Eine aktuelle Arbeit des Interuniversitären Kooperationszentrums Wasser und Gesundheit, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster (ICC Water & Health) schafft weltweit erstmals die Möglichkeit kleinräumige, durch Binnenschiffe verursachte Abwasser- und Fäkalieneinträge in Fließgewässern präzise nachzuweisen. Dafür wurde eine neue integrative Methodik entwickelt. Der erste praktische Einsatz auf einem 230 km langen Streckenabschnitt der Donau belegte zum einen das hohe Eintragspotential der Binnenschifffahrt bei nicht ordnungsgemäßer Abwasserentsorgung, deutete zum anderen aber auch an, dass im Untersuchungszeitraum eine ordnungsgemäße Entsorgung erfolgte. Die in der Fachwelt viel beachtete Methodik wurde nun international mit allen Details veröffentlicht. Dies ermöglicht ihren Einsatz auch in anderen schiffbaren Gewässern der Welt.
In den letzten Jahren tauchten immer wieder stark emotional geprägte Vorwürfe auf, dass Flusskreuzfahrt-, Linien- und Frachtschiffe zu einem lokalen und starken Fäkalieneintrag in der Donau führen könnten. Ein Team um Prof. Andreas Farnleitner (TU Wien und KL Krems) machte sich daher mit Unterstützung des Landes Niederösterreich daran, das Eintragspotential aus dieser Quelle erstmals wissenschaftlich zu berechnen und gleichzeitig eine Methodik zu entwickeln, um das wahre Ausmaß präzise und mit hoher räumlicher Auflösung zu ermitteln. Als Ergebnis konnte nun eine weltweit einzigartige Methodik zur Abschätzung und Erfassung von Abwassereinträgen der Binnenschifffahrt vorgestellt werden. Konkret angewendet wurde diese dabei bereits an einem 230 km langen Streckenabschnitt, der sowohl die Wachau als auch Wien umfasste.
Zusammenfluss
Am von Prof. Farnleitner co-geleiteten ICC Water & Health, das aus Forschungsgruppen der TU Wien, der MedUni Wien, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster und der Karl Landsteiner Privatuniversität Krems, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster besteht, fließen die wissenschaftlichen Kompetenzen der gesundheits-bezogenen Wasserqualitätsanalyse in Österreich zusammen. An der TU sind hier das Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften sowie das Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie beteiligt. In diesem Projekt arbeitete das ICC Water & Health auch eng mit der Abteilung Wasserwirtschaft der Niederösterreichischen Landesregierung zusammen. „Unser integrativer Untersuchungsansatz“, erläutert Prof. Alfred Paul Blaschke, vormaliger stellvertretender Leiter des Kooperationszentrums und Co-Autor der Studie, „besteht aus drei Säulen: der theoretischen Abschätzung des Verschmutzungspotenzials, der genauen Bestimmung der Verschmutzung mittels Feldnachweisen und einer komplexen statistischen Analyse.“
Für die Abschätzung des Verschmutzungspotenzials werden alle möglichen Einträge von Fäkalindikatorbakterien (E. coli) innerhalb eines bestimmten Flussabschnittes (sogenanntes „Pollution Source Profiling“) berechnet. Dabei werden die theoretisch möglichen Einträge aus kommunalen Kläranlagen und aus der Binnenschifffahrt getrennt evaluiert. Grundlage dieser Berechnungen sind bekannte Größenordnungen für die Anzahl an relevanten Fäkalindikatorbakterien, die Menschen pro Tag ausscheiden (aus Einwohner_innen-, Tourist_innen-, Passagier_innen- und Besatzungszahlen ermittelt). Außerdem fließen Daten zur Klärleistung bestehender Anlagen in die Berechnungen mit ein. „Anschließend“, so Prof. Farnleitner, „haben wir zwei Szenarien ins Auge gefasst. Eines, in dem wir von einem sachgemäßen Abwassermanagement an Bord der Binnenschiffe ausgehen – also vorschriftsgemäße Entsorgung bzw. Reduzierung mikrobiologischer fäkaler Belastungen – und ein zweites, in dem wir das Gegenteil annehmen. Das heißt beispielsweise, dass die Abwässer auf Kreuzfahrtschiffen nicht geklärt werden und somit der Eintrag maximal ist.“
Tradition & Innovation
Der zweite Schritt der neuen Methodik umfasst umfangreiche Feldmessungen, um die tatsächliche Belastung mit Fäkalindikatorbakterien zu erfassen. Dabei setzte das Team sowohl auf die traditionell angewandte standardisierte Kultivierungsmethode als auch auf modernste molekulargenetische Methoden, die das Team um Prof. Farnleitner in den letzten Jahren maßgeblich mitentwickelt hat. Zusätzlich wurden zahlreiche chemische und physikalische Werte der jeweiligen Wasserproben ermittelt. Eine komplexe statistische Analyse bildete dann anschließend den letzten Schritt der neuen Methodik. In diese Analyse flossen dabei Unmengen an Satellitendaten (Automated Identification System, AIS) über Schiffsbewegungen im untersuchten Flussabschnitt ein. „In total, we analysed more than 400 million data entries tracking the exact position of the ships with a potential impact on the water quality in the respective river section”, erklärt Ahmad Ameen, Co-Erstautor der Studie am Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie. „Durch den Vergleich zwischen den beiden Szenarien aus dem ersten Schritt und den gemessenen Werten“, ergänzt Prof. Julia Derx, Co-Autorin am Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie sowie stellvertretende Leiterin des Kooperationszentrums, „konnten wir mit sehr hoher räumlicher und zeitlicher Genauigkeit Aussagen über die tatsächliche Belastung der Donau mit mikrobiologischen Fäkaleinträgen aus der Binnenschifffahrt tätigen. Im analysierten Zeitraum von März 2019 bis März 2020 konnten großflächig keine unsachgemäßen Einträge festgestellt werden.“ Für das Team deutet dies darauf hin, dass die Schifffahrt sich an eine vorschriftsmäßige Entsorgung hielt. Eine essenzielle Annahme, insbesondere wenn man das berechnete, hohe Eintragspotential – bei unsachgemäßer Entsorgung – berücksichtigt. Dieses lässt in jedem Fall ein regelmäßiges Monitoring der Wasserqualität für angeraten erscheinen.
