Testen, testen, testen! Das ist eine der wichtigsten Strategien im Kampf gegen das neue Coronavirus SARS-CoV-2. Aber wie funktioniert das eigentlich? Viel ist derzeit von der PCR-Technik die Rede, der „Polymerase-Kettenreaktion“. Dabei handelt es sich um ein Verfahren zum Vervielfältigen von DNA.
Auch an der TU Wien wird diese Technik genutzt: „Am Zentrum für Wasser und Gesundheit verwenden wir das PCR-Verfahren, unter anderem, um Wasserproben auf Spuren fäkaler Verunreinigungen zu testen“, sagt Rita Linke. „Die PCR-Technik spielt heute in vielen Bereichen der Molekularbiologie und Medizin eine wichtige Rolle – unter anderem auch zur Durchführung von Coronavirus-Tests.“
Der DNA auf der Spur
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Menschen auf Viren zu untersuchen. Wenn man etwa im Blut bestimmte Antikörper findet, kann man daraus schließen, dass die Person mit dem Virus in Kontakt gekommen ist. Doch bis das Immunsystem Antikörper produziert, vergeht eine Weile. Zuverlässiger ist es daher, nach dem Virus selbst zu suchen – oder genauer: Nach einem ganz bestimmten charakteristischen Abschnitt seiner Erbsubstanz, durch den man den Virus eindeutig identifizieren kann. Weil sich in einer Probe normalerweise nur eine recht kleine Menge dieser Erbsubstanz finden lässt, muss man sie zunächst vervielfältigen, um sie nachweisen zu können, und genau das leistet die PCR-Methode.
„Zu Beginn müssen wir die Probe bearbeiten, sodass die DNA-Stränge freiliegen“, erklärt Rita Linke. „Wenn man etwa nach Bakterien sucht, muss man zunächst die Zellen aufbrechen und die DNA herausholen.“ Bei Viren ist das relativ einfach: Coronaviren haben eine Hülle, die sich leicht zerstören lässt, und direkt darunter befindet sich das Erbmaterial des Virus.
Allerdings haben Coronaviren keine DNA, sondern RNA. Der wichtigste Unterschied ist, dass DNA eine Doppelhelix bildet – wie eine gewundene Strickleiter. Zwischen den beiden Strängen, die das „Rückgrat“ der DNA bilden, befinden sich Querverbindungen – die „Sprossen“ der Leiter. Jede Sprosse dieser Leiter besteht aus einem Basenpaar. Das Erbgut des Coronavirus hingegen besteht aus einem einzelnen RNA Strang und sieht aus wie ein halbes DNA-Molekül: Es hat nur einen Rückgrat-Strang, an dem einzelne Basen angelagert sind. „Ein solcher RNA-Strang lässt sich allerdings in einen DNA-Strang umschreiben. Das gelingt mit einem Enzym namens Reverse Transkriptase“, erklärt Rita Linke.
Auftrennen, markieren, kopieren
Sobald die DNA frei in der Probe vorliegt, kann man mit dem PCR-Verfahren beginnen: Im ersten Schritt wird die Probe auf ca. 95° C erhitzt. Dadurch wird der Doppelstrang der DNA geöffnet, ähnlich wie ein Reißverschluss, und man bekommt zwei komplementäre Hälften. Danach muss der DNA-Abschnitt markiert werden, der vervielfältigt werden soll. „Dafür verwendet man sogenannte Primer“, erklärt Rita Linke. „Diese Primer sind dafür maßgeschneidert, sich an einen ganz bestimmten Abschnitt des Stranges zu setzen. Sie markieren damit den Punkt am DNA-Strang, an dem die Vervielfältigung beginnen soll.“
Nun kommt die eigentliche Hauptfigur des ganzen Prozesses ins Spiel: Die Polymerase. Sie ist ein Enzym, das die aufgetrennte DNA-Hälfte wieder zu einer ganzen DNA-Doppelhelix ergänzen kann. Die Polymerase dockt dort an, wo der Primer sitzt und beginnt genau dort zu arbeiten. Rundherum „schwimmen“ die molekularen Bausteine herum, die zum Ergänzen der DNA-Doppelhelix gebraucht werden, die Polymerase sorgt dafür, dass sie an ihren Platz finden, Base für Base. Dieser Prozess läuft sehr schnell ab: Ungefähr tausend Basen pro Minute kann die Polymerase abarbeiten.
