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Das Pensionssystem als Geldanlage

Wie kann man unser Pensionssystem langfristig absichern? An der TU Wien wurde ein Modell vorgeschlagen, bei dem sowohl der Staat als auch Versicherte profitieren können.

Sparschwein

Wenig rein - viel raus. Geht das?

Die Lebenserwartung steigt, ein immer größerer Anteil der Bevölkerung bezieht Pensionen, der Anteil der Berufstätigen geht zurück. Im Pensionssystem ergibt sich dadurch eine Lücke: Die Ausgaben übersteigen die Einnahmen deutlich.

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, mit diesem Problem umzugehen: Der Staat kann die Lücke aus anderen Einnahmen schließen, oder man setzt auf das Ansparen von Kapital, das dann im Pensionsalter eine monatliche Rendite abwirft. An der TU Wien wurde ein anderes Modell entwickelt und versicherungsmathematisch analysiert: Der Staat schließt die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben, dafür müssen Versicherte aber zusätzlich Kapital in einem Fonds anlegen. So könnte sich für die Versicherten ein kleiner zusätzlicher Gewinn ergeben, und gleichzeitig könnte der Staat seine Kosten decken.

Wachsende Pensionslücken

„In Österreich werden die Pensionen über ein sogenanntes Umlageverfahren finanziert“, erklärt Prof. Julia Eisenberg, Versicherungsmathematikerin am Institut für Stochastik und Wirtschaftsmathematik der TU Wien. „Das bedeutet: Die aktuellen Einnahmen aus den Pensionsversicherungsbeiträgen werden sofort für aktuelle Pensionszahlungen ausgegeben.“ Sind die Ausgaben höher als die Einnahmen, muss der Staat Geld zuschießen. In Österreich steigt diese Summe derzeit Jahr für Jahr: Zählt man Beamtenpensionen dazu, kommt man 2024 auf einen Betrag von rund 30 Milliarden Euro an Pensionszahlungen. Das ist fast ein Viertel des Bundesbudgets.

Eine andere Möglichkeit wäre ein Anlagesystem, in dem die Versicherten in ein persönliches Konto einzahlen, dort Kapital ansparen, das bis zum Pensionsantritt dann im Optimalfall so kräftig gewachsen ist, dass daraus dann eine lebenslange Rente bezahlt werden kann. Die Höhe dieser Rente ergibt sich aus der Höhe des Kapitals und der Lebenserwartung zum Zeitpunkt des Pensionsantritts: Je höher die Lebenserwartung, umso geringer der Betrag, der ausbezahlt werden kann, wenn das System kostendeckend bleiben soll.

Das zweite Modell ist nachhaltiger – allerdings ist es schwierig, ein Umlagesystem in ein Anlagemodell umzuwandeln. Denn dann müsste es eine Übergangsfrist geben, in der Versicherte doppelt belastet würden: Einerseits müssten sie noch durch ihre Steuern die anfallenden Zuschüsse finanzieren, gleichzeitig müssten sie aber bereits in ihr eigenes Anlagekonto einzahlen. An der TU Wien suchte man daher nach einer Kompromisslösung, die für alle Beteiligten Vorteile bringt.

Der Staat gleich aus, die Versicherten investieren

„Wir haben ein gemischtes System analysiert, das beide Ansätze miteinander verbindet“, sagt Julia Eisenberg. „Die Grundidee ist: Der Staat schließt weiterhin Jahr für Jahr die Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen, aber als Gegenleistung verpflichten sich die Versicherten, eine bestimmte Summe in einen Fonds einzuzahlen.“ Diese Zahlungen werden so berechnet, dass aus den Erträgen des Fonds die notwendigen staatlichen Zuschüsse zum Pensionssystem finanziert werden können, und zusätzlich auch noch ein Gewinn für die Versicherten übrigbleibt – zumindest im statistischen Mittel.

„Absolute Sicherheit lässt sich versicherungsmathematisch nicht garantieren“, sagt Julia Eisenberg. Die Versicherten tragen ein gewisses Risiko, weil sie Kapital in einem Fonds anlegen, der Staat trägt gleichzeitig das Risiko, dass die Gewinne aus dem Fonds manchmal möglicherweise nicht ausreichen, um die Pensionen zu zahlen. „Man kann aber mathematisch untersuchen, wie man das System aufsetzen muss, damit die Erfolgswahrscheinlichkeit möglichst hoch ist“, sagt Julia Eisenberg.

Man kann dabei mehrere Parameter anpassen: Wie viel Geld soll regelmäßig in den Fonds investiert werden? Soll der Versicherte dem Staat zu einem vordefinierten Zeitpunkt die gesamte Summe zurückzahlen, die der Staat inzwischen für das Schließen der Pensionslücke ausgelegt hat? Oder wird kontinuierlich vom Ertrag des Fonds immer ein bisschen Geld an den Staat abgegeben – etwa, wenn die Kapitalerträge ein bestimmtes Niveau übersteigen? Und vor allem: Wie viel Geld sollen die Versicherten regelmäßig in den Fonds investieren?

Damit die Rechnung aufgeht, müssten die Versicherten deutlich mehr Geld aufwenden als bisher – allerdings wäre dann eben ein großer Teil dieses Geldes keine Versicherungsleistung, sondern Kapital, das den Versicherten weiterhin gehört. Das Pensionssystem wird somit gewissermaßen zur Geldanlage.

„Das Ziel dieses Forschungsvorhabens war in erster Linie zur Diskussionsbasis über nachhaltige Renten beizutragen und keinesfalls eine fertige Lösung zu präsentieren“, sagt Julia Eisenberg. „Entscheidungen, die mehrere Generationen betreffen, müssen in möglichst breiter Öffentlichkeit diskutiert werden, auch damit die ganz jungen Menschen auf die Gefahren wie Altersarmut oder den Gender Pension Gap aufmerksam gemacht werden.“

Portraitfoto

Prof. Julia Eisenberg

Rückfragehinweis

Prof. Julia Eisenberg
Institut für Stochastik und Wirtschaftsmathematik
Technische Universität Wien
+43 1 58801 - 105 177
jeisenbe@fam.tuwien.ac.at