Die Auswirkung moderner Abwassermanagementmethoden konnte das Team in den letzten Jahren auch in mehreren anderen und sehr umfassenden Analysen entlang des gesamten Flussverlaufs nachweisen (Joint Danube Survey). Dabei zeigte sich, dass sich die Belastung mit Fäkalindikatorbakterien in fast allen Bereichen der Donau – der weitestgehend durch EU-Staaten verläuft – in den letzten Jahrzehnten sehr verbessert hat. „Insgesamt hat sich die fäkale Belastung im Durchschnitt um 80 % in den letzten Jahren verringert“, sagt Prof. Alexander Kirschner vom Institut für Hygiene und Angewandte Immunologie der MedUni Wien und ergänzt: „Die große Ausnahme ist Serbien, wo nach wie vor die Abwässer ungeklärt in die Donau und ihre Zubringer rinnen. Die Übernahme von EU Standards durch einen hoffentlich zukünftigen EU-Beitritt des Landes würde die Situation auch in diesem Bereich verbessern.“
Originalpublikationen
Assessing the impact of inland navigation on the faecal pollution status of large rivers: A novel integrated field approach. S. D. Steinbacher, A. Ameen, K. Demeter, D. Lun, J. Derx, G. Lindner, R. Sommer. R. B. Linke, C. Kolm, K. Zuser, M. Heckel, A. Perschl, G. Blöschl, A. P. Blaschke, A. K. T. Kirschner, A. H. Farnleitner, Water Research 261 (2024). https://kris.kl.ac.at/de/publications/assessing-the-impact-of-inland-navigation-on-the-faecal-pollution, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
Long‑term impact of basin‑wide wastewater management on faecal pollution levels along the entire Danube River. A. K. T. Kirschner, I. Schachner‑Groehs, G. Kavka, E. Hoedl, A. Kovacs, A. H. Farnleitner. Environmental Science and Pollution Research (2024) 31:45697–45710. https://kris.kl.ac.at/de/publications/long-term-impact-of-basin-wide-wastewater-management-on-faecal-po, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
Rückfragehinweis
Prof. Andreas Farnleitner
Technische Universität Wien
Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften
Forschungsgruppe Mikrobiologie und Molekulare Diagnostik, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
andreas.farnleitner@tuwien.ac.at
www.waterandhealth.at, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
Prof. Julia Derx
Technische Universität Wien
Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie
Fachbereich Ingenieurhydrologie
julia.derx@tuwien.ac.at
Prof. Alfred Paul Blaschke
Technische Universität Wien
Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie
Fachbereich Ingenieurhydrologie
blaschke@hydro.tuwien.ac.at
Text: Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften
Über das ICC Water & Health
DasICC Water & Health (Deutsch: Interuniversitäres Kooperationszentrum Wasser und Gesundheit) ist eine Kooperation der Technischen Universität Wien, der Medizinischen Universität Wien und der Karl LandsteinerPrivatuniversität für Gesundheitswissenschaften (www.waterandhealth.at, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster). Das ICC W&H versteht sich als international sichtbar agierende wissenschaftliche Plattform und kompetenten Partner in Fragen der Wasserqualität und deren Auswirkung auf die menschliche Gesundheit. Das ICC W&H widmet sich der Entwicklung innovativer Konzepte zur Beurteilung der Wasserqualität, neuer mikrobiologischer und molekularbiologischer Methoden, der Wirksamkeitsprüfung physikalischer und chemischer Aufbereitungsmethoden sowie numerischer Modelle zur Abschätzung des Infektions- und Krankheitsrisikos bei der Wassernutzung. Die gewonnenen Erkenntnisse werden zur Ableitung effektiver und nachhaltiger Managementmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit verwendet. Das ICC wurde 2013 dank kompetitiver Forschungsförderungsmittel durch das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) nachhaltig an der TU Wien und MedUni Wien etabliert. Im Jahr 2017 wurde das ICC Water & Health um die Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften (KL) erweitert.