atomen, und somit sollte das Material, auf dem sie aufliegen, für die chemischen Reaktionen auf der weit entfernten Oberseite der Partikel keine große Bedeutung haben – so dachte man zumindest bisher.

Doch Untersuchungen an der TU Wien brachten nun ein überraschendes Ergebnis: Die chemischen Vorgänge auf Palladium-Körnchen, wie man sie auch für Abgaskatalysatoren verwendet, ändern sich erstaunlicherweise sehr deutlich, wenn man sie auf bestimmte Trägermaterialien platziert – auch wenn diese Oberflächen für die chemische Reaktion selbst fast gar keine Rolle spielen. Diese Erkenntnis wurde nun im Fachjournal „Nature Materials“ publiziert.

Giftiges Kohlenmonoxid
In Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor muss giftiges Kohlenmonoxid (CO) in Kohlendioxid (CO2) umgewandelt werden. Das geschieht mit Hilfe eines Katalysators aus Palladium- oder Platinpulver. „Wir untersuchen die chemischen Reaktionen auf den Pulverkörnern, wie sie auch oft in der Industrie zur Katalyse eingesetzt werden“, sagt Prof. Günther Rupprechter vom Institut für Materialchemie der TU Wien. „Die Körner haben einen Durchmesser in der Größenordnung bis zu 200 Mikrometern – für Nanotechnologie-Verhältnisse ist das bereits sehr groß, man kann sie schon fast mit freiem Auge erkennen.“

Wenn die Oberfläche der Pulverkörnchen mit Sauerstoffatomen bedeckt ist, können CO-Moleküle mit den Sauerstoffatomen reagieren, aus CO-Molekülen wird CO2 und in der Sauerstoffschicht bleiben Lücken zurück. Diese Lücken sollen rasch von anderen Sauerstoff-Atomen nachbesetzt werden. Problematisch wird es, wenn CO-Moleküle anstatt von Sauerstoff diese Lücken ausfüllen. Geschieht das in großem Ausmaß, sodass das Pulverkorn schließlich nicht mehr von einer Sauerstoffschicht, sondern mit einer CO-Schicht bedeckt ist, kann kein CO2 mehr gebildet werden. Man spricht dann von der „Kohlenmonoxid-Vergiftung“ des Katalysators, die katalytische Wirkung erlischt.

Der Untergrund beeinflusst das ganze Korn
Ob und wann das geschieht, hängt von der CO-Konzentration im Abgas ab, das dem Katalysator zugefügt wird. Doch wie Experimente zeigen, ist auch entscheidend, auf welcher Unterlage die Palladium-Körnchen aufgebracht sind. „Wenn die Körnchen auf einer Oberfläche aus Zirkoniumoxid oder Magnesiumoxid sitzen, dann kommt es erst bei viel höheren Kohlenmonoxid-Konzentrationen zur Katalysator-Vergiftung“, sagt Prof. Yuri Suchorski, der Erstautor der Studie. Das ist für so große Palladium-Körnchen auf den ersten Blick äußerst seltsam: Warum sollte die Beschaffenheit des Trägers eine Auswirkung darauf haben, welche chemischen Reaktionen auf der Oberfläche des gesamten Metallkorns ablaufen? Warum sollte die Kontaktfläche zwischen Palladium-Korn und Untergrund, die nur wenige Zehntel Nanometer dick ist, das Verhalten von Palladium Körnern beeinflussen, die hunderttausendmal größer sind?

Lösen konnte man dieses Rätsel schließlich mit Hilfe des speziellen Photoemissionselektronenmikroskops am Institut für Materialchemie der TU Wien. Mit diesem Gerät kann man den räumlichen Verlauf einer katalytischen Reaktion in Echtzeit abbilden. „Wir konnten so ganz deutlich erkennen, dass die Kohlenmonoxid-Vergiftung immer am Rand eines Körnchens beginnt – genau dort, wo es auf dem Träger aufliegt“, erklärt Prof. Yuri Suchorski. „Von dort aus breitet sich dann die ,Kohlenmonoxid-Vergiftung'  wie eine Tsunami-Welle über das ganze Körnchen aus.“

