Taipei Winter Semester 2018/19
Miroslav Zane
(This blog is available in German language only)
Dezember 2018
Vor nun schon vier Monaten kam ich aus meinem Alltag der Ferialarbeit in Wien direkt nach Taipeh. Am dortigen Flughafen angekommen wurde ich von meinem Exchange-Buddy Johnson überrascht. Er wurde mir von einer Studentenorganisation der Taipei Tech zugewiesen und half mir letzte Fragen vor der Abreise zu beantworten. Auch nach meiner Ankunft kümmerte er sich darum, dass ich mich in Taipeh zurecht finde. So zeigte er mir einige Straßen westlich des Universitätsgeländes in welchen man günstige Mahlzeiten bekommt. In Taiwan kocht nämlich kaum jemand zu Hause, sondern man isst auswärts. Ab etwa 100TWD (ca. 3 EUR) bekommt man in Taipeh bereits eine vollwertige Mahlzeit.
In Taipeh wird hauptsächlich Hochchinesisch gesprochen. Mit Englisch kann man jedoch sehr leicht den Alltag meistern. Gab es mal in einem Restaurant keine englische Speisekarte, meldete sich schnell ein Gast in meist perfektem Englisch zur Hilfe. Das selbe geschah, wenn man beim Einkaufen mal hilflos zwischen den Regalen stand. Auch habe ich einen Englischlehrer kennengelernt der seit 3 Jahren in Taipeh lebt, aber kein Chinesisch spricht.
Die Kurse an der Taipei Tech werden wie vielleicht zu erwarten ebenfalls überwiegend auf Chinesisch unterrichtet. Einige wenige werden auf Englisch abgehalten. Die Auflistung dieser erscheint bei einer Websuche nach "Taipei Tech english course list" als erstes Ergebnis. War in diesem Katalog die Kurssprache als "English&Chinese" angegeben, war die Lehrveranstaltung auf Chinesisch und es wurden nur sehr wenige englische Fachbegriffe genannt. War jedoch "English" angegeben, wurde der Kurs komplett auf Englisch geführt. Die Englisch-Sprachkenntnisse der Lehrenden erfüllen dabei ihren Zweck. Ich konnte bislang problemlos allen Vorträgen folgen. Auch bei Fragen gab es keine Sprachbarriere. Sogar auf Chinesisch gestellte Fragen von Kommilitonen wurden Chinesisch beantwortet und dann auf Englisch wiederholt.
In den ersten zwei Wochen nach Semesterbeginn hatte man Zeit seine Kurse auszuwählen. Dafür wurde am Orientierungstag eine Liste ausgegeben, auf der die Anmeldung durch Unterschrift vom Vortragenden bestätigt werden musste. Da ich als Bachelor-Student an die Taipei Tech kam, war es mir erlaubt Undergrad- als auch Masterkurse zu belegen. Als Masterstudent ist das meines Wissens nach nicht möglich.
Ich fand leider nur sehr wenige Kurse die zu meinem Studienplan der TU Wien passten. Entsprechend werden mir in Wien vier meiner fünf Kurse nur als Freifächer bzw. Softskills angerechnet. Dies gab mir wiederum die Freiheit mich auf meine fachlichen Interessen zu konzentrieren.
Soweit ich das beurteilen kann ist das Niveau der Kurse sehr ähnlich jenem der TU Wien. In den Lehrveranstaltungen finden sich aber wesentlich weniger Teilnehmer als ich es von der TU Wien gewohnt bin. Zudem erinnern mich auch die dadurch kleineren Vortragsräumlichkeiten eher an Klassenzimmer von Schulen als an Hörsäle von Universitäten. Zudem wird auch das Mitlernen durch regelmäßige Hausaufgaben gefordert.
An der Taipei Tech endet so wie an den meisten asiatischen Universitäten das Herbstsemester bereits Mitte Jänner. Entsprechend hat man relativ lange Zeit bis zum folgenden Sommersemester an der TU Wien. Es bietet sich an Taiwan oder auch andere asiatische Länder in dieser Zeit zu entdecken. Mich haben vor allem die Temperaturen in diesen Breitengraden und kulinarische und sonstige kulturelle Einblicke verleitet, länger in Asien zu bleiben. Andere Austauschstudenten hingegen haben ihre Kurse so gewählt, dass ihnen jeweils verlängerte Wochenenden zum Reisen zur Verfügung standen.
Nun muss ich aber weiterlernen. Die kommende Woche ist final exam week an der Taipei Tech. Ich melde mich wieder…
Jänner 2019
Inzwischen ist mein Auslandssemester zu Ende. Zum Abschluss meines Abenteuers in Taipeh bereise ich derzeit einige andere asiatische Städte. In manchen davon ist es ständig sehr laut, die Luft stark verschmutzt, die Lebenshaltungskosten hoch oder sie versinken im Verkehrschaos. Einige Städte in Asien sind einfach zu touristisch und überlaufen. Mein Auslandssemester in Taipeh war dagegen eine ausgewogene Variante um Asien zum ersten Mal zu sehen und guter Ausgangspunkt um weitere asiatische Kulturen kennenzulernen.
Eine große Umstellung vom Leben in Österreich war für mich das Wohnen im East-Dorm Studentenheim der Taipei Tech. Eine so unverhältnismäßig strikte Geschlechtertrennung sah ich dort zum ersten Mal. Zudem gingen mir einerseits mein eigenes Zimmer in Wien und besonders die damit verbundene Privatsphäre ab. Andererseits war es äußerst bequem etwas mit Studienkollegen zu unternehmen. Auch der Weg zum Universitätsgelände war mit nur 10 Minuten Gehzeit relativ kurz.
Der Campus der Taipei Tech ist überaus grün. Stellenweise hatte ich das Gefühl mitten im Dschungel zu stehen, denn auch in den Wintermonaten gab es Tage mit tropischen Wetterverhältnissen – also 30°C und mehr als 90% relative Luftfeuchtigkeit. Passend dazu wurde ich zu Weihnachten und Silvester, gleich wie in der gesamten restlichen Zeit, nachts von Stechmücken geplagt.
Am Anfang des Semesters versuchte ich auf Prüfungstermine zu achten und diese wie von der TU Wien gewohnt als fixe Daten handzuhaben. Es stellte sich jedoch heraus, dass die zu Semesterbeginn verlautbarten Termine nur selten exakt eingehalten wurden. Wie einige Kommilitonen erzählten, konnte man mit den Dozenten sehr einfach alternative Einzeltermine vereinbaren. Ersatzprüfungen dieser Art als auch reguläre Prüfungen wurden ausschließlich schriftlich abgenommen.
Auf Taiwan gibt es sehr viel zu entdecken. Nicht nur die weltbekannte moderne Architektur mit dem Taipei 101 und die traditionellere Bauweise des Grand Hotels und der Taipei Main Station sind einen Besuch wert. Es gibt ebenso eine große Auswahl an Tempeln in der Stadt die man unbedingt sehen muss. Mit den Uferpromenaden des Keelung River und des Tamsui River, dem Elephant Mountain oder am Jiantan Mountain kann man schnell die lauten Straßen gegen entspannendes Grün wechseln. Als Tagesausflüge fuhr ich ein paar Mal an den Rand Taipehs. Zum Beispiel zum Fort San Domingo in Tamsui oder zu Taipehs Zoo am Ende der braunen MRT Linie.
Sehr sehenswert, wenn auch etwas weiter entfernt, sind die Hafenstadt Keelung, das Laternenfest in Pinxi und die Jiufen Old Street.
Zum Schluss noch ein paar organisatorische Hinweise:
Der Aufenthalt auf Taiwan ist nach aktuellem Stand für österreichische Staatsbürger sogar ohne ein Visum möglich, sofern man das Land innerhalb von 90 Tagen nach der Einreise wieder verlässt.
Ebenfalls anders als auf Festland China kann man in Taiwan mit gewohnten Karten-Apps, wie etwa Google Maps, navigieren.
Gleich nach meiner Ankunft kaufte ich mir am Flughafen eine prepaid SIM-Karte von Chunghwa Telecom. Zum Aufladen gab es eine Filiale wenige Minuten vom Studentenheim entfernt. Für die öffentlichen Verkehrsmittel ist es am bequemsten eine Easycard (ähnlich der Londoner Oystercard) zu verwenden. Eine solche bekommt man ebenfalls bereits am Flughafen. Man kann sie aber nur mit taiwanesischem Bargeld aufladen. Hat man eine taiwanesische Telefonnummer und eine Easycard, kann man mit dieser nach erfolgter Registrierung YouBike Fahrräder günstig ausleihen.
Ich hoffe euch einen nützlichen Einblick in mein Leben in Taipeh gegeben zu haben und verabschiede mich in meinen Asienurlaub.
Euer Mislav