An der gegenüberliegenden Hälfte des DNA-Stranges passiert genau dasselbe – allerdings in umgekehrter Richtung. Dort dockt ein anderer Primer an, der nicht den Anfang, sondern das Ende des Abschnitts markiert, der vervielfältigt werden soll. Auch dort dockt die Polymerase an und beginnt zu arbeiten – allerdings von hinten nach vorne. „An beiden Stranghälften arbeitet sich die Polymerase Base für Base weiter. Vorgegeben wird an beiden Seiten der Startpunkt, nicht der Endpunkt. Die Polymerase darf ruhig ein bisschen über das Ziel hinausschießen – aber nur der Bereich, den wir ausgewählt haben und wirklich vervielfältigen wollen, wird auf beiden Seiten, an beiden Stranghälften vervielfältigt“, erklärt Rita Linke.
Entscheidend ist, dass nach diesem Schritt wieder zwei vollständige DNA-Stränge vorliegen – und nun geht der Zyklus von vorne los: Die Probe wird wieder erhitzt um die DNA-Stränge aufzutrennen, wieder lagern sich die Primer-Moleküle an und wieder macht die Polymerase ihre Arbeit – und nun liegen bereits vier DNA-Stränge vor. Im optimalen Fall verdoppelt sich die Menge der DNA-Stränge in jedem Schritt. Die gewünschte DNA-Sequenz vermehrt sich exponentiell. „Typischerweise führt man ungefähr 30 bis 40 solche Zyklen durch“, sagt Rita Linke.
Der Nachweis
Am Ende, nach ausreichend vielen PCR-Zyklen, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die gewünschte DNA-Sequenz war am Anfang tatsächlich in der Probe vorhanden, dann wurde sie exponentiell vervielfältigt und liegt nun in großer Zahl vor und lässt sich nachweisen – oder in der Probe kam diese DNA-Sequenz nicht vor, dann ist sie nun noch immer nicht da. Bei der klassischen PCR erfolgt der abschließende Nachweis dann in einem weiteren Arbeitsschritt.
Für den Nachweis des Coronavirus wird dagegen eine moderne Form der PCR, die Echt-Zeit-PCR, eingesetzt. Bei dieser Form der PCR kann die Reaktion durch die Zugabe von Fluoreszenzfarbstoffen in Echtzeit mitverfolgt werden. Das auftretende Fluoreszenz-Signal korreliert mit der Menge an gebildetem PCR-Produkt. Diese Methode hat den Vorteil, dass das Ergebnis ohne weiteren Arbeitsschritt sofort sichtbar ist. Dadurch wird die Wartezeit auf das Ergebnis weiter verkürzt. Wichtig dabei ist natürlich der Einsatz von Kontrollen um die gewonnenen Ergebnisse abzusichern.
Eine Methode mit vielen Vorteilen
Die PCR-Methode hat mehrere wichtige Vorteile: Sie ermöglicht einen direkten Nachweis des Virus anhand seiner Erbsubstanz, man benötigt nur eine sehr geringe Menge an Material, um es nachzuweisen, und das Verfahren ist relativ rasch, meist dauert es nur wenige Stunden.
Auch die Kosten solcher Tests sind überschaubar: „Die Reagentien, die man dafür benötigt, werden heute industriell hergestellt“, sagt Linke.
Aufgrund seiner vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten ist die PCR-Technologie zu einem beliebten Standardverfahren für viele Forschungsbereiche geworden. Das bedeutet allerdings nicht, dass jedes Labor, das über PCR-Maschinen verfügt, nun sinnvollerweise auch Coronaviren-Tests durchführen kann. „Ganz so einfach ist das nicht“, sagt Rita Linke. „Aus gutem Grund gibt es da genaue Vorschriften: Nicht in jedem Labor darf mit Krankheitserregern gearbeitet werden. Da sind ganz bestimmte Sicherheitsvorkehrungen nötig. Und auch wenn die Methode heute ein Standardverfahren ist – man braucht trotzdem geschultes Personal.“
Außerdem bestehen im medizinischen Bereich besonders hohe Anforderungen an die Qualität. Diese stellen sicher, dass die überprüften Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen verlässlich und sicher sind, und mit den Vorgaben entsprechender Normen, Richtlinien und Gesetze konform sind. Dazu braucht es akkreditierte Prüfverfahren, die nicht überall zur Verfügung stehen.