Am Rand kann das Kohlenmonoxid am besten attackieren
Dass diese Welle genau dort ihren Ausgang nimmt, hat hauptsächlich geometrische Gründe: Die Sauerstoffatome am Körnchen-Rand haben weniger Sauerstoffatome als Nachbarn. Wenn sich dort eine freie Stelle auftut, ist es daher für ein CO-Molekül leichter, sich festzusetzen als irgendwo mitten auf der freien Fläche, wo ringsherum weitere Sauerstoffmoleküle mit dem CO-Molekül reagieren könnten. Außerdem können freigewordene Stellen am Rand auch nicht so einfach von anderen Sauerstoffatomen nachbesetzt werden, denn Sauerstoffatome kommen immer zu zweit, als O2-Molekül. Sie brauchen daher zwei nebeneinander liegende freie Plätze um eine freigewordene Lücke füllen zu können, und dafür findet sich ganz am Rand nicht so leicht Platz.

Der Rand, wo das Körnchen direkten Kontakt mit dem Untergrund hat, ist also eine strategisch entscheidende Stelle – und genau dort ist der Träger in der Lage, die Eigenschaften des Metallkorns zu beeinflussen: „Berechnungen unserer Kooperationspartner von der Universität Barcelona zeigen, dass die Bindung zwischen den Metallatomen des Körnchens und der schützenden Sauerstoffschicht genau am Auflage-Rand verstärkt ist“, sagt Prof. Günther Rupprechter. Die Palladium-Atome in direktem Kontakt mit dem Trägeroxid können den Sauerstoff also besser festhalten.

Man könnte meinen, das sei für die weit entfernte Oberseite des Körnchens egal, denn der Untergrund kann nur die am Rand liegenden Atome energetisch beeinflussen – und das sind nur sehr wenige, gemessen an der Gesamtzahl der Atome im Palladium-Korn. Doch weil die Kohlenmonoxid-Vergiftung genau an dieser Stelle beginnt, hat dieser kleine Effekt eine große strategische Bedeutung. Der Auflage-Rand ist gewissermaßen die Schwachstelle des Korns – und wenn diese Schwachstelle verstärkt wird, weil die katalytische Fähigkeit der Metallatome genau dort von der Unterlage positiv beeinflusst wird, kann man das ganze mikrometergroße Katalysator-Körnchen vor der Kohlenmonoxid-Vergiftung schützen.

„Schon heute werden verschiedene Oxidträger in Katalysatoren eingesetzt, doch über ihre exakte Rolle während der Katalyse im Hinblick auf die CO-Vergiftung gab es bisher nur indirekte Hinweise“, sagt Prof. Günther Rupprechter. „Mit unseren Methoden wird der Ablauf des Prozesses und sein wellenartiger langreichweiter Effekt erstmals direkt sichtbar, und das gibt uns ganz neue Möglichkeiten, Katalysatoren zu verbessern.“
 
Die Arbeiten wurden im Rahmen des vom FWF geförderten Spezialforschungsbereichs (SFB) FOXSI und in Kooperation mit der Universität Barcelona (Spanien) durchgeführt.


Originalpublikation: Surchorski et al., The role of metal/oxide interfaces for long-range metal particle activation during CO oxidation, Nature Materials, 2018, DOI: 10.1038/s41563-018-0080-y

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Zum Nachlesen:Mehr über die chemischen Wellen auf Katalysatoroberflächen, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster


Kontakt:
Prof. Günther Rupprechter
Institut für Materialchemie
Technische Universität Wien
T: +43-1-58801-165100
guenther.rupprechter@tuwien.ac.at

Prof. Yuri Suchorski
Institut für Materialchemie
Technische Universität Wien
T: +43-1-58801-165106
yuri.suchorski@tuwien.ac.at

Aussender:
Dr. Florian Aigner
Technische Universität Wien
PR und Marketing
Resselgasse 3, 1040 Wien
T: +43-1-58801-41027
florian.aigner@tuwien.ac.at