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Zwei Sorten künstlicher Intelligenz werden vereint

Viele Jahre lang gab es im Bereich künstlicher Intelligenz zwei technisch völlig unterschiedliche Ansätze. Im Exzellenzcluster „Bilateral AI“ werden sie nun kombiniert.

ein künstliches Gehirn mit Kabeln und Anschlüssen

Große Durchbrüche im Bereich der künstlichen Intelligenz (AI) kamen in den letzten Jahren von Firmen wie OpenAI, mit gewaltigem Budget und extrem leistungsfähigen Serverfarmen. Das bedeutet aber nicht, dass akademische Forschung abseits privater Firmen deshalb weniger wichtig geworden wäre – im Gegenteil. Gerade in Österreich gibt es wichtige Forschungsfortschritte, die zur Grundlage neuer Generationen von künstlicher Intelligenz werden sollen. 

Der Exzellenzcluster „Bilateral AI“, finanziert vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, hat seine Arbeit aufgenommen. Geleitet wird der Cluster von der JKU Linz, die TU Wien spielt in diesem wissenschaftlichen Großprojekt eine wichtige Rolle. Die Grundidee des Projektes ist, zwei ganz unterschiedliche Bereiche der AI endlich miteinander zu vereinen: Die sogenannte „symbolische“ und die „sub-symbolische“ AI. So soll durch wichtige Forschungsfortschritte aus Österreich eine vielseitigere und zuverlässige AI möglich werden, die auch komplexe Probleme lösen kann. Dies und andere Aspekte der aktuellen KI-Forschung wurden zuletzt auch in der an der TU Wien ausgerichteten internationalen Tagung „A Paradigm Shift in Computer Science?“ diskutiert, wo Prof. Thomas Eiter (Institut für Logic and Computation, TU Wien) einer der Key-Notes gab.

Sub-symbolische AI: Je mehr Daten, umso besser!

„Die AI-Ansätze, die es heute gibt, können grob in zwei Kategorien eingeteilt werden“, erklärt Prof. Thomas Eiter. „Die sogenannte sub-symbolische AI basiert auf Erfahrungswerten – man hat große Datenmengen, die man statistisch auswertet oder mit denen man ein neuronales Netz trainiert, bis das System dann eigenständig die erlernten Muster auf neue Situationen anwenden kann.“

ChatGPT ist ein Beispiel für eine solche sub-symbolische AI, genauso wie gängige Bild-Generierungs-Tools. Dieser Bereich der AI hat in den letzten Jahren einen gewaltigen Aufschwung erlebt, doch die Grundideen dafür sind alt. „Schon der Computerpionier Alan Turing war der Meinung, dass Maschinen dazulernen sollen, anstatt bloß auf eine bestimmte Weise programmiert zu werden“, erklärt Thomas Eiter.

Inspiriert vom Gehirn

Sub-symbolische AI kann dem menschlichen Gehirn nachempfunden sein: Sogenannte neuronale Netzwerke ahmen in gewissem Sinn mathematisch die Struktur biologischer Nervensysteme nach. Im Gehirn sind Nervenzellen miteinander verbunden, wenn eine Zelle aktiv wird, schickt sie elektrochemische Signale an die dahinterliegenden Zellen. Die Stärke der Kopplung zwischen den Zellen ist variabel. Je nachdem kann eine Nervenzelle einen großen oder einen kleinen Einfluss auf die Aktivität anderer Zellen ausüben. Wenn wir etwas lernen, ändert sich die Stärke dieser Nervenverbindungen – das bedeutet, dass ein bestimmter Input nach dem Lernprozess auch einen anderen, besseren Output hervorruft. 

Dieses Konzept lässt sich am Computer nachahmen: Sub-symbolische AI wie etwa ChatGPT verwendet viele Milliarden von Parametern, die beim Training laufend angepasst werden – bis das System dann am Ende den gewünschten Output liefert.

