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Die „Agency for better living“ – Österreichs Beitrag zur Architekturbiennale 2025

TUW-Professor Michael Obrist, Sabine Pollak und Lorenzo Romito sind die Kurator_innen des Österreichischen Pavillons auf der 19. Architekturbiennale in Venedig. Ihre „Agency for better living“ beschäftigt sich mit der dringlichen Frage nach besserem Wohnen und Leben.

Gruppenbild mit fünf Personen in Blau, grau und schwarz gekleidet. Sie stehen vor einer Ziegelwand mit weißen Fenstern.

© BMKÖS/HBF/Daniel TRIPPOLT

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Zeichnung des Österreich-Pavillons auf der Architekturbiennale: rot mit schwarzer Schrift "AGENCY FOR BETTER LIVING"

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Das österreichische Siegerprojekt für die 19. Architekturbiennale 2025 in Venedig steht fest: Die „Agency for better living“ des Kurator_innenteams bestehend aus Michael Obrist, TUW-Professorfür Wohnbau und Entwerfen an der Fakultät für Architektur und Raumplanung, Sabine Pollak und Lorenzo Romito. Sie beschäftigten sich darin mit einer der dringlichsten europäischen und internationalen Fragen: Wohnen. „Es geht jedoch nicht nur um Leistbarkeit im Wohnen, sondern insgesamt um die Frage, wie ein zukünftiges besseres Leben aussehen könnte. Ein ,Learning from‘ von bewährten Systemen wie von dem sozialen Wiener Wohnungsbau wie auch von selbst organisierten Projekten der Zivilgesellschaft kann unserer Meinung nach helfen, die Antworten zu finden", so die Kurator_innen.

Wohnen betrifft uns alle

„Die Frage nach leistbarem Wohnen ist in einer Zeit multipler globaler Krisen längst eine der dringlichsten europäischen als auch internationalen Fragen geworden. Das wollen wir im österreichischen Pavillon auf der Biennale 2025 in Venedig zeigen“, so die Kurator_innen. Akute globale Wohnfragen sollen in der „Agency for better living“ beantwortet werden: als Synthese von Top-down (Erfolgsmodell des Sozialen Wohnbaus Wiens) und Bottom-up (Selbstorganisationsmodelle der Zivilgesellschaft) anhand konkreter Architekturen und Erforschung der jeweiligen Systeme. Für die Realisierung steht seitens des Bundes ein Gesamtbudget von bis zu 600.000 Euro zur Verfügung.

Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer beschrieb den Beitrag  als Projekt mit starkem Wien-Bezug, geht es doch auf der einen Seite um ,Sozialen Wohnbau‘, also um leistbares Wohnen, und andererseits um Wiederver­wendung von verlassenen Gebäuden, Bauruinen und Ex-Infrastrukturen anhand von Beispielen im Gastgeberland Italien, konkret in Rom.“

Agency for better living – das Konzept

Wien hat die Wohnfrage seit jeher nicht als rein funktionale Frage, sondern als gesellschaftlich-emanzipatorische Frage verstanden. Der österreichische Biennale-Beitrag startet von diesem globalen Interesse am österreichischen Modell und etabliert sich als eine Agentur für besseres Wohnen und Leben. Es werden zwei parallele „mythische“ Geschichten erzählt, mit zwei gegensätzlichen Ansätzen, wie wir in Zukunft zusammenwohnen wollen: die Geschichte des erfolgreichen staatlich bzw. städtisch organisierten Top-down-Modells, dargestellt anhand von hundert Jahren sozialer Wohnbauplanung in Wien. Und die Geschichte des informellen Wohnens, des Bottom-up-Modells, unter Wiederverwendung von Bauruinen, verlassenen Gebäuden und Ex-Infrastrukturen, exemplarisch dargestellt in der Ewigen Stadt Rom im Gastgeberland Italien, in der sich wie in einem Laboratorium die großen Verdrängungsmechanismen der Gegenwart genauso manifestieren wie auch der Widerstand.

Im Pavillon werden vier „Wohn-Settings“ gebaut: Die Open-Air-Empfangshalle, das natürliche Salzwasser-Pool mit einem Rundum-Deck im Hof, ein Wohnzimmer mit gekurvten Wänden für Filmprojektionen und das Küchen-Laboratorium zur Herstellung neuer „Rezepte“ für ein besseres Wohnen und Leben. Das Setting bildet den Rahmen für ein choreografiertes Ritual für alle: Ankommen, Abkühlen, Entspannen, Lernen und Teilen. Ausgangspunkt für alle ist der Pool. Am Pool hält man sich gerne auf, frischt seine Vorstellungen vom Wohnen und Leben auf und setzt sich mit Strategien und Erfahrungen auseinander. Der „Pool“-Faktor ist auch ein Mittel, um die Aufmerksamkeit und die Zeit der sich immer in Eile befindlichen Besucher_innen der Biennale zu gewinnen. In der „Agency for Better Living“ werden die Besucher_innen zu autonomen Agent_innen der Agentur.

Die Jurybegründung

Der Fachjury gehörten Claudia Cavallar, Angelika Fitz, Eva Guttmann, Henrieta Moravčíková und Michael Zinganel an. Sie begründeten ihre Auswahl damit, dass die Kurator_innen sich seit vielen Jahren mit Fragen des Wohnens auseinandersetzen: in Kritik, Lehre, Praxis und Aktivismus. Ihr Beitrag erinnere daran, dass Wohnen eine der zentralen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen ist und bleibt und dass Österreich ein besonderer Wissensraum für gemeinschaftlichen Wohnbau ist – von der seit mehr als hundert Jahren anhaltenden Weitsicht des Sozialen Wohnbaus in Wien über gemeinschaftliche Experimente am Land bis hin zu aktuellen Baugruppen.
Der Beitrag vereine eine kritische Selbstreflexion und eine Parallellektüre mit ikonischen Projekten des Gastgeberlands Italien und schäle anhand von spezifischen Parametern Grundelemente für ein besseres Wohnen heraus.

Der Pavillon lädt die Welt ein, in den Wissensraum des österreichischen Wohnbaus zu treten und diesen gemeinsam zu erweitern.

 

Das Kurator_innenteam

Sabine Pollak, geboren in Graz, ist Architektin, Lehrende, Forschende und Autorin. Sie unterrichtet als Professorin für raum&designSTRATEGIEN an der Kunstuniversität Linz und führt mit Roland Köb das Architekturbüro Köb&Pollak Architektur in Wien.
1996 Doktorat und 2004 Habilitation für das Fach Wohnbau an der TU Wien. Sabine Pollak arbeitet theoretisch (Bücher, Essays, ein laufender Urbanismus-Blog im Standard), lehrt experimentelle Architektur, Geschichte des Wohnbaus und Architekturtheorie, forscht zu den Themen Wohnen und Feminismus, Gemeinschaft und Urbanismus und arbeitet mit ihrem Büro als Expertin für gemeinschaftlichen Wohnbau in Wien. Sabine Pollak war Gastprofessorin an der University of Ann Arbor, Michigan, am Politecnico di Milano, an der Akademie der Bildenden Künste Wien und an der Bauhaus Universität Weimar. Von 2015 bis 2019 war sie Vizerektorin für Internationales und Genderfragen an der Kunstuniversität Linz und leitet dort aktuell das PhD-Researchboard. Sabine Pollak stand an der Kunstuniversität Linz seit 2009 der Abteilung Architektur | Urbanistik vor und hat dort 2021 die Abteilung raum&designSTRATEGIEN übernommen, gemeinsam mit Lorenzo Romito, Giulia Mazzorin und Andrea Curtoni. Sie kuratierte und realisierte zahlreiche Ausstellungen und Symposien, nahm an Festivals teil und realisierte transdisziplinäre Projekte. Architekturprojekte des Büros Köb&Pollak Architektur erhielten zahlreiche Preise und wurden vielfach publiziert und ausgestellt.

Michael Obrist, geboren in Bozen, ist einer der fünf Gründungspartner von feld72 Architekten in Wien und Universitätsprofessor an der Technischen Universität in Wien.
Er ist seit 2018 als Professor für Wohnbau und Entwerfen der Inhaber des Lehrstuhls und Leiter der Forschungsabteilung für Wohnbau und Entwerfen an der TU Wien. Dort war er auch maßgeblich am Aufbau des interdisziplinären Centre for New Social Housing beteiligt, das gemeinsam von der TU Wien und der Internationalen Bauausstellung IBA Wien 2022 initiiert wurde.
Michael Obrist war Gastprofessor am Politecnico di Milano und an der Kunstuniversität Linz.
Er hatte Lehraufträge an der TU Graz, der TU Wien, der Kunstuniversität Linz und an der Bergen School of Architecture in Norwegen. Er war Leiter der Masterclass „(Art in) Public Space“ an der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg, einer Masterclass an der Architectural Association Visiting School Slovenia und an der Summerschool des Bauhaus Kolleg Dessau.
Von 2017 bis 2019 war er Jurymitglied von KÖR Kunst im Öffentlichen Raum Wien.
Mehrere Publikationen, u.a. 2023 „The Last Grand Tour“ bei Park Books (mit Antonietta Putzu). Er war Teil der Gastredaktion der ARCH+ 244 „Wien - Das Ende des Wohnbaus (als Typologie)“, für das er gemeinsam mit Christina Lenart, Bernadette Krejs und der ARCH+ Redaktion den „Bruno-Kreisky-Preis für sozial-ökologisches Wohnen und Zusammenleben“ erhielt. Die im nationalen als auch internationalen Kontext umgesetzten Arbeiten von feld72 wurden mehrfach ausgezeichnet (u.a. mehrere Österreichische Staatspreise als auch die Goldmedaille der Italienischen Architektur) und in renommierten Ausstellungshäusern und Museen und auch bei diversen Biennalen weltweit (Venedig, Shenzhen-Hongkong, Sao Paulo, Rotterdam) präsentiert.

Lorenzo Romito, geboren in Rom, ist Professor für Space and Design Strategies an der KU Linz. Er unterrichtet am NABA in Rom und an der Universität Roma Tre und als Gastprofessor an der ETH Zürich.
Lorenzo Romito ist Aktivist und Stratege gemeinsamer Plattformen für urbane und ökologische Forschung wie Stalker, Osservatorio Nomade, PrimaveraRomana, Biennale Urbana oder NoWorking.
Er ist Gründungsmitglied des Stadtforschungslabors Stalker. Das experimentelle Architekturlab Stalker macht seit 1990 Ausstellungen, Projekte, Forschung, Symposien und Lehre weltweit, nahm an der Architekturbiennale in Venedig, an der Manifesta, der Europäischen Kunstbiennale in Ljubljana, Riwaq Biennale, Ramallah, Quadriennale in Rom und der IABR Rotterdam Biennale teil.Stalkererarbeitet experimentelle Interventionsstrategien, die auf explorativen räumlichen Praktiken beruhen und spielerische, gesellige und interaktive Taktiken verwenden. Mit seiner Arbeit bezieht er sich auf eine Umgebung, ihre Bewohner:innen und ihre lokale Kultur. Stalker wurde 2016 mit dem Curry Stone Prize for Social Design ausgezeichnet. Zu den vielen Ausstellungen, die Lorenzo Romito kuratiert hat, zählen „Islam in Sizilien“, ein Garten zwischen zwei Zivilisationen, die für das Außenministerium und die Orestiadi Foundation kuratiert wurde und durch den Mittelmeerraum und den Nahen Osten tourte. Des Weiteren kuratierte er das von der EU gegründete Stalker-Projekt Egnatia Road, ein Denkmal für Menschen mit Fluchterfahrung, welches 2004 vom EU-Programm Kultur 2000 unterstützt und in Rom, Berlin, Paris, Bozen, Lausanne, Thessaloniki und Otranto ausgestellt wurde.