Meersburg am Bodensee, Winter Semester 2017/18
Andreas Bayr
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Oktober 2017
Meersburg
Hallo! Mein Name ist Andreas, ich studiere an der TU Wien Geodäsie und Geoinformation.
Auch schlechtweg Vermessung genannt. Aber das wäre zu einfach.
Ich habe mich entschieden, für dieses Semester eine Alternative zu der ewigen „Hörsaalsitzerei“ zu wagen.
Mein Motiv? Ich will die Welt entdecken und mir gleichzeitig Berufspraxis aneignen.
Da schien mir ein Erasmus+ Praktikum völlig richtig! Den Grundstein dafür hatte ich schon letzten Februar gelegt. Ich hatte damals eine Firma am Bodensee, in Meersburg mit Namen AICON wegen dem Praktikum angeschrieben. Diese betreibt in ihrem weiten Anwendungssprektrum ua. die Vermessung von Freiformflächen in der Automobilindustrie oder die Vermessung von gebogenen Rohrsystemen mittels Stereoscansystemen. Dort und oft auch in anderen Bereichen ist sehr hohe Passgenauigkeit notwendig. Mittels dieser Stereosysteme können die Flächen auf Unebenheiten im µm Bereich untersucht werden und direkt mit der CAD Datei verglichen werden. Also reine Industrievermessung, könnte man meinen. Doch beschäftigt sich ein weiterer Bereich der Firma für Kunst- und Kulturvermessung, zu guter Letzt dank des früheren Firmeneigentümers, der dafür ein Faible hatte. Gut so!
Dorthin hat es mich verschlagen. Für die Forschung und Wissenschaft ist es oft sehr wichtig, Relikte aus längst vergangenen Zeiten zu digitalisieren, Bearbeitungsspuren zu erkennen, Übermalungen von Gemälden oder gar Fälschungen zu enttarnen. Außerdem ist eine Katalogisierung und Zusammenführung von Kunstschätzen, die oft weit verbreitet sind, so zumindest digital möglich. Den Firmensitz hat AICON in Braunschweig, die Firma ist Bestandteil der schwedischen HEXAGON Gruppe, welcher auch andere namenhafte Unternehmen wie zB. Leica Geosystems angehören.
Die Anreise nach Meersburg gestaltete sich einfach. Bahnhof hat die kleine, romantische Mittelalterstadt zwar keinen (wie ich erfuhr, war Meersburg zu der Zeit der Bahnerschließung im Besitz der Adelsfamilie Stauffenberg - damit sollte dem gemeinen Volk der Zutritt zu dem Ländereien des Herzogs erschwert werden). Der nächste Bahnhof befindet sich in Friedrichshafen oder Markdorf, jeweils eine halbe Stunde mit dem Bus entfernt. Dafür hinaus gibt es eine direkte Flixbus - Verbindung von München aus. Von Wien fährt man also gute 10 Stunden. Man kann sich mit dem Zug und Bus ein, zwei Stunden ersparen, muss dafür aber mit einem etwas höheren Preis rechnen.
Mein erster Arbeitstag war der 4. Oktober, da in Deutschland der 3. Oktober als Tag der deutschen Einheit gefeiert wird. Eine Unterkunft habe ich bekommen, um die Jahreszeit ist das leicht, in einer Stadt, die im Sommer von der Vermietung von Ferienwohnung lebt. Im Sommer werden die kleinen Gässchen von tausenden Pensionisten regelrecht überflutet. Es gibt eine alte Burg neben der neueren Schlossanlage, die der Herzog von Stauffenberg errichten ließ. Von dort und dem nach dem Vorbild des Wiener Belvedere angelegten Schlossgartens sieht man wunderschön über den See, auf die Studentenstadt Konstanz.
Ich konnte die letzten Wochen einige Ausflüge unternehmen, zu guter Letzt wegen des goldenen Oktoberwetters. So lernte ich Konstanz ganz gut kennen, freundete mich mit dem dortigen Ultimate Frisbee Spielern an. Ich besuchte das Training 1-2-mal in der Woche. Den Sport spielte ich schon einige Saisonen in Wien.
Friedrichshafen dahingegen ist eine eher düstere Kleinstadt, und im „Hinterland“ von Meersburg entdeckte ich dafür umso schönere Landschaften, die sich bestens zum Radfahren eigneten.
Alles in allem kann ich eine solche Erfahrung nur empfehlen, man sieht die Welt in ganz anderen Augen und es lohnt sich auch, das Arbeitsleben kennenzulernen. Mitte November ist eine Dienstreise nach Athen geplant, dort geht es um vermessungstechnische Ansätze und Technologien im Bereich Archäologie.
Doch dazu mehr in einem Monat,
euer Andreas
November 2017
Athen, Konstanz und der erste Schnee
Meinen zweiten Monat hier im „Ausland“ in Meersburg, Deutschland bei der Firma AICON verbringe ich warm eingepackt bei nasskaltem Wetter recht oft im Inneren. Dennoch lasse ich es mir nicht nehmen, an den wenigen sonnigen Tagen immer wieder Tagestouren mit meinem Bike zu unternehmen. Mittlerweile mehr mit dem Mountainbike als mit dem Rennrad, das eignet sich einfach besser um bei Schlamm und nassem Laub klarzukommen. Die Hallen- Saison im Ultimate Frisbee hat ebenfalls begonnen und so bin ich so oft ich konnte nach Konstanz übergesetzt. Mithilfe der ausgezeichneten Fährverbindungen die alle 15 min fahren ging das relativ spontan. Auch bei sehr stürmischen Bedingungen, wie ich an eigener Haut zu spüren bekam, wurde der präzise deutsche Zeitplan eingehalten. Das Zittern, wenn sich die einzelnen Wellen am Bug brachen, ging durch das ganze Schiff. Die großen Fensterscheiben der Passagierkabine vibrierten dann und nicht nur einmal glaubte ich, sie würde in tausend Splitter zerbarsten. Ja, es konnte sehr stürmisch werden, auf dem schwäbischen Meer.
Das Praktikum macht Spaß, ist abwechslungsreich und interessant. Ich arbeite in der Abteilung, welche sich mit Aufträgen im Bereich Kunst und Kultur beschäftigt. Mittlerweile habe ich gelernt, mit der firmeneigenen Messsoftware umzugehen und aus den einzelnen Scans brauchbare 3D Modelle mit darüber gelegten Texturen zu generieren. Auch der praktische Ansatz fehlte nicht. Wir waren Ende Oktober ironischerweise in Österreich auf Dienstreise. In Graz, wo wir auf der dortigen Fakultät für Archäologie eine Vase scannten, um Reparaturen und etwaige weitere Risse oder Muster festzustellen. Digitale Modelle wie dieses der Vase eignen sich außerdem gut, um Besuchern archäologischer Museen weit interessantere Aspekte der archäologischen Rekonstruktion näher zu bringen.
Nach Athen verschlug es mich Anfang November ebenfalls. Und das gleich eine ganze Woche. Es ging wieder um Archäologie. Im Rahmen eines EU-weiten Projekts trafen sich einige motivierte junge Menschen, um darüber zu diskutieren, wie die Digitalisierung in der Archäologie Anwendung findet. Welche Vorteile eine photogrammetrische Aufnahme einer Drohne eines Ausgrabungsgebietes haben kann und welche Methoden heutzutage besser von der Hand gehen mithilfe modernster Technologie. Dabei spielen eben auch die Scanner von AICON eine große Rolle. Beispielsweise werden an der Nordsee von ganzen Schiffwracks digitale Abbilder erstellt, um den Zustand vor dem Verwitterungsprozess festzuhalten.
Auf den Gipfeln der Schweizer Berge sieht man es an sonnigen Tagen mittlerweile weiß funkeln und strahlen. Fast wehmütig dachte ich an meine Skiausrüstung, die daheim in der Garage liegt. Bald ist es soweit! Kurzzeitig hat sogar in Meersburg Schnee gelegen. Die Weinreben und Reihen von Apfelbäumen, die sich vor dem Fenster in hügeligen Landschaften austreckten, waren dann mit weißen Häubchen verziert. Der Schnee blieb aber nur einen Vormittag lang, bis sich der häufige alltägliche Nebel lichtete und er unter dem Einfluss der Sonne dahinschmolz. Hier in der Seengegend kann es sehr kalt werden, und ich frage mich, ob die beiden Jacken reichen werden, welche ich aus Österreich mitgenommen habe.
Bis dahin, Andreas
Dezember 2017
Adventmarkt - Weihnachtsfeiern - Abschied
Die schönste Zeit geht immer am schnellsten vorbei. Nach diesen 3 Monaten, die ich in Meersburg verbracht habe, kann man eigentlich nur mit einem weinenden und einem lachenden Auge heimkommen.
Das weinende, weil ich doch wirklich viele neue nette Leute kennengelernt habe, von denen mir der Abschied schwerfällt.
Der Dezember gestaltete sich in der kleinen Ortschaft am See doch nicht so finster, wie angekündigt. Zwar waren die Tage oft nebelverhangen und die Wolkendecke ließ nicht viel Sonnenlicht durch, doch im Allgemeinen konnte man zumindest den See noch erahnen.
Im Dezember gestaltete sich die Arbeit noch als äußerst interessant, ich arbeitete weiter um Unterschiede zwischen der Steifenprojektionstechnik und der herkömmlichen Photogrammetrie zu erkennen. Allgemein kann man sagen, dass man mit vielen Photogrammetrie - Programmen ein Rauschen im µm-Bereich feststellen kann, welches durch den 3D-Scanner nicht auffällt.
Bei einem Besuch meiner Eltern ließ sich der Glühwein an den diversen Adventmärkten in Meersburg und Konstanz ganz gut schmecken. Auch versuchten wir unser Glück in dem naheliegenden Pfahlbautenmuseum, wo rekonstruierte Wasser-Siedlungen aus der Ursteinzeit nachgebaut waren. Doch es hatte außer geschlossenen Toren nur einen eisigen Dezemberwind zu bieten, der uns in das naheliegende Kloster Birnau gehen ließ.
Sonst bot Konstanz auch eine recht gute Abwechslung zum Alltag, ich war 1x wöchentlich im Training, und wenn es sich ergab - ja dann blieb ich doch noch auf einen Punsch oder Tee auf dem Weg heim.
Die Weihnachtsfeiern von Verein und Arbeit ließen sich gut kombinieren, da in gutem zeitlichen Abstand voneinander gelegen. Sonst hätte ich wohl den Alkoholpegel länger nicht abgebaut. Aber das soll ja nichts Ungewöhnliches bei Studenten sein.
Schließlich kam die Stunde des Abschiedes und ich nahm den Zug nach Wien, rechtzeitig zu Weihnachten. Zurückblickend war die Zeit am See eigentlich mehr eine Zeit am Ufer, weil die Temperaturen außer einer Abkühlung nach der Sauna zu nichts anderem zu gebrauchen waren. Aber das heißt ja nicht, dass es mir nicht gefallen hat. Eher wohl, dass ich es mal wieder im Sommer probieren werde, das ein oder andere Wochenende dort zu verbringen. Soweit so gut, ich hoffe euch hat das Lesen Spaß gemacht und kann meinen „Kommilitonen“ nur raten, ebenso in die Welt zu ziehen, wie ich es tu.
Mit vielen Grüßen, Andreas