Winzige Chips, die Licht mit ganz bestimmten Eigenschaften erzeugen können – danach herrscht in vielen technischen Bereichen großer Bedarf. Besonders Licht im unsichtbaren Infrarot-Bereich wird für viele Anwendungen benötigt, etwa für Datenübertragung, oder auch für chemische Sensoren, die zum Beispiel im Umweltmonitoring oder in der Medizin eingesetzt werden.
Besonders intensiv wurde seit Jahren nach kompakten Lichtquellen gesucht, die ganz präzise, wiederkehrende Signale liefern können. Eine solche Lichtquelle wurde nun an der TU Wien entwickelt – und zwar auf eine völlig neue Weise: Man verwendet spezielle Mikrochips, um sogenannte Solitonen zu erzeugen, ganz spezielle Wellen, die ihre Form im Lauf der Zeit nicht verändern. In einem winzigen runden Mini-Laser lässt man diese Solitonen im Kreis laufen, bei jedem Umlauf wird dann exakt dasselbe Lichtsignal aus dem Laser hinausgefeuert. Man erzeugt dadurch ein exakt definiertes periodisches Signal.
Um das zu erreichen, musste man zuerst die nötige Lasertheorie entwickeln – mit einer Formel, die dafür eigentlich ursprünglich gar nicht gedacht war. Die Ergebnisse der von der TU Wien geleiteten internationalen Studie wurden nun im Fachjournal „Nature“ publiziert. Mitgewirkt haben Forschende an der Harvard University, Politecnico di Torino, Massachusetts Institute of Technology, Universidade de Lisboa, Università e Politecnico di Bari und der Università dell’Insubria.
Solitonen – Wellen mit gleichbleibender Form
Meistens ändern Wellen im Lauf der Zeit ihre Form. Wenn man etwa einen schweren Stein ins Wasser wirft, dann entsteht zunächst an einem ganz bestimmten Punkt eine sehr ausgeprägte Welle, sie zerfließt dann aber, breitet sich aus und wird abgeschwächt, bis sie verschwunden ist. „Solitonen allerdings sind Wellen, die sich bei der Ausbreitung nicht verändern und ihre Form im Lauf der Zeit stabil beibehalten“, erklärt Benedikt Schwarz, der Leiter des Forschungsprojekts.
Dieses Phänomen ist grundsätzlich schon lange bekannt: Erstmals beschrieben wurde es 1834 vom schottischen Forscher Scott Russell, der zu seinem großen Erstaunen in einem Wasserkanal eine einzelne Welle beobachtete, die ihre Form unerschütterlich beibehielt, während er auf seinem Pferd neben dem Kanal dahinritt. Auch Sand in der Wüste kann solche Solitonen-artigen Wellen bilden – wenn Sanddünen vom Wind vor sich hergetrieben werden und sogar nach einer Kollision mit anderen Sanddünen wieder dieselbe Form haben wie zuvor.
„Auch in der Lasertechnologie ist diese Formstabilität von Solitonen ein großer Vorteil“, sagt Florian Pilat. „Allerdings konnte man Solitonen aus Laserlichtwellen bisher nur mit recht komplizierten Versuchsaufbauten erzeugen. Wir machen das jetzt mit einer Technik, die sich miniaturisieren lässt, und die man daher auch in großen Stückzahlen industriell einsetzen kann.“
Kreis mit Abzweigung
Man stellte einen winzigen Ring her, in dem man mit Hilfe von elektrischem Strom ein Laserlicht-Soliton erzeugen kann, das dann stabil im Kreis läuft. Allerdings ist in diesem Ring auch eine Abzweigung eingebaut: „Bei jedem Umlauf wird ein Teil des Lichts in einen anderen, geradlinigen Wellenleiter ausgekoppelt und verlässt den Laser“, erklärt Florian Pilat.
Dadurch entsteht ein Energieverlust, der ausgeglichen werden muss. „Es gab Versuche anderer Forschungsgruppen, zu diesem Zweck einen anderen Laser von außen einzukoppeln, um das abgegebene Licht laufend nachzuliefern“, sagt Benedikt Schwarz. „Das ist aber kompliziert. Man muss für das passende Timing sorgen, und außerdem ist das System nicht mehr so leicht miniaturisierbar, wenn man einen solchen Zusatzlaser ins System einbauen muss.“
Das Team griff daher zu einer anderen Strategie: Man stellte die Mikrostruktur aus einem optisch aktiven Material her, wie man es auch für die Herstellung von Halbleiterlasern verwendet: Elektrische Energie wird zugeführt und vom Material in Lichtenergie umgewandelt. Dadurch kann man erreichen, dass das im Kreis laufende Soliton völlig konstant bleibt, obwohl auf jeder Runde ein Lichtsignal nach außen dringt.
Komplizierte theoretische Forschung
„Ob das funktionieren kann, war aus theoretischer Sicht zunächst überhaupt nicht klar – weil es die nötige Lasertheorie für so ein System einfach noch nicht gab“, sagt Benedikt Schwarz. „Uns war es wichtig, nicht nur eine Solitonen-Lichtquelle herzustellen, sondern auch mathematisch exakt erklären zu können, warum und wie sie funktioniert.“
Bei den Recherchen stieß man schließlich auf die sogenannte komplexe Ginsburg-Landau-Formel. Sie wurde eigentlich entwickelt, um ganz andere physikalische Phänomene zu beschreiben. Man setzt sie etwa für die Theorie der Supraleitung ein, für Bose-Einstein-Kondensate oder die Berechnung von Phasenübergängen. „Das Konzept ist aber so allgemein, dass man zeigen kann, dass es auch für unsere Lasertechnologie zutrifft“, sagt Nikola Opačak. „Mithilfe der Ginsburg-Landau-Theorie ist es uns gelungen, eine präzise mathematische Beschreibung der Licht-Solitonen in unserer Mikrostruktur zu entwickeln. Wir haben somit nicht nur experimentell bewiesen, dass unsere Technologie funktioniert, wir können sie auch auf theoretischer Ebene erklären und weiterverbessern.“
Solitonenlaser für chemische Sensoren
Gewöhnliche Laser produzieren Licht mit einer exakt definierten Farbe – einer einzigen ganz bestimmten Wellenlänge. Bei den Solitonenlasern ist das anders: Ihre Lichtpulse setzen sich aus vielen unterschiedlichen Wellenlängen im Infrarotbereich zusammen. Genau das macht sie zur optimalen Lichtquelle für chemische Sensorik. Mit Hilfe der vielen Wellenlängen kann man etwa eine Probe auf viele verschiedene Inhaltsstoffe untersuchen. Jede Substanz interagiert auf ganz charakteristische Weise mit Infrarotstrahlung, daher ist geplant in einem nächsten Schritt, mit Solitonenlasern eine „künstliche Nase“ zu bauen, die viele Substanzen gleichzeitig „erschnüffelt“ – etwa um Umweltschadstoffe zu detektieren, oder auch für medizinischen Untersuchungen.
Bisher benötigte man dafür relativ große und komplizierte Systeme. Mit den neuartigen Solitonenlasern kann das nun auf viel einfachere Art gelingen, sodass man solche Technologien auch in kleine, kompakte Messgeräte einbauen kann.
Originalpublikation
Rückfragehinweis
Prof. Benedikt Schwarz
Institut für Festkörperelektronik
Technische Universität Wien
+43 1 58801 36214
benedikt.schwarz@tuwien.ac.at
Dipl.-Ing. Florian Pilat
Institut für Festkörperelektronik
Technische Universität Wien
+43 1 58801 36215
florian.pilat@tuwien.ac.at