Seit 1964 werden an der TU Wien Sub Auspiciis-Promotionen gefeiert. Bis im Jahr 2022 wurden insgesamt 182 Absolvent_innen der TU Wien mit dieser Auszeichnung geehrt, die meisten im Vergleich mit anderen Hochschulen.
Am 7. Dezember wurden im Kuppelsaal der TU Wien zum_zur „Doktor_in der Technischen Wissenschaften“ bzw. zum „Doktor der Naturwissenschaften“
promoviert:
Michael Innerberger
Dissertation: Reliable goal oriented adaptive FEM
Fakultät für Mathematik und Geoinformation
Dissertationsbetreuer: Dirk Praetorius
Lucas Kletzander
Dissertation: Automated Solution Methods for Complex Real-life Personnel Scheduling Problems
Fakultät für Informatik
Dissertationsbetreuer: Nysret Musliu
Josef Leutgeb
Dissertation: Holographic QCD and the Anomalous Magnetic Moment of the Muon
Fakultät für Physik
Dissertationsbetreuer: Anton Rebhan
Elisabeth Renner
Dissertation: Commissioning of the new CERN PS booster charge exchange injection system: Optimising and automating transverse phase space painting
Fakultät für Physik
Dissertationsbetreuer: Michael Benedikt
Christoph Schattauer
Dissertation: Defects in two-dimensional crystals
Fakultät für Physik
Dissertationsbetreuer: Florian Libisch
Michael Herbert Spiegel
Dissertation: Advanced resilience-oriented control of multi-microgrids
Fakultät für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften
Dissertationsbetreuer: Thomas Strasser
Michael Tschiedel
Dissertation: Patient-prosthesis interaction: Control through the healthy leg
Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik
Dissertationsbetreuer: Eugenijus Kaniusas
Michael Innerberger
Der geborene Salzburger entschied sich nach seiner AHS-Matura sowohl für ein Bachelorstudium der Technischen Mathematik als auch der Technischen Physik. Das Mathematik-Studium führte er als Masterstudium weiter und schloss mit der Dissertation „Reliable goal oriented adaptive FEM“ ab. Während seines Studiums genoss er Forschungsaufenthalte im In- und Ausland und ist seit 2018 am Institut für Analysis und Scientific Computing, Arbeitsgruppe Numerik von PDE als Projektassistent tätig.
In seiner Dissertation beschäftigte sich Innerberger mit zielorientierten adaptiven Finite Elemente Methoden (engl. goal oriented adaptive finite element methods, GOAFEMs), einer computerbasierten Simulationsmethode. In Simulationen für technische Anwendungen interessiert man sich häufig nur für einen bestimmten, kleinen Teil der gesamten Berechnung, beispielsweise welche Kräfte an der Befestigung eines Bauteils wirken. Für eine akkurate Simulation im interessanten Bereich müssen allerdings die Kräfte am gesamten Bauteil mit hinreichender Präzision berechnet werden. GOAFEMs steuern über eine adaptive Feedback-Schleife die Präzision der Berechnungen im Bauteil, sodass nur so viel berechnet wird, wie man für den eigentlich interessanten Teil der Simulation benötigt. „Als Mathematiker entwickeln wir Algorithmen für GOAFEMs und beweisen, dass diese optimal sind, also den relevanten Teil der Simulation mit größtmöglicher Präzision berechnen, dabei aber möglichst wenig Rechenressourcen benötigen“, so Innerberger.
Innerberger sagte zu seiner Auszeichnung: „Zum einen freut es mich besonders, dass mir als dem ersten in meiner Familie, der einen höheren Bildungsabschluss erreicht hat, diese Ehre zuteilwird. Auch wenn es mir oft nicht leichtgefallen ist, meinen Eltern zu erklären, wofür ich „noch mehr“ studiere, haben sie mich immer in diesem Vorhaben unterstützt.
Zum anderen war mein Ziel in Schule und Studium nie, ausschließlich gute Noten zu haben. Vielmehr habe ich immer versucht, das Gelernte bestmöglich zu verstehen und in einen größeren Kontext einzubetten, wofür die unzähligen Diskussionen mit meinen Studienkollegen äußerst wertvoll waren. In unserem prüfungsbasierten Bildungssystem ist das oft nicht der schnellste und einfachste Weg, einen Abschluss zu erhalten. Daher sehe ich diese Auszeichnung auch als eine Bestätigung dafür an, dass dieser Weg, der das Verstehen in den Vordergrund stellt, der richtige ist; ein Weg, den ich momentan als Scientific Software Engineer am HHMI Janelia Research Campus in den USA weitergehen darf.“
Lucas Kletzander
Der Niederösterreicher entschied sich nach dem Gymnasium für ein Informatikstudium an der TU Wien, das er 2022 abschloss. Seit 2017 arbeitet Kletzander als Projektassistent beim Christian Doppler Labor for Artificial lntelligence and Optimization in Planning and Scheduling.
Kletzanders Dissertation beschäftigt sich mit dem Thema Personalzeitplanung. Darin müssen unterschiedliche Bedarfsstrukturen abgedeckt werden, während viele Regeln aus Gesetzen, Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen berücksichtigt werden müssen. Das Ziel von Kletzanders Arbeit ist nicht nur ein effizienter Plan, sondern ebenso die Berücksichtigung von ergonomischen Faktoren sowie Mitarbeitergesundheit und -zufriedenheit. In der Dissertation beschäftigte er sich mit mehreren komplexen Personalplanungsproblemen dieser Art und entwickelte nicht nur spezialisierte Methoden für einzelne Problemstellungen, sondern allgemein anwendbare Lösungsmethoden, die leicht auf veränderte Problemstellungen übertragen werden können. Mittels verstärkendem Lernen können kleine algorithmische Bausteine automatisiert zu einer passenden Lösungsmethode zusammengesetzt werden, die hochqualitative Ergebnisse für verschiedene Anwendungen liefert.
„Ich freue mich sehr und bin stolz, dass ich diese besondere Auszeichnung erreicht habe, weil diese wirklich einen krönenden Abschluss für die gesamte Schul- und Studienzeit darstellt. Ich bin allen Personen dankbar, die mich auf dem Weg hierher begleitet und motiviert haben: meinen Eltern, Familienmitgliedern und Freund_innen, Lehrer_innen und Professor_innen, Kolleg_innen und meinem Doktorvater. Mir gefällt das gemeinsame Streben nach Erkenntnissen in der Wissenschaft und ich sehe diese Auszeichnung auch als Ansporn, weiterhin mein Bestes zu geben und den Stand der Technik auf eine verantwortungsvolle Art voranzubringen, von der die betroffenen Menschen profitieren.“, fasst Kletzander seine Freude über die Auszeichnung in Worte.
Josef Leutgeb
Nach seinem Schulabschluss entschied sich der Niederösterreicher Josef Leutgeb für ein Studium an der TU Wien im Fach Physik und schloss dieses 2022 ab. Leutgeb ist Autor zahlreicher Publikationen und gab sein Fachwissen bereits als Tutor während seines Studiums weiter.
In seiner Dissertation "Holographic QCD and the Anomalous Magnetic Moment of the Muon" hat Leutgeb die spannende Suche nach möglicherweise neuer Physik durch die Analyse eines einzigartigen Teilchens, des Myons, verfolgt. Myonen sind den Elektronen ähnlich, aber durch ihr höheres Gewicht weisen sie besondere Eigenschaften auf. Sein Hauptaugenmerk lag auf den Unstimmigkeiten zwischen den Ergebnissen des Fermilab-Experiments und den Vorhersagen des Standardmodells, der aktuell umfassendsten Theorie in der Physik. Um herauszufinden, ob diese Diskrepanz tatsächlich ein Hinweis auf neue physikalische Phänomene ist, ist es entscheidend, die Genauigkeit der Standardmodell-Vorhersagen zu verbessern. Ein Schlüsselelement dabei ist die Untersuchung der Licht-an-Licht-Streuung, die durch Hadronen vermittelt wird. „In meiner Forschung habe ich eine Theorie-Dualität genutzt, die es ermöglicht, die starke Wechselwirkung in der Sprache der Gravitationstheorie zu interpretieren. Dadurch konnte ich unter anderem die wichtige Rolle von Axialvektormesonen zeigen und trug so zu einem tieferen Verständnis dieser komplexen Prozesse bei“, so Josef Leutgeb.
Leutgeb zu seiner Ehrung: „Für mich ist die Sub Auspiciis Promotion weit mehr als nur eine Auszeichnung; sie ist eine Anerkennung einer Reise, die von unermüdlichem Einsatz, Leidenschaft für die Forschung und einem stetigen Streben nach Exzellenz geprägt war. Es ist eine Ehre, die nicht nur meine persönlichen Anstrengungen widerspiegelt, sondern auch die Unterstützung und Förderung, die ich von meinen akademischen Betreuern, Kollegen und meiner Familie erfahren habe, und sie motiviert mich auch, meine zukünftigen Ziele mit dem gleichen Eifer und derselben Hingabe zu verfolgen.“
Elisabeth Renner
Die Wienerin Elisabeth Renner entschied nach der Matura für ein Physik-Studium an der TU Wien, das sie Ende 2022 abschloss. Im Rahmen des Erasmus-Programms verbrachte sie während ihres Bachelorstudiums sechs Monate in Granada (Spanien). Bereits 2017 wurde Renner mit dem Diplomarbeitspreis der Stadt Wien ausgezeichnet.
Im Zuge ihrer Dissertation hat Renner über das „Austrian Doctoral Student Program“ am CERN gearbeitet, wo sie sich mit neuen Methoden zur Maximierung von Intensität und Brillanz von Teilchenstrahlen beschäftigt hat. Viele Experimente an Teilchenbeschleunigern benötigen einen Strahl mit höherer Intensität und/oder Brillanz für zukünftige Studien. Dies fordert die Beschleunigerphysik heraus, da die maximale Brillanz eines Strahls unter anderem durch Raumladungseffekte limitiert ist. Ein tiefes Verständnis der Strahldynamik ist erforderlich, um neue Strahlmanipulationstechniken zur Brillanzsteigerung zu entwickeln. Renner zu ihrer Forschung: „In meiner Dissertation habe ich eine Kombination aus numerischen Simulationen, Messungen und maschinellem Lernen angewandt, um die Teilchenverteilung im Phasenraum dahingehend zu optimieren, dass Raumladungskräfte minimiert werden und folgend die Intensität von Teilchenstrahlen am CERN erhöht werden kann.“
Renner freut sich über diese Auszeichnung und beschreibt es als: „unerwartetes „Zuckerl“ am Ende meiner Studienzeit“. Und weiter: „Ich bin immer mit Neugierde und dem Bedürfnis nach Verständnis an neue Themen herangegangen und es ist schön, dass diese Herangehensweise honoriert wird. Außerdem generieren Anerkennung wie diese Aufmerksamkeit für Forschung in der Öffentlichkeit, wofür ich sehr dankbar bin. Als PostDoc freue ich mich zusätzlich besonders über das mit der Auszeichnung verbundene Exzellenzstipendium für wissenschaftliche- und Weiterbildungsaktivitäten.“
Christoph Schattauer
Nach der Matura am TGM entschied sich der Wiener Christoph Schattauer für ein Physik-Studium an der TU Wien, das er 2023 abschloss. Seit Mai 2023 führt er seine Forschungen als PostDoc am Institut für Theoretische Physik fort.
In seiner Dissertation beschäftigte sich Schattauer mit Festkörperphysik in sogenannten zweidimensionalen Materialien. Dabei wurden Multiskalenphänomene im Hinblick auf elektronische und optische Eigenschaften untersucht. In enger Zusammenarbeit mit experimentellen Gruppen hat Schattauer versucht neueste Messergebnisse mit theoretischen Modellen zu erklären. Der Fokus lag dabei auf Fehlstellen in den Kristallgittern dieser Materialen, die sich kaum vermeiden lassen. In diesem Zusammenhang wurden Modelle verschiedener Komplexität vereint, um den Einfluss dieser atomar kleinen Fehler auf „große“ (aus experimenteller Sicht) Strukturen zu verstehen. Die so beschriebenen experimentellen Aufbauten dienen als Grundlagenforschung um in Zukunft die 2D-Materialien als Grundstoff für effizientere und leistungsfähigere elektronische Bauteile (computer chips) nutzen zu können.
„Die Auszeichnung bedeutet mir sehr viel und ich habe mich sehr gefreut! Ich war zwar schon immer sehr intrinsisch motiviert, alle Dinge die ich angehe so gut als möglich zu machen. Dass man dann aber für langjährige Mühen ein so besonderes Abschlussfest bekommt, an dem Familie und Freunde teilhaben können, ist wirklich schön!“, freut sich Schattauer über seine Sub Auspiciis Auszeichnung.
Michael Herbert Spiegel
Michael Herbert Spiegel stammt aus Wien. Nach Abschluss der HTL Rennweg studierte er Informatik im Bachelor- und Master (bis 2018). Anschließend nahm er ein Doktoratsstudium an der Fakultät für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften in Kooperation mit dem AIT, bei dem er auch bis 2022 angestellt war, auf. Er ist Autor zahlreicher Publikationen und arbeitete während seines Studiums als Tutor an der Fakultät für Informatik und in verschiedenen Bereichen am Austrian Institute of Technology (AIT). Im Rahmen seiner Anstellung am AIT schrieb er seine Dissertation.
Spiegels Dissertation befasst sich mit dem effizienten und zuverlässigen Betrieb von Stromnetzen mit einem hohen Anteil an volatiler, erneuerbarer Erzeugung wie PV oder Windkraft. Aufbauend auf dem Konzept der sogenannten Microgrids und Multi-Microgrids, welche im Fehlerfall eine vom übergeordneten Stromnetz unabhängige Energieversorgung sicherstellen können, wurden neuartige Algorithmen zum optimalen, vorausschauenden Betrieb dieser Netze entwickelt. Die umfassende Validierung der Algorithmen zeigt, dass selbst auf einem speziell konzipierten Testsystem mit hohem Anteil an fluktuierenden Energiequellen eine deutliche Steigerung der Zuverlässigkeit im Vergleich zu konventionellen Systemen möglich ist.
„Zum einen bin ich sehr dankbar für all die Unterstützung, die es mit erlaubt hat, meiner Begeisterung nachzugehen, den Bildungsweg einzuschlagen und schlussendlich diesen Abschluss zu erlangen. Zum anderen sehe ich die Auszeichnung als besonderen Ansporn, die exzellente Ausbildung zu nutzen und die dringend notwendige Transformation hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung, Wirtschaft und Gesellschaft tatkräftig mitzugestalten“, fasst Spiegel in Worte, was ihm die Auszeichnung bedeutet.
Michael Tschiedel
Der Wiener Michael Tschiedel entschied sich nach der Matura am TGM für ein Studium der Elektrotechnik an der TU Wien, das er 2022 abschloss. Während seines Studiums organisierte er drei Jahre die Summer School am TGM und unterstütze darüber hinaus die Schule viele Jahre als Technical Consultant. Seit 2018 arbeitet er bei Otto Bock, eines Unternehmens, das Produkte in den Bereichen Prothesen, Orthesen, Rollstühle und Mobilität anbietet.
In Kooperation mit dem Gesundheitsprodukte-Hersteller entwickelte Tschiedel in seiner Dissertation ein System, welches die Patienten-Prothesen-Interaktion nachhaltig verbessert. Konkret erfassen neuartige Umgebungssensoren, welche direkt in der Knieprothese integriert sind, den Zustand des gesunden Beins und erweitern dadurch die Steuermöglichkeiten. Der Grundgedanke der Arbeit ist, dass die Anwender_innen die Prothesen steuern und nicht umgekehrt. Im Zuge der klinischen Studie konnte eindrucksvoll gezeigt werden, dass das Gehen für Anwender_innen viel harmonischer wird und vor physiologischen Schäden schützt. Im nächsten Schritt gilt es das System noch weiter zu entwickeln; bis in eine mögliche Serienherstellung wird es aber sicherlich noch etliche Jahre dauern.
Für Tschiedel bedeutet „die Promotion unter den Auspizien des Bundespräsidenten eine gesellschaftliche Würdigung und große Anerkennung meiner akademischen Leistungen. Tatsächlich habe ich es nie darauf angelegt, „Sub Auspiciis“ zu promovieren, sondern vielmehr immer die Möglichkeiten gehabt, die Dinge zu tun, wofür ich mich intrinsisch motivieren konnte. In der Analogie des Sportes ist es daher mehr ein Marathon als ein Sprint und bekanntlich gehört eine große Leidenschaft dazu, um über lange Zeiten den Fokus nicht zu verlieren. In diesem Sinne bin ich sehr dankbar dafür, dass ich ein entsprechendes Umfeld und Team hatte, die es mir ermöglicht haben, meinen Interessen zu folgen und dadurch diese hervorragenden Leistungen zu erbringen.“