Diese sub-symbolische AI ist äußerst vielseitig und anpassungsfähig. Sie hat aber auch entscheidende Nachteile: Erstens ist sie nicht zuverlässig – sie macht ab und zu haarsträubende Fehler. In kritischen Einsatzbereichen, etwa in der Medizin oder in der Luftraumüberwachung, würde man sich auf solche Systeme nicht verlassen wollen. Zweitens hat sub-symbolische AI nicht die Fähigkeit, ihre Entscheidungen klar zu begründen. Man bekommt zwar immer eine Antwort, aber wie die AI genau zu dieser Antwort gekommen ist, lässt sich nicht klar sagen. Die Antwort ist im subtilen und für Menschen letztlich undurchschaubaren Zusammenspiel aus Milliarden trainierten Parametern versteckt.

Symbolische AI: Logische Präzision

Es gibt aber auch noch eine andere Form von AI, die genau diese Schwächen ausgleichen kann – die symbolische AI. Dabei handelt es sich um eine künstliche Intelligenz, die mit Symbolen und klaren Regeln arbeitet. Ein Beispiel dafür ist ein Schachcomputer – er lernt nicht bloß durch Erfahrung, sondern er hat die Schach-Regeln fest einprogrammiert. Er wird nie einen Zug machen, der nach den Schach-Regeln nicht erlaubt ist. Auch Mathematik-Programme, die komplizierte Formeln umformen und Gleichungen lösen können, basieren auf symbolischer AI: Sie arbeiten mit klaren, für Menschen nachvollziehbaren Logik-Regeln. Man kann genau sagen, warum sie ein bestimmtes Ergebnis liefern und nicht ein anderes, sie werden jedes Mal genau dasselbe Ergebnis liefern, wenn man ihnen dieselbe Aufgabe stellt. 

„In symbolische AI fließt viel Grundlagenforschung aus dem Bereich der mathematischen Logik ein“, erklärt Agata Ciabattoni (Institut für Logic and Computation). „Man kann am Computer nicht nur Zahlen berechnen, sondern auch die logische Korrektheit von Aussagen prüfen – und dadurch beispielsweise mit absoluter mathematisch-logischer Zuverlässigkeit beweisen, dass eine bestimmte Software garantiert in allen möglichen Situationen das korrekte Ergebnis liefert, völlig unabhängig vom Input.“ Auch in exotischen Ausnahmefällen, in denen sub-symbolische AI vielleicht bloß raten könnte, kann symbolische AI immer noch präzise, nachvollziehbare Ergebnisse liefern. Antworten einer symbolischen AI lassen sich nachträglich analysieren und erklären.

Das Beste aus beiden Welten

„In unserem Exzellenzcluster werden diese beiden Arten von AI nun zusammengeführt“, sagt Agata Ciabattoni. „In Österreich gibt es viel Expertise auf diesem Gebiet, wir sind überzeugt davon, dass wir die AI-Forschung auf diese Weise entscheidend voranbringen können.“

Wie vielversprechend der Ansatz ist, symbolische und sub-symbolische AI miteinander zu verbinden, zeigte etwa auch der Chemie-Nobelpreis des Jahres 2024: Er wurde für die Entwicklung von „AlphaFold“ vergeben, einer Software, die durch eben diese Verknüpfung unterschiedlicher AI-Ansätze die Faltung von Proteinen korrekt vorhersagen kann. 

Im FWF Cluster of Excellence „Bilateral AI“ arbeiten Wissenschaftler*innen der JKU, TU Wien, WU Wien, TU Graz, Universität Klagenfurt und des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) zusammen. Insgesamt sind derzeit 46 Key Researcher im Projekt tätig, und es wurden bereits rund 40 PhDs und Postdocs aufgenommen. Das Projekt ist auf fünf Jahre angelegt und hat ein Gesamtvolumen von 33 Millionen Euro – 60% davon ist Förderung, der Rest ist Eigenleistung der Universitäten.

 

Zum Nachlesen:

A Paradigm Shift in Computer Science? Where We are, so far , öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Der Cluster of Excellence online:

bilateral-ai.net, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster