Johannes Bintinger: Mit ERC-Grant an die TU Wien

Elektronisch präzise Wirkstoffabgabe zur Krebsbekämpfung - daran forscht Johannes Bintinger, der nun sein hochdotiertes ERC-Projekt aus Schweden an die TU Wien transferiert.

Johannes Bintinger

© Thor Balkhed

Johannes Bintinger

Die TU Wien freut sich über einen prominenten Neuzugang in einem besonders zukunftsträchtigen Forschungsgebiet der Bioelektronik. Der Chemiker Johannes Bintinger, ehemals Student an der TU Wien, kehrt von der Linköping Universität in Schweden nach Wien zurück – und das mit einem hochdotierten ERC Starting Grant im Gepäck. Das ERC-Projekt, das ihm 2023 vom European Research Council bewilligt wurde, wird damit an der TU Wien starten.

Johannes Bintinger forscht mit seinem Team an neuartigen, präziseren Methoden, Wirkstoffe zu verabreichen. Man verbindet damit neue Entwicklungen aus dem Bereich der Elektronik mit neuen Trends in der Chemie: Kleine Ionenpumpen werden als implantierbare „Schalter“ verwendet, um chemische Verbindungen mit elektronischer Präzision freizusetzen. Kombiniert mit hochselektiven chemischen Reaktionen, sollen dadurch mehrere Wirkstoffe unabhängig voneinander kontrolliert verabreicht werden können. Johannes Bintinger setzt seine Arbeit nun am Institut für Angewandte Synthesechemie der TU Wien fort.

Punktgenau statt überall im Körper

„Derzeit werden Medikamente normalerweise in Form von Pillen verabreicht, oder intravenös gespritzt. Das führt dazu, dass sich das Medikament unkontrolliert im ganzen Körper ausbreitet – möglicherweise mit schweren Nebenwirkungen“, sagt Johannes Bintinger. Besonders bei der Krebstherapie sind Nebenwirkungen oft das entscheidende Problem: Man möchte Substanzen verwenden, die Krebszellen töten, man muss aber so gut wie möglich verhindern, dass auch andere Zellen dadurch getötet werden.

Die Vision ist, kleine Pumpen direkt in den Körper zu implantieren, die dann von außen gesteuert werden, um exakt nach Wunsch die richtigen Medikamente zu verabreichen. Diese Technologie ist bislang auf relative kleine, geladene Moleküle beschränkt, doch durch den Einsatz von verschiedenen selektiven chemischen Reaktionen, soll es möglich werden, größere Wirkstoffe quasi simultan genau am gewünschten Ort, zur gewünschten Zeit und in der Richtigen Dosis freizusetzen.

„Dadurch kann man auch viel wirksamere Medikamente verwenden als bisher, die sonst aufgrund starker Nebenwirkungen nicht verwendet werden könnten“, erklärt Johannes Bintinger.

Österreich, USA, Schweden

Johannes Bintinger promovierte im Jahr 2016 an der TU Wien, danach arbeitete er am Austrian Institute of Technology (AIT) an biomimetischen Geruchssensoren. Insgesamt Eineinhalb Jahre lang forschte er auch an der renommierten Columbia University in den USA – ungewöhnlicherweise als Chemiker an einem Elektrotechnik-Institut. Dort lernte er nicht nur, unterschiedliche Forschungsfelder miteinander zu verbinden, auch sein Interesse an praktischer Umsetzung seiner Forschungsergebnisse wurde dort noch stärker: „Was mich am meisten beeindruckte, war die unternehmerische Mentalität an der Columbia University“, sagt Bintinger. „Hier habe ich erkannt, dass wissenschaftliche Publikationen zwar wichtig sind, aber für die breite Öffentlichkeit oft nur von begrenztem Nutzen, wenn sie nicht in konkrete Anwendungen oder Produkte umgesetzt werden.“

So wurde Johannes Bintinger neben seiner akademischen Arbeit auch noch zum Unternehmer: Seit 2021 ist er Geschäftsführer des schwedischen Start-Ups „n-ink, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster“, das nachhaltige, skalierbare und vor allem leitfähige Polymere für Li-Ionenbatterien und Kondensatoren herstellt. Als Co-Founder und CSO von „NOSI“ treibt er die Entwicklung biomimetischer Geruchssensoren voran und kombiniert ein e-Nose-System mit KI zur digitalen Erkennung von Gerüchen. NOSI, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster wurde nach dem Gewinn der #Glaubandich-Challenge mit dem Award „Start-Up des Jahres 2024“ ausgezeichnet und ist einer der 25 Gewinner von Falling Walls Venture 2024 (Finale im Nov 2024). Zudem arbeitet er an einem weiteren Start-up im Med-Tech Bereich, das auf der im ERC-Projekt verwendeten Technologie basiert und ab 2025 neue Maßstäbe setzen soll.

2019 ging Johannes Bintinger an die Universität Linköping in Schweden, wo er 2023 seinen ERC-Grant einwerben konnte. Nun kehrt er an die TU Wien zurück – am 1. September 2024 beginnt somit das nächste Kapitel in seiner Forschungskarriere.

Rückfragehinweis:

Dr. Johannes Bintinger
Institut für Angewandte Synthesechemie
Technische Universität Wien
johannes.bintinger@tuwien.ac.at

Text: Florian Aigner