Beschleunigte Materialprüfung

An der TU Wien entwickelte Prüfverfahren verkürzen die Entwicklungszeit von Hochleistungselektronik. Die B&C Privatstiftung zeichnet Golta Khatibi und ihr Team dafür mit dem Houskapreis 2021 aus.

Golta Khatibi hält den Houska-Award in der Hand. Im Hintergrund ihr 4-köpfiges Team.

© Alexander Müller

Von links: Martin Lederer, Agnieszka Betzwar Kotas, Golta Khatibi, Thomas Walter und Bernhard Czerny.

Windräder, Solaranlagen und E-Autos leisten einen wichtigen Beitrag zum Schutz des Klimas. Damit die in ihnen verbaute Leistungselektronik möglichst langlebig ist, muss sie unter Realbedingungen entwickelt und geprüft werden. Wie dies in Minutenschnelle gelingt, zeigen Golta Khatibi und ihr Team. Im Projekt „Hochzuverlässige Leistungselektronik“ entwickelten die Forschenden vom Institut für Chemische Technologien und Analytik der TU Wien bereits gemeinsam mit den Firmen Infineon und F&S Bondtec das Prüfsystem BAMFIT. Weitere Prüfsysteme werden derzeit in die Anwendung gebracht.

10 Jahre in wenigen Minuten

Leistungselektronik wird überall dort eingesetzt, wo elektrische Energie umgeformt werden muss. Damit die einzelnen Komponenten zuverlässig sind, müssen umfangreiche Prüfungen durchgeführt werden. Möchte man untersuchen, wie ein Bauteil auf verschiedene äußere Einflüsse wie thermomechanische Belastung reagiert, setzte man bisher auf aufwendige und teure Prüfstandverfahren: Über Monate hinweg wird zum Beispiel Strom ein- und ausgeschalten, um die Bauteile viele Male dem realen Belastungszyklus auszusetzen. „Diese Analysen dauern mehrere Monate, was in der Anwendung dem ersten Jahr entspricht. Die gesammelten Daten werden außerdem zur Prognose der nächsten Jahre genutzt“, erklärt Golta Khatibi. „Die von uns entwickelte Methode kann dagegen prüfen, wie sich mechanische Belastungen über eine Zeitspanne von 10 Jahren auswirken. Und das in nur wenigen Minuten.“ Dabei werden die Bauteile hochfrequenten, mechanischen Schwingungen ausgesetzt, um so die realen Belastungen nachzustellen.

Damit erfüllen Khatibi und ihr Team genau die Anforderungen der Branche: „Leistungselektronische Komponenten sollen qualitativ hochwertig sein. Zugleich wünschen die Hersteller_innen möglichst kurze Entwicklungszeiten, um neue Produkte schnell auf den Markt zu bringen“, sagt Khatibi. Dass die Prüfmethoden in enger Zusammenarbeit mit den Firmenpartnern F&S Bondtec und Infineon entstanden sind, garantiert, dass sie praktikabel und anwendungsnah sind. „Mit Infineon und F&S Bondtec haben wir zwei starke Partner an unserer Seite, die sowohl in die Entwicklung involviert sind, als auch die Prüfmethoden aktiv anwenden“, hebt Golta Khatibi hervor.

Besseres Verständnis durch Forschung

Präzise materialwissenschaftliche Analysen sind notwendig, um ein umfangreiches Verständnis der Versagensmechanismen der zu prüfenden Bauteile zu erhalten. Daher verwendet das Forschungsteam hochentwickelte Untersuchungsmethoden, um die mikrostrukturellen Veränderungen zu detektieren. „Um das Prüfverfahren zu verkürzen, müssen wir nachvollziehen können, wie ein Schaden entsteht. Indem wir außerdem einzelne Komponenten – und nicht das gesamte Bauteil – untersuchen, lassen sich Schwachstellen finden und gezielt beheben“, erklärt Golta Khatibi. Herkömmlicherweise werden zerstörte Bauteile erst nach dem Materialversagen, also post-mortem analysiert. Was den Forschenden um Khatibi jedoch gelingt, ist eine Analyse der Betriebsbelastung in-situ.

Bei dem bereits am Markt etablierten Prüfverfahren BAMFIT werden die einzelnen Komponenten eines Bauteils mit einer feinen Pinzette bei einer Frequenz von 60 kHz in Schwingung versetzt. Das entspricht 60.000 Schwingungen pro Sekunde. „Dieses Verfahren wird bereits von Infineon angewendet. Wir arbeiten ständig daran, die Prüfverfahren weiter zu entwickeln, um deren Anwendungsgebiete zu erweitern“, sagt Khatibi. „Als Maschinenbauer baut F&S Bondtec die Maschinen und vermarktet sie weltweit“.

Houskapreis für Hochzuverlässige Leistungselektronik

Dass die neu entwickelten Prüfmethoden für die Anwender_innen von großer Relevanz sind, zeigt auch die diesjährige Vergabe des Houskapreises. Für ihr Projekt „Hochzuverlässige Leistungselektronik“ wurde Khatibi in der Kategorie „Hochschulforschung“ ausgezeichnet. Das Projekt basiert maßgeblich auf den im „Christian Doppler Labor für Lebensdauer und Zuverlässigkeit von Grenzflächen in komplexen Mehrlagenstrukturen der Elektronik“ gewonnenen Erkenntnissen und ist das erste TU Wien-Projekt, das erstplatziert ist.

Mit insgesamt 500.000 Euro Dotierung ist der Houskapreis der größte private Preis für anwendungsnahe Forschung in Österreich. Verliehen wird er von der B&C Stiftung in zwei Kategorien: „Hochschulforschung“ und „Forschung & Entwicklung in KMU“. Das Preisgeld für die Erstplatzierten beträgt je 150.000 Euro.

Kontakt

Prof. Dr. Golta Khatibi
Institut für Chemische Technologien und Analytik
Technische Universität Wien
+43 1 58801 171 14
golta.khatibi@tuwien.ac.at

Aussenderin:

Sarah Link, MA
PR & Marketing
Technische Universität Wien
+43 664 605882412
sarah.link@tuwien.